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Oliver Krischer
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Frage von Sebastian D. •

Frage an Oliver Krischer von Sebastian D. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Krischer,

als Mitarbeiter im Kfz-Gewerbe fiel mir jüngst ein Flyer des BMU in die Hände, in dem Informationen zur neuen Kraftstoffsorte "E10" zu entnehmen sind.

Gleichzeitig warnen einige Hersteller vor erhöhten Anforderungen an die Ölqualität (und machen dem Konsumenten damit den finanziellen Anreiz wieder zunichte).

Außerdem ist unter http://www.sueddeutsche.de/auto/-mehr-bio-im-sprit-essen-oder-fahren-1.1040399 zu lesen, daß die gesamte CO2-Bilanz der eingesetzten Agrarkraftstoffe keineswegs geklärt ist. Stattdessen wird vom Gesetzgeber einfach nur angenommen, daß nachhaltig produziert wird.

Meine Fragen hierzu sind:
1. Gibt es Mindestanforderungen, unter welchen Nachhaltigkeitskriterien die Rohstoffe gewonnen werden müssen? Ich halte z.B. die Gewinnung von Palmöl auf frisch gerodetem Urwald für nicht zielführend. Wer überwacht diese (wenn es sie gibt)? Ist dies auch für Transport und Herstellung der Fall?
2. Gibt es unabhängige Quellen, aus denen man die gesamte Energiebilanz sicher erkennen kann? Wenn ja: wie ist die Bilanz im Vergleich zu herkömmlichem Kraftstoff?
3. Wäre eine Beschränkung auf Kraftstoffe der 2. Generation (aus Pflanzenresten/Algen/Stroh hergestellt) sinnvoller? Ist diese Beschränkung überhaupt technisch möglich?
4. Gibt es eine Aussicht, energiesparende Techniken zu fördern (immerhin ist dem Klima eher geholfen, wenn statt 10% "Bio"-Beimengung eine Verbrauchsersparnis in gleicher Höhe erzielt wird)? Wäre hierbei die Elektrifizierung des Antriebs zu bevorzugen, oder bekämen z.B. Leichtlaufreifen einen ähnlichen Stellenwert?
5. Ist eine steuerliche Begünstigung des E10-Kraftstoffs geplant, um dem Verbraucher diese Sorte schmackhaft zu machen? Halten Sie unter dem Strich diese Subventionierung für sinnvoll?

Mit freundlichen Grüßen,

Sebastian Domagala

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Domagala,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Die Erhöhung der Beimischung geht auf eine EU-Richtlinie zurück und ist daher für die Mitgliedsstaaten bindend. Bis Ende 2010 müssen alle EU-Mitgliedstaaten den maximal zulässigen Ethanol-Anteil im Ottokraftstoff von derzeit 5 Vol. % (E5) auf 10 Vol. % (E10) anheben. Die Neuregelung basiert auf der Richtlinie 2009/30/EG vom 23. April 2009 zur Änderung der EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie 98/70/EG. In Deutschland erfolgt die Umsetzung im Rahmen des 9. Gesetzes zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetztes und der Verordnung zur Einführung von E10-Kraftstoff sowie zur Rechtsbereinigung im Bereich Beschaffenheit und Auszeichnung der Qualitäten von Kraft- und Brennstoffen (10. BImSchV). Ziel der EU ist es, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und die Abhängigkeit vom Erdöl zu reduzieren.

Nachfolgend möchte ich Ihnen auf Ihre konkreten Fragen einzeln antworten.

1. Gibt es Mindestanforderungen, unter welchen Nachhaltigkeitskriterien die Rohstoffe gewonnen werden müssen? Ich halte z.B. die Gewinnung von
Palmöl auf frisch gerodetem Urwald für nicht zielführend. Wer überwacht diese (wenn es sie gibt)? Ist dies auch für Transport und Herstellung der
Fall?
Mit der am 16. September 2009 beschlossenen Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung soll sichergestellt werden, dass nur noch solche Biokraftstoffe steuerlich begünstigt oder auf die Biokraftstoffquote angerechnet werden können, die unter Beachtung verbindlicher Nachhaltigkeitsstandards hergestellt wurden.
So darf die zur Biokraftstoffherstellung eingesetzte Biomasse nicht von Flächen mit hohem Naturschutzwert oder hohem Kohlenstoffbestand stammen. Innerhalb der EU muss außerdem eine nachhaltige landwirtschaftliche Bewirtschaftung der für die Biomasseerzeugung eingesetzten Flächen garantiert sein. Im Übrigen gelten Biokraftstoffe nur dann als nachhaltig hergestellt, wenn sie – unter Einbeziehung der gesamten Herstellungs- und Lieferkette – ein bestimmtes Treibhausgasminderungspotenzial gegenüber fossilen Kraftstoffen aufweisen.
Die Verordnung enthält darüber hinaus umfangreiche Vorgaben zum Nachweis der Nachhaltigkeit. Dieser erfolgt durch sog. „Nachhaltigkeitsnachweise“, die durch den letzten Herstellungsbetrieb ausgestellt werden. Dabei muss es sich um einen zertifizierten Betrieb i. S. d. Verordnung handeln. Die Zertifizierung erfolgt durch private Zertifizierungsstellen im Rahmen von Zertifizierungssystemen. Zertifizierungsstellen und -systeme müssen durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung anerkannt werden.

