Frage an Omid Nouripour von Peter C. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Nouripour,
Als Betroffener hätte ich einige Fragen bzgl. der Bundeswehrreform:
1. Glauben Sie, dass eine notwendige Neuausrichtung insgesamt erreicht werden kann oder ist die Umsetzung der Reform eher als ´weiter so´ mit reduzierten Zahlen zu bewerten?
2. Halten Sie die vorgestellte Grobstruktur insgesamt für zweckmäßig?
3. Wie bewerten Sie die mangelhafte Ausplanung von streitkräftegemeinsamen Spezialkräftestrukturen (einschließlich der sogenannten ´Enabler´ wie bspw. SOF-fähigem Lufttransport) und den eklatanten Widerspruch zu den Spezialkräfteentwicklungen in der NATO (Siehe auch: www.nshq.nato.int und http://www.nshq.nato.int/NSHQ/GetFile/?File_ID=29 )
4. Wie bewerten Sie das Reformbegleitprogramm und wie schätzen Sie die Chancen ein, dass dieses ´unbeschadet´ unser Parlament verlässt?
Mit freundlichen Grüßen
P. Crowly
Sehr geehrter Herr Crowly,
vielen Dank für Ihre Frage und bitte verzeihen Sie, dass die Beantwortung Ihrer Frage so lange gedauert hat.
Zu Ihren Fragen: Die notwendige Neuausrichtung der Bundeswehr wird mit der aktuellen Reform nicht erreicht. Aus meiner Sicht mangelt es vor allem an sicherheitspolitischer Weitsicht und dem strategischen Unterbau. Die Fragen „Was wollen wir leisten können?“, „Wie muss die Bundeswehr von Morgen dafür aussehen?“ und „Was wollen wir künftig im engen Verbund mit Partnern machen?“ sind nicht ausreichend beantwortet.
Die vorgestellte Grobstruktur und alle seither vorgelegten weiteren Informationen machen klar, dass die Bundeswehrreform erneut den Ansatz „Breite statt Tiefe“ verfolgt. Es besteht die Gefahr, dass so in Europa ohne jegliche sicherheitspolitische Notwendigkeit an nationalen Alles-Könner-Armeen festgehalten wird, die zudem diesem Anspruch nicht mehr gerecht werden können, anstatt einen dringend notwendigen Europäisierungsprozess in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung anzustoßen.
Auch für die Spezialkräfte gilt aus meiner Sicht: wir müssen nicht alles können und sollten hier nicht überzogene Ambitionen verfolgen. Der Einsatz von Spezialkräften ist ein sensibler Bereich, bei dem etwas mehr Zurückhaltung in Sachen Multilateralisierung verständlich ist. Gleichzeitig ist es jedoch aus meiner Sicht nicht ersichtlich, warum in konkreten Fällen wie beispielsweise Geiselbefreiungen im Rahmen multilateraler Einsätze nicht darüber nachgedacht wird, diese im Verbund mit Partnern zu organisieren. Wir kritisieren die mangelhafte streitkräftegemeinsame Ausplanung der Spezialkräfte und sehen, dass auch das Problem der fragmentierten Führungsorganisation der Spezialkräfte weiterhin nicht gelöst ist.
Das Reformbegleitprogramm ist derzeit im parlamentarischen Verfahren und soll im April im Parlament zur Abstimmung gestellt werden. Bis dahin wird der Verteidigungsausschuss noch eine Anhörung mit Expertinnen und Experten hierzu abhalten. Das Programm enthält aus meiner Sicht einige gute Ansätze, ist aber noch sehr ausbaufähig. Besonders im Bereich nicht-monetärer Maßnahmen ist viel Handlungsspielraum vorhanden. Die Bundeswehr muss professionelle Rahmenbedingungen für den Dienst in der Truppe schaffen, auch und besonders was die Planbarkeit von Karrieren und Versetzungen sowie Einsätzen betrifft. Die Vereinbarkeit von Familie und Dienst erfordert mehr als nur die Bereitstellung von gut gemeinten Eltern-Kind-Zimmern in Kasernen; es erfordert ein grundsätzliches Umdenken und auch eine Flexibilisierung der Bürokratie in der Wehrverwaltung. Das Parlament sollte nicht blockieren, sondern das Ziel verfolgen das Reformbegleitprogramm zu verbessern. In diesem Sinne werden wir in den nächsten Wochen weiter an dem Thema arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen!
Omid Nouripour