Frage an Oliver Grube von shukran s. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Grube,
mich würde interessieren, wie Sie zur Eurokrise in den südeuropäischen Ländern stehen und in wie fern Deutschland eine Schuld an dieser Krise hat?
Kann es daran liegen, dass die Löhne in Deutschland deutlich geringer als in vielen anderen Ländern Europas sind oder wie können sie sonst die deutsche Markteffizinz erklären? Denn um wettberwerbsfähig zu bleiben, müssen die Kosten logischerweise niedrig gehalten werden. wie würde sich die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen verändern, wenn in Deutschland ein Mindestlohn eingeführt werden würde?
Mit freundlich Grüßen
Shukran Sinan
Sehr geehrter Herr Sinan,
ich denke, die Eurokrise ist selbst gemacht. Durch die Agenda 2010 Politik wurde in Deutschland ein Billiglohnsektor geschaffen, der in ganz Europa für neoliberale Marktkapitalisten Vorbildfunktion hat. Diese Beobachtung scheinen Sie ja auch gemacht zu haben. Durch diese Art der Wirtschaftsförderung hat Deutschland eine Teilschuld an dieser Krise. Aber nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft hat hier durch ein geschicktes Manövrieren durch die europäischen Steuerlöcher und (Aus-)nutzen der Subventionstöpfe Ihren Teil beigetragen.
Jetzt gilt es, dafür den Preis zu zahlen. Nur leider kommen wir alle (der Staat) nun für die Mitnahme-Gewinne der Unternehmen und Banken auf. In diesem Bereich muß man ansetzen und zum Beispiel einen klaren und deutlichen Schuldenschnitt in Erwägung ziehen. Der weitere Aufkauf von schlechten Papieren durch die EZB erhöht nur die Kosten für alle Menschen und wir zahlen zusammen dafür, dass weiterhin gewissenlose Finanzspieler Millionen an Steuergeldern scheffeln. Fördern? JA. Aber dort, wo das Geld bei den Menschen ankommt.
Die hochgelobte deutsche "Markteffizienz" wage ich zu bezweifeln. Es kommt immer auf die Sichtweise und die Interpretation von Zahlen an. Bei Statistiken (Forschungsergbnisse etc.) ist eine Frage immer wichtig: Wer bezahlt diese (wirklich) und wer profitiert davon?
Der zweite Teil Ihre Frage, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen über die Einführung eines Mindestlohns verändern würde, ist spannend. Zum einen gibt es in vielen europäischen Ländern bereits einen Mindestlohn. Zum anderen erlaube ich mir Zweifel an einem Unternehmen, dass den Lohn seiner Arbeitskräfte durch staatliche Zuschüsse aufstocken lässt. Zweifel, ob das Produkt dieses Unternehmens überhaupt einen Mehrwert für die Gesellschaft generiert. Für entsprechende Qualität (das alte "Made in Germany") würde auch entsprechend bezahlt. Doch dafür braucht es Löhne, die qualifizierte Fachkräfte motivieren und nicht neue Fachkräfte aus dem Ausland, damit die Löhne billig bleiben können.
Die Piraten unterstützen die Forderung nach einem fächendeckenden Mindestlohn. Es handelt sich um einen variablen Wert, der an den Vorjahresdurchschnittsarbeitslohn in Deutschland gekoppelt ist; aktuell läge er bei 9,02 € für unbefristete und 9,77 € für befristete Arbeitsverhältnisse.
Aber wir sehen den Mindestlohn nur als eine Art Brückentechnologie hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen, welches den Menschen von der Erwerbsarbeit trennt (Industriezeitalter). Hierfür möchten wir eine Enