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Patrick Döring
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Frage von Jörg A. •

Frage an Patrick Döring von Jörg A. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Döring,

heute meldete der Tagessiegel: „FDP-Rebellen wollen EU-Schirm kippen“. Im Internetauftritt des Herrn Frank Schäffler (MdB) ist der Antrag zum FDP-Bundesparteitag "Euro sichern - Verantwortung stärken" nachzulesen, der folgende an die Bundesregierung gerichteten Forderungen beinhaltet:
-keine Einrichtung eines ständigen “Euro-Rettungsschirms“ ,
-Schaffung einer europäischen Insolvenzordnung für Mitgliedsstaaten unter zwingender Beteiligung der Gläubiger,
-konsequente Durchsetzung der Einhaltung der bereits im Maastricht-Vertrag festgelegten Konvergenzkriterien,
-Schaffung eines Sanktionsmechanismus, der durch den Rat nicht ausgehebelt werden kann,
Durchsetzung des im Lissabon-Vertrag enthaltenen Artikel 125 („Nichtbeistandsklausel“),
Verschärfung des Artikels 123 (Verbot des Erwerbs von Schuldtiteln von Mitgliedsstaaten durch die EZB).
Ihr Name war unter den Antragstellern nicht zu finden.
1.Bedeutet dies, dass Sie den Antrag nicht unterstützen?
2.Sind Sie für die Transferunion? Und falls ja, wann sagen Sie den Bürgern Ihres Wahlkreises, dass damit ihre künftigen Einkommen, insbesondere ihre Renten extrem gefährdet sind?
3.Haben Sie den Bürgern Ihres Wahlkreises schon gesagt, dass die Transferunion einen weiteren Rechtsbruch (u.a. Verstoß gegen die „No bail out-Regelung“) bedeutet ?
4.Haben Sie z.B. den offenen Brief der 189 Wirtschaftswissenschaftler, die Grundsatzkritik „ Freie Fahrt in die Schuldenunion“ des CEP und das Kurzgutachten „Ein Krisenmechanismus für die Eurozone“ des ifo-Instituts zur Kenntnis genommen?

Mit freundlichen Grüßen

Addicks

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Addicks,

vielen Dank für ihre Frage. Für die Verzögerung meiner Antwort bitte ich um Entschuldigung. Wie Sie sich vorstellen können, war ich durch die Ereignisse der letzten Wochen zeitlich sehr eingespannt.

Zu ihrer Frage: In der Tat habe ich den von Ihnen erwähnten Antrag auf dem Bundesparteitag nicht unterstützt, denn ich halte ihn nicht für ehrlich. Die Antragsteller blenden die nicht unerheblichen Risiken ihrer Forderungen vollkommen aus. Ganz zu schweigen davon, dass einzelne Forderungen schlicht unrealistisch sind. Ein freiwilliger Austritt hoch verschuldeter Mitgliedsstaaten aus dem Euro ist zum Beispiel mehr als unwahrscheinlich, da die Einführung einer neuen Währung zu einer drastischen Abwertung führen würde, während die Schulden weiterhin in Euro notiert blieben - das würde den endgültigen Bankrott besiegeln.

Ich gebe gerne zu, dass die jetzige währungspolitische Entwicklung in Europa nicht auf meinem Wunschzettel stand. Aber wir müssen auch verantwortlich zur Kenntnis nehmen, was es sowohl für das Projekt der Europäischen Einigung als auch - ganz egoistisch - für unser Land bedeutet hätte, wenn wir uns zu Beginn der jetzigen Krise der europäischen Solidarität verweigert und Länder wie Griechenland, Irland oder Portugal ihrem Schicksal überlassen hätten.

