Frage an Omid Nouripour von Sebastian S. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Nouripur,
ich beschäftige mich gerade im Rahmen meines Studiums mit der Reform der Bundeswehr und bin dabei auf Ihren Beitrag in der Europäische Sicherheit und Technik (6/2012) gestoßen. Was ich bei Ihrem Aufsatz zum Thema "Wofür Streitkräfte" vermisse, ist Ihre eigene Position zu diesem Thema.
Deshalb frage ich Sie: Wie beantwortet Ihre Fraktion im Deutschen Bundestag die Frage "Wofür Streitkräfte?"
Außerdem würde ich mich freuen, wenn Sie in Ihrer Antwort hervorheben würden, in wie fern die Vorstellungen Ihrer Fraktion konkreter sind oder gar von den im Aufsatz benannten verteidigungspolitischen Richtlinien abweichen.
Ich sehe Ihrer hoffentlich konkreten Antwort mit Freude entgegen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
S. Schmitt
Sehr geehrter Herr Schmitt,
vielen Dank für Ihre Frage vom 05. Juni 2012. Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat am 22. November 2010 ein umfangreiches Positionspapier zur angestoßenen Bundeswehrreform mit dem Titel „Die Bundeswehr von morgen – friedensorientiert, demokratisch, effizient, im Dienste der Vereinten Nationen“ beschlossen. In diesem Beschluss haben wir deutlich gemacht, dass einer nachhaltigen Reform der Bundeswehr eine umfassende Risiken- und Bedrohungsanalyse aber auch eine Chancenanalyse vorausgehen muss. Zu den konkreten Aufgaben der Bundeswehr hat meine Fraktion u.a. beschlossen:
„Die Aufgaben der Bundeswehr ergeben sich aus dem Grundgesetz und der Abwägung der Risiken in der jeweiligen konkreten Bedrohungssituation. Wird sind entschieden gegen militärische Abenteuer oder eine Militärpolitik zur Durchsetzung deutscher Wirtschaftsinteressen. Union und SPD haben in der letzten Legislaturperiode ein „Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“ vorgelegt, in dem unter dem Vorwand deutscher Interessen die Bundeswehr für Zwecke der Energie- und Rohstoffsicherung instrumentalisiert werden soll. Eine solche Lesart der deutschen Sicherheitspolitik lehnen wir ab. Stattdessen setzen wir auf die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien. Hierdurch können Konflikte um konventionelle Energierohstoffe eingedämmt und ein aktiver Klimaschutz befördert werden, womit auch die Sicherheitsrisiken infolge der Erderwärmung reduziert werden.
Auch droht im Rahmen des grundsätzlich richtigen Konzeptes der „Vernetzten Sicherheit“ die Rolle der Bundeswehr über- und die Rolle ziviler Instrumente unterbetont zu werden. Das Weißbuch im Allgemeinen und vernetzte Sicherheit im Speziellen müssen sich in den Rahmen des Aktionsplans zivile Krisenprävention einfügen und nicht umgekehrt. Auslandseinsätze werden nur in einem multilateralen Rahmen durchgeführt. Eine Grundgesetzänderung, die über Amtshilfe hinausgehende Einsätze der Bundeswehr im Innern ermöglicht, wie sie die Union immer wieder thematisiert, lehnen wir ab. Nachdrücklich kritisieren wir auch die Position der Linkspartei die selbst im Einsatz unbewaffneter VN-Militärbeobachter zur Überwachung des Waffenstillstandsabkommens im Sudan eine „Militarisierung der Außenpolitik“ sieht.
Ausbildungshilfe und Beratung ziviler und militärischer Sicherheitskräfte kann ein Beitrag zum Staatsaufbau in fragilen Staaten sein. Seit Jahrzehnten leistet die Bundesregierung millionenschwere Ausstattungs- und Ausbildungshilfe an Polizei- und Sicherheitskräfte anderer Staaten auch in der Hoffnung, damit dort eine Entwicklung zu mehr Demokratie und Beachtung der Menschenrechte zu fördern. Jedoch ist dies in der Vergangenheit nicht immer gelungen. Durch ständige Evaluation und politische Begleitung muss aber sichergestellt werden, dass diese nicht zur Erlangung und Erhaltung illegitimer Macht und Verletzung von Menschenrechten sowie zur Destabilisierung und Gewalteskalation der betreffenden Staaten missbraucht wird.“
Als Aufgaben für die Bundeswehr definiert meine Fraktion entsprechend:
- Internationale Krisenbewältigung im Rahmen multilateraler Einsätze mit VN-Mandat zur Gewaltverhütung,
- Gewalteindämmung und Friedenskonsolidierung
- Schutz Deutschlands und die Wahrung von Frieden und Sicherheit in Europa in enger Zusammenarbeit mit EU und NATO
- Hilfeleistung der Bundeswehr in Katastrophensituationen durch die Bereitstellung logistischer und materieller Unterstützung
- Nothilfe bei Rettung und Evakuierung von in Notsituationen geratener deutscher Bürgerinnen und Bürger im Ausland
- Ausbildungshilfe und Beratung militärischer Sicherheitskräfte als Beitrag zum Staatsaufbau in fragilen Staaten unter der Prämisse der Förderung von Demokratisierungsprozessen und rechtsstaatlicher Grundsätze
Das vollständige Fraktionspapier finden Sie hier: http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/file362373.pdf
In der Hoffnung Ihre Frage damit beantwortet zu haben, bedanke ich mich nochmals für Ihr Interesse.
Mit freundlichen Grüßen,
Omid Nouripour