2. Gibt es unabhängige Quellen, aus denen man die gesamte Energiebilanz sicher erkennen kann? Wenn ja: wie ist die Bilanz im Vergleich zu
herkömmlichem Kraftstoff?

Die Energiebilanz von Biokraftstoffen ist recht gut untersucht. Für die Herstellung von Biokraftstoffen muss auch fossile Energie eingesetzt werden (z. B. für Transport, Erzeugung von Düngemitteln etc sowie Maschineneinsatz). Die Menge hängt dabei entscheidend von der Art der landwirtschaftlichen Erzeugung und den jeweiligen Hektarerträgen ab. Insgesamt ist die Energiebilanz von Biokraftstoffen aber deutlich positiv. In Deutschland werden i.d.R. 60 - 90 % mehr Energie aus Biomasse gewonnen als für deren Erzeugung eingesetzt werden muss. Eine gute Informationsquelle dazu ist die Agentur für Erneuerbare Energien (-> http://www.unendlich-viel-energie.de/de/verkehr/detailansicht/article/127/energie-und-klimabilanz-von-biokraftstoffen.html ).

Die positive Energiebilanz entspricht aber nicht unbedingt auch einer positiven Klimabilanz. Denn hier fließt z. B.die Klimagasemission aus dem Umbruch von Grünflächen oder der Rodung von Wäldern ein, die sich äußerst negativ auf die Klimabilanz von Biokraftstoffen auswirkt. Dabei sind auch indirekte Landnzutzungseffekte zu berücksichtigen, d. h. wenn Biokraftstoffe andere Agrarprodukte verdrängt, die dann auf neu gerodeten Flächen angebaut werden. Die grüne Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, dass ausschließlich Biokraftstoffe aus nachhaltiger Erzeugung, z. B. ohne Waldvernichtung, nach Europa importiert werden darf und die indirekten Landnutzungseffekte bei der Nachhaltigkeitsbewertung mit betrachtet werden müssen. Die Europäische Union hat das Problem zwar inzwischen erkannt, aber noch keine adäquate Lösung dafür gefunden. Siehe: http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/10/1772&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en

3. Wäre eine Beschränkung auf Kraftstoffe der 2. Generation (aus Pflanzenresten/Algen/Stroh hergestellt) sinnvoller? Ist diese Beschränkung
überhaupt technisch möglich?

Das Kriterium für den Einsatz von Biomasse sollte die nachhaltige Erzeugung und der Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes sein. Wenn dies durch Biokraftstoffe der 2. Generation besser gelöst wird, sind diese zu bevorzugen. Generell sollte die Erzeugung von Biomasse aus Reststoffen gefördert werden. Den steigenden Biokraftstoffbedarf aus überwiegend Anbaubiomasse wie Raps, Zuckerrohr oder auch Ölpalmen zu decken, ist sicherlich nicht nachhaltig.

4. Gibt es eine Aussicht, energiesparende Techniken zu fördern (immerhin ist dem Klima eher geholfen, wenn statt 10% "Bio"-Beimengung eine
Verbrauchsersparnis in gleicher Höhe erzielt wird)? Wäre hierbei die Elektrifizierung des Antriebs zu bevorzugen, oder bekämen z.B.
Leichtlaufreifen einen ähnlichen Stellenwert?

Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs über Hybride, Plug-In-Hybride, Range Extender bis zum reinen batterieelektrischen Fahrzeug ist eine große Chance, erneuerbare Energien in diesem Bereich einzusetzen. Die Speicherung von Wind- und Sonnenstrom in Batterien kann sogar zu einen wichtigen Baustein für die Umstellung der Energieerzeugung auf erneuerbare Energien werden, weil damit Speichermöglichkeiten entstehen. Andere Maßnahmen wie die von Ihnen erwähnten Leichtlaufreifen, aber auch eine Verringerung des Fahrzeuggewichts durch den Einsatz neuer, leichterer Materialien (z.B. Karbonfaser) sind ebenfalls wichtige Maßnahmen auf diesem Weg.
Die Grüne Bundestagsfraktion hat dazu im Jahr 2007 ein „Green Car Concept“ entwickelt:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/verkehr/dok/196/196131.green_car_concept.html

5. Ist eine steuerliche Begünstigung des E10-Kraftstoffs geplant, um dem Verbraucher diese Sorte schmackhaft zu machen? Halten Sie unter dem Strich
diese Subventionierung für sinnvoll?

Nein, beigemischte Biokraftstoffe werden steuerlich nicht begünstigt und eine Subventionierung halten wir auch nicht für zielführend.

Ich hoffe, durch meine Antworten Ihnen die Position von Bündnis 90/Die Grünen deutlich gemacht zu haben. Für weitere Fragen steht Ihnen mein Team und ich gerne zur Verfügung.

Mit herzlichen Grüßen

Oliver Krischer