Welche Maßnahmen wird bzw. sollte die Bundesregierung Ihrer Meinung nach in naher Zukunft ergreifen, um eine ausreichende Verteidigungsfähigkeit Deutschlands im Ernstfall zu gewährleisten?
Sehr geehrter Herr Nouripour,
aufgrund des mehr oder weniger desolaten Zustands unserer Bundeswehr haben wir aktuell eine nur bedingt verteidigungsfähige Armee.
Ungeachtet dessen führt die Bundesregierung aufgrund des Ukraine-Krieges aktuell einen Wirtschaftskrieg gegen Russland. Dies mag aus moralischen, solidarischen Gesichtspunkten heraus mehr als verständlich sein, steigert jedoch die Gefahr eines militärischen Angriffs Russlands auch auf unser Land.
Ich habe kürzlich gelesen, eine automatische militärische Beistandspflicht der NATO-Partner sei nicht vorgesehen und jeder NATO-Partner entscheide frei über seine Beistandshandlung. Darüber hinaus müsse der NATO-Bündnisfall von allen NATO-Mitgliedern im Konsens beschlossen werden und die NATO-Partner könnten nicht gezwungen werden, militärisch Beistand zu leisten.
Halten Sie die Sanktionspolitik trotzdem für richtig und wie wollen Sie die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands im Ernstfall gewährleisten?
Freundliche Grüße
Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Zu Ihrer ersten Frage: Die letzten Monate haben schmerzlich gezeigt, dass die Bundeswehr nach 16 Jahren unionsgeführter Regierung nicht im Stande ist, ihrem Auftrag und den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Mit dem Sondervermögen soll die Bundeswehr in die Lage versetzt werden, die im Rahmen der Verteidigung des Bündnisses erforderlichen Fähigkeiten zügig und umfassend einbringen zu können. Das schulden wir unseren Bündnispartner*innen ebenso wie unseren Soldat*innen.
Mit den 100 Milliarden Euro, die als Kreditermächtigung zur Verfügung gestellt werden, steht nun über mehrere Jahre ein Finanzvolumen für Investitionen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich zur Verfügung. Im Wirtschaftsplan ist skizziert, welche Beschaffungslücken in den kommenden Jahren konkret geschlossen werden sollen. Angesichts der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse macht das mehrjährige Sondervermögen es möglich, dass die engen Spielräume im Bundeshaushalt eingeschränkt werden.
Parallel dazu wird die Bundesregierung die Probleme im Beschaffungswesen angehen. Die Beschaffung von Großvorhaben muss schneller und wo möglich, auch europäischer erfolgen. Die Bundesregierung muss künftig vierteljährlich berichten, welche Fortschritte es bei der Reform des Beschaffungswesens gibt.
Zu Ihrer zweiten Frage: Vor fast genau einem Jahr hat Russland einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Seitdem ist die Bundesregierung vor politische Entscheidungen gestellt, mit denen noch beim Antritt der Ampelregierung niemand gerechnet hatte. Denn: Dieser Krieg ist ein Angriff auf das internationale Völkerrecht und die Werte einer regelbasierten internationalen Ordnung. Die Ukraine hat wie jedes Land dieser Welt ein Recht auf Selbstverteidigung. Als Bundesregierung unterstützen wir die Ukraine dabei, sich der russischen Aggression entgegenzustellen und seine eigene territoriale Integrität und Souveränität zu verteidigen. Wir unterstützen deshalb ausdrücklich die historisch beispiellosen EU-Sanktionen gegen Russland – hierbei tun wir alles dafür, dass die Sanktionen die russische Bevölkerung nicht in der Breite treffen.
Freundlichen Grüßen
Team Nouripour