Wie soll der öffentliche Nahverkehr jemals Wettbewerbsfähig werden in Deutschland?
Sehr geehrter Herr Nouripour,
Es ist jetzt 22 Uhr in Berlin und grad bin ich von meiner Arbeit am Gendarmenmarkt zu meiner Wohnung am Naturkundemuseum gefahren. Ich denke Sie kennen diese Gegend. Zwischendurch wollte ich mir noch etwas zu Essen holen. Nichts hat dort um die Uhrzeit (mitten in der Hauptstadt) geöffnet. Ich habe mit öffentlichem Nahverkehr inklusive Stopp beim Döner 50 Minuten für eine Strecke gebraucht, für die ich mit dem Auto vielleicht 5 Minuten bauche. Währenddessen stinkt es überall nach Urin und Alkohol und mehrere alholisierte Männergruppen haben aggressiv herumgeschriehen. Polizei war weit und breit keine zu sehen. Denken Sie ernsthaft, so wird der öffentliche Nahverkehr konkurrenzfähig? Jeder normale Mensch und natürlich die wichtigen Politiker mit ihrem Fahrservice ziehen das Auto vor. Warum wollen Sie dem normalen Bürger also ein offensichtlich mangelhaftes Produkt schönreden, was sie selbst nicht benutzen würden?
Beste Grüße.
Sehr geehrter Herr I.
vielen Dank für Ihre Nachricht und das Teilen Ihrer Erfahrungen. Es tut uns leid zu hören, dass Sie eine negative Erfahrung im Stadtverkehr gemacht haben. Auch wir sind uns bewusst, dass der öffentliche Nahverkehr kontinuierliche Anpassungen und Verbesserungen benötigt.
Über viele Jahre hinweg wurden kommunale Beschlüsse für eine grüne und attraktive Verkehrspolitik durch das geltende Straßenverkehrsrecht ausgebremst, das den Vorrang für den Autoverkehr betonte. Dies haben wir nun geändert: Gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern haben wir in diesem Sommer das neue Straßenverkehrsgesetz verabschiedet. Es ermöglicht endlich die Umsetzung langjähriger Forderungen der Kommunen und vieler Bürger*innen für besseren Fuß- und Radverkehr sowie einen attraktiveren ÖPNV.
Mit der Reform sollen Kommunen die Freiheit erhalten, ihre Verkehrsplanung stärker an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten. Dazu werden die Bundesregierung und der Bundesrat Änderungen an der Straßenverkehrsordnung vornehmen. Mehr dazu finden Sie hier: Straßenverkehrsgesetz für mehr Lebensqualität.
Es gibt jedoch noch viel zu tun. Insbesondere möchten wir stärker in grüne Infrastruktur investieren und den Fokus auf die Sanierung des Straßennetzes legen. Ein neuer Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan 2040 wird derzeit auf Basis neuer Kriterien erarbeitet. Dabei wird der Bund in Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen den öffentlichen Nahverkehr in Stadt und Land ausbauen und attraktive Bus- und Bahnangebote sicherstellen. Wir wollen Tarifstrukturen vereinfachen, den Ticketvertrieb verbessern und Mobilitätsstationen für Car- und Bike-Sharing fördern.
Auch unsere Kreis- und Landesverbände arbeiten intensiv an der Verbesserung des Stadtverkehrs. Ein Beispiel dafür ist der Plan unseres Kreisverbands Pankow, der gezielte Maßnahmen für den Ausbau des ÖPNV in Pankower Stadtteilen vorsieht. Mehr dazu können Sie hier nachlesen: Unser Plan für Pankow.
Wir laden Sie herzlich ein, Ihre Erfahrungen und Ideen mit unseren Kreis- und Landesverbänden zu teilen. Gemeinsam können wir den öffentlichen Nahverkehr weiter verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
Team Nouripour