Frage an Oliver Schweim von Frankmartin W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Schweim,
beim Kandidatencheck haben Sie sich zur These "Öffentliche Einrichtungen für die Daseinsvorsorge (z.B. Wasserwerke) sollen nicht ohne Volksentscheid privatisiert werden." enthalten. Ihre Begündung: Volksentscheide sind kostenintensiv und die Bürger können duch die Volksgesetzgebung eingreifen. Das ist richtig, nur ist es eigentlich auch ärgerlich, wenn die Bürger ihre Politiker durch solche Verfahren erst zuückpfeifen müssen. Meines Erachtens verlangt der Schutz öffentlichen Eigentums mehr, z.B. ein Gesetz zum Schutz öffentlichen Eigentums. Mein Vorschlag: Öffentliches Eigentum kann nur durch eine verfassungsrelevante Mehrheit in der Bürgerschaft (also 2/3 Mehrheit) verkauft werden. Wollen Sie nicht vielleicht so eine Gesetzesinitiative in die Bürgerschaft bringen? Ich habe dies auch Frau Jung gefragt.
Mit freundlichem Gruß
Frankmartin Wiethüchter
Sehr geehrte Herr Wiethüchter,
vielen Dank für Ihre Frage. Grundsätzlich bin ich Ihrer Meinung, dass die Veräußerung von Staatseigentum nur in Ausnahmen und nur wohl überlegt erfolgen sollte. Insbesondere der Verkauf der Hamburger Krankenhäuser (2004), der sogar gegen den Willen des Volkes durch die CDU betrieben wurde, ist ein Beispiel wie wichtig das von Ihnen angesprochene Thema ist.
Noch heute leidet der Hamburger Staatshaushalt unter dieser Entscheidung, da das damals "mit veräußerte" Personal mehr und mehr von seinem vertraglich vereinbarten Rückkehrrecht zur Stadt Hamburg gebraucht macht.
Auf Betreiben von uns Grünen hat es daher elementare Anpassungen an der Volksgesetzgebung gegeben, so dass Volksentscheide nun verbindlich sind. Aus meiner Sicht bietet diese Änderung den Bürgerinnen und Bürgern ein ausreichend gutes Mittel, um im Falle einer nicht gewollten Veräußerung elementarer staatlicher Einrichtungen eingreifen zu können.
Was Ihren Vorschlag betrifft, schränkt dieser die Handlungsfähigkeit der Volksvertretung ein. Wie Sie sicher beobachtet haben, sind gerade haushaltspolitische Themen immer sehr polarisierend. Insofern würde selbst eine sinnvolle Veräußerung durch Ihren Vorschlag verhindert werden (z.B. angeschlagener Unternehmen, wie die HSH-Nordbank), da schon aus ideologischen Gründen eine 2/3 Mehrheit schwer erreicht werden kann.
Wie mir auch Till Steffen (ehemaliger Justizsenator) bestätigt ist für Ihren Vorschlag eine Änderung der Verfassung (Artikel 19) erforderlich. Dies bedeutet, dass auch für die Gesetzesänderung für die Einführung Ihres Vorschlags schon eine 2/3 Mehrheit erforderlich ist. Ich gehe davon aus, dass eine solche Mehrheit für die Einführung Ihres Vorschlags nicht zustande kommen wird.
Ich halte es daher für den besseren Weg die vorhandenen Instrumente (wie z.B. die Volksgesetzgebung) zu nutzen und insbesondere durch öffentliche Anhörungen, die (wie leider erst nachträglich bei Stuttgart 21 durchgeführt) im Internet übertragen werden.
Viele Grüße,
Oliver Schweim