Nur zur Erinnerung: Bereits der Zahlungsausfall eines einzelnen Mitgliedsstaates wäre in der gegenwärtigen fragilen wirtschaftlichen Lage ein erhebliches Risiko für die Stabilität der Währungsunion aber auch der Finanz- und Realwirtschaft in Deutschland gewesen. Deutsche Banken würden von einem Staatskonkurs erheblich in Mitleidenschaft gezogen - und deutsche Unternehmen haben gegenüber diesen Staaten Forderungen in Milliardenhöhe. Der volkswirtschaftliche Schaden für unser Land wäre immens. Ganz zu schweigen von der destabilisierenden Wirkung eines unkontrollierten Konkurses zum Beispiel Griechenlands für den gesamten südlichen Balkan. Denn ein Staatskonkurs hätte nach unseren Erkenntnissen auch die führenden griechischen Banken in die Zahlungsunfähigkeit getrieben - die nicht nur in Griechenland selbst, sondern auch in Bulgarien, Rumänien, Albanien und dem Kosovo eine bedeutende Rolle spielen. Die Auswirkungen solcher Bankenpleiten auf die soziale und politische Lage dieser Länder und damit mittelbar der gesamten Europäischen Union möchte ich mir persönlich nicht ausmalen.

Darüber hinaus muss man auch berücksichtigen, dass deutsche und europäische Banken hohe Außenstände gegenüber Griechenland und den übrigen GIIPS-Staaten haben. Nachdem das europäische Bankensystem in Folge der Finanzkrise bereits extrem geschwächt ist, hätte selbst eine nur teilweise Abschreibung dieser Kredite mehrere Banken vor erhebliche Probleme gestellt. Dies führt am Wochenende vor dem Beschluss des Euro-Paketes zu der Situation, dass europäische Banken im internationalen Geldverkehr bereits nicht mehr als kreditwürdig galten. Es bahnte sich eine ähnliche Situation wie nach dem Konkurs der Lehman-Bank an - es drohte der vollständige Zusammenbruch des Interbankenhandels in Europa und damit eine akute Gefährdung des gesamten Zahlenverkehrs. Hätten die europäischen Regierungen nicht gehandelt, hätte die unmittelbare Gefahr bestanden, dass im Laufe des Montags der Euro und das europäische Finanzsystem zusammen gebrochen wären.

Die pauschale Ablehnung eines europäischen Stabilitätsmechanismus, wie es der von Ihnen zitierte Antrag verlangt, ist nach meiner Auffassung daher unverantwortlich. Die Kritiker übersehen vor lauter Sorge über mögliche Risiken der Zukunft vollkommen, welche Gefahren es in der Gegenwart abzuwehren gilt.

Hier hat der auf dem Bundesparteitag mit großer Mehrheit beschlossene Antrag des Bundesvorstands nach meiner Meinung eine überzeugendere Antwort gegeben. Wir stehen solidarisch zu Europa - und setzen uns dabei gleichzeitig für eine verantwortungsvollere Finanz-, Währungs- und Wirtschaftspolitik ein.

Sie erlauben, dass ich der Vollständigkeit halber die wesentlichen Forderungen der FDP an dieser Stelle wörtlich zitiere:

„1. Die FDP fordert eine konsequente Schärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, die die Euro-Staaten wirksam verpflichtet, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren und ihre Gesamtschulden gemäß den Vorgaben der Maastricht-Defizitkriterien abzubauen. Dazu gehört auch, dass Verstöße gegen die Stabilitätskriterien automatisch sanktioniert werden, d.h. dass eine Sanktion nur mit einer qualifizierten Mehrheit der Eurostaaten verhindert werden kann.

2. Bei der Ausgestaltung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) muss die unmissverständliche Geltung des Ultima-Ratio-Prinzips durchgesetzt werden. Hilfe durch Darlehen darf nur möglich sein, wenn Gefahr für den Bestand der Eurozone als Ganzes besteht. Dazu gehört auch die Festschreibung des Einstimmigkeitsprinzips für Maßnahmen des ESM und dass es Darlehen des ESM nur im äußersten Notfall geben darf, gegen angemessene Zinsen und verbunden mit strikten Auflagen, den Haushalt zu konsolidieren und die Wirtschaft des Landes zu reformieren. Auf keinen Fall dürfen Schulden anderer Länder übernommen werden. Dazu gehört ein transparentes Verfahren, bei dem alle Gläubiger einbezogen werden. CAC-Klauseln erleichtern eine Schuldenrestrukturierung und müssen daher ab Juli 2013 verpflichtend in allen Staaten der Eurozone eingeführt werden. Soweit rechtlich möglich, sollen auch die Bedingungen für bereits gegebene Anleihen angepasst werden.

