Frage an Omid Nouripour von Martin W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Nouripour
am 22. September wird der Papst vor dem Deutschen Bundestag eine Rede halten. Es gibt viele BürgerInnen, die es für nicht akzeptabel halten, ein Religionsoberhaupt im Deutschen Bundestag sprechen zu lassen. Jetzt heißt es: der Papst spricht nicht als Religionsführer sondern als Staatoberhaupt des Vatikanstaates.
Kennen Sie folgendge Fakten:
Der „Vatikanstaat: Vatikanstadt" ist nicht ganz einen ½ km2 groß mit knapp 1000 Einw.
Er wurde 1871 abgeschafft und 1929 unter Mussolini mit den Lateranverträgen wieder gegründet. Diese mit faschistischer Unterstützung konstruierte „Verstaatlichung“ der katholischen Religion war ein geschickter Schachzug und ermöglicht es der Katholischen Kirche, in der Politik auf der ganzen Welt mitzumischen. Der Vatikanstaat hat keine demokratischen Strukturen. Er hat als einziger europäischer „Staat“ die Menschenrechtskonvention der Uno nicht unterschrieben. Positionen zur Homosexualität und Empfängnisverhütung sind Ihnen bekannt. Mindestens ein Drittel der deutschen Bevölkerung will mit diesem „Staatoberhaupt“ nichts zu tun haben. Halten Sie es für politisch klug, wenn die Politik und die PolitikerInnen diese Bürgerinnen und Bürger systematisch ignorieren oder missachten? Was ist Ihre Position? Werden Sie der Rede beiwohnen? Was halten Sie von den Demonstrationen gegen den Papst?
PS.:Vielleicht können Sie mir bei Folgendem helfen: Das Oberhaupt des Vatikanstaates – der Papst – wird auch als Möbel bezeichnet: der Heilige Tisch – entschuldigung: Heilige Stuhl. Dieser vertritt angeblich als eigenständiges Völkerrechts-Möbel, also Völkerrechtssubjekt den „Staat“ auf internationaler Ebene. Das Möbel ist aber nicht das Oberhaupt der Katholischen Kirche und auch nicht das Staatsoberhaupt. Wer ist jetzt Benedikt und als was spricht er: als Religionsführer, als Staatsoberhaupt oder –undercover - als Hl. Stuhl? Ist das die Dreifaltigkeit?
Ich bedanke mich für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Wagner
Sehr geehrter Herr Wagner,
danke für Ihre Frage. Ich finde, dass die Diskussion dazu, ob die Rede des Papst vor dem Bundestag in Zusammenhang mit seiner Funktion als Staatsoberhaupt des Vatikanstaats steht, derzeit etwas aufgeregt ist. Das Parlament hat den Papst zur Rede eingeladen und das Parlament sollte eine solche Entscheidung auch unabhängig und frei treffen können.
Genau so unabhängig und frei muss die Diskussion über diese Entscheidung und über die Positionen des Papstes geführt werden können. Daher halte ich es für richtig und nötig, dass gegen die Rede auch Demonstrationen stattfinden.
Ich selber werde mir die Rede des Papstes im Bundestag anhören. Ich verstehe dies mehr als Akt der Höflichkeit, da das Parlament den Gast eingeladen hat. Gleichzeitig habe ich mich entschieden, meiner Kritik an der völlig fehlgeleiteten Verhütungspolitik und Sexualmoral des Papstes durch das Tragen einer Aids-Schleife Ausdruck zu verleihen.
Mit freundlichen Grüßen!
Omid Nouripour
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