3. Die unabhängige Bewertung der Schuldentragfähigkeit eines Landes muss dadurch gesichert sein, dass IWF, EZB und EU-Kommission diese Bewertung gemeinsam vornehmen und zu gemeinsamen Ergebnissen kommen. Die privaten Gläubiger müssen grundsätzlich an allen Hilfsmaßnahmen beteiligt werden, wenn ein Staat seine Schulden nicht mehr selbst tragen kann und es sich nicht lediglich um eine Liquiditätskrise handelt. Die Eurozone braucht auch klare Regeln für eine geordnete Staateninsolvenz.

4. Eurobonds oder andere gemeinsam finanzierte Anleiheaufkäufe des ESM am Sekundärmarkt sowie die Einführung einer EU-Steuer lehnt die FDP ab. Anleiheankäufe des ESM am Primärmarkt dürfen nur in einer absoluten Ausnahmesituation zulässig sein, nach einstimmigem Beschluss und im Rahmen eines Sanierungsprogrammes. Beim EU-Haushalt muss die Deckelung auf 1% des Bruttonationaleinkommens (BNE) bei-behalten werden.

5. Ein strikter Parlamentsvorbehalt ist bei jeder Aktivierung des ESM sicherzustellen.

6. Die Bundesbank muss im Direktorium des ESM vertreten sein. In Analogie zum Internationalen Währungsfonds sollte einer der beiden deutschen Vertreter im ESM-Direktorium aus der Bundesbank kommen. Eine Präsenz der Bundesbank im ESM-Direktorium stärkt die politische Unabhängigkeit und ist ein weiterer Sicherungsmechanismus gegen eine vorschnelle Inanspruchnahme der ESM-Mittel.

7. Um zu gewährleisten, dass der ESM nicht zur dauerhaften Finanzierung von Staats-schulden einzelner Eurozonen-Mitglieder missbraucht wird, soll seine Ausleihkapazität nach der Aufbauphase kontinuierlich wieder zurückgeführt werden. So können sich Staaten und ihre Gläubiger darauf einstellen, dass der ESM nicht dauerhaft als Nothelfer zur Verfügung steht.

8. Die FDP hält die bestehenden Finanzierungssalden der Bundesbank in Höhe von derzeit rund 340 Mrd. Euro im Rahmen des Zahlungsausgleichsystems der EZB (Target 2) für weit überhöht und erwartet, dass die EZB diese wieder auf ein Normal-maß zurückführt. Gleichzeitig soll sie den Ankauf von Staatsanleihen beenden.“

Im Zuge der laufenden Verhandlungen zum ESM-Vertrag müssen wir alles in unserer Kraft stehende tun, um diese Forderungen so weit wie irgend möglich durchzusetzen. Der jetzt vorliegende Vertragsentwurf ist dabei noch nicht in jeder Hinsicht zufriedenstellend. Die Beteiligung der Investoren an der Bewältigung der Schuldenkrise muss so klar und deutlich wie möglich festgeschrieben werden. Eine ausweichende Formulierung, wie sie derzeit als Alternative in Artikel 12 Absatz 2 vorgeschlagen wird, würde ich für unzureichend halten. Auch die faktische Aufweichung der Vorschriften zu den Instrumenten des ESM, wie sie derzeit in Artikel 16 vorgesehen ist, wäre mit den Vorstellungen der FDP meines Erachtens kaum vereinbar. Hier muss ein Parlamentsvorbehalt sichergestellt werden.

Allerdings: Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, und die Diskussion über den Euro auf die Frage reduzieren, ob und wenn ja wie wir den zukünftigen Stabilitätsmechanismus ausgestalten. Wir müssen zugleich alles dafür tun, dass eine solche Krise sich in Europa nicht wiederholen kann. Die bittere Lehre dieser Tage: Wer es zulässt, dass in einem gemeinsamen Währungsraum einzelne Mitgliedsländer in der wirtschaftlichen Entwicklung zurück fallen oder exzessive Schuldenpolitik betreiben, der trägt einen Teil des Risikos. Und das nicht zu Unrecht: Denn Deutschland, daran muss gelegentlich erinnert werden, hat dies nicht nur geschehen lassen, sondern vor allem ab 2003 die Schwächung des Stabilitätspaktes betrieben, um selbst Verschuldungspolitik betreiben zu können. Es ist unvergessen, wie Gerhard Schröder im März 2005 die Aufweichung des Paktes als „gutes Ergebnis“ lobte. Wir waren nicht der Anker der Stabilität in Europa, der wir hätten sein müssen - sondern sind selbst mit schlechtem Beispiel voran gegangen. Heute zahlen wir die Rechnung für diesen Jahrhundertfehler rot-grüner Politik.

Der Schutzschirm für den Euro ist, wie gesagt, nach meinem Dafürhalten in dieser konkreten Situation ohne Alternative. Er ist allerdings keine Lösung des Problems, sondern lindert nur die akuten Symptome einer tief sitzenden europäischen Krankheit. Auch eine bessere und schnellere Regulierung der Finanzmärkte, zum Beispiel durch Einführung eine Bankenabgabe und einer Steuer auf Finanzaktivitäten, ist allein nicht hinreichend, um eine Wiederholung dieser Krise zu verhindern, wenn wir nicht die eigentlichen Ursachen für das europäische Siechtum bekämpfen: Verschuldung und Wachstumsschwäche. Mit den jetzigen Notfallmaßnahmen haben wir uns nur die Zeit gekauft, um diese eigentlichen Ursachen der Krise zu beheben. Diese wertvolle Zeit müssen wir nutzen - oder wir werden spätestens in einigen Jahre eine um vieles schärfere Wiederholung der Krise erleben.

Es ist daher zwingend notwendig, dass die Einrichtung des Schutzschirms für den Euro auf das Engste mit einem neuen Stabilitäts- und Wachstumspakt verknüpft wird. Wir brauchen ein Maastricht II, mit besseren Regeln, effizienteren Kontrollen und schärferen Sanktionen. Die Koalitionsfraktionen haben mit einem Beschluss im Deutschen Bundestag bereits den richtigen Weg gewiesen, den wir auf dem FDP-Bundesparteitag noch einmal bekräftigt haben: Die europäische Statistikbehörde muss effektive Kontrollrechte erhalten und Defizitsünder müssen bereits frühzeitig exponiert werden. Anstelle der bisherigen langwierigen Prozeduren, die zudem durch politischen Druck verzögert und aufgeweicht wurden, müssen in Zukunft schnelle, harte und automatische Sanktionen treten.

Ein zweiter Stabilität- und Wachstumspakt müsste im ehrlich verstandenen Interesse aller Staaten Europas liegen. Wenn wir unsere Verschuldung nicht in den Griff bekommen und endlich wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad finden, ist die gemeinsame europäische Währung und eventuell sogar das historische Projekt eines geeinten Europa in Gefahr.

Die Erneuerung der unter Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel und Theo Waigel durchgesetzten Prinzipien der Verträge von Maastricht und Amsterdam muss deshalb zum Projekt dieser christlich-liberalen Koalition werden. In Europa müssen wir dafür kämpfen, dass die Prinzipien solider Haushaltsführung und wachstumsfördernder Ordnungspolitik wieder Geltung erlangen. Und in Deutschland müssen wir dafür mit gutem Beispiel vorangehen: den Bundeshaushalt konsolidieren und Wirtschaftswachstum stimulieren. Denn wir können von unseren europäischen Partnern vernünftigerweise nur verlangen uns zu folgen, wenn wir selbst mit gutem Beispiel vorangehen.

Mit freundlichen Grüßen,

Patrick Döring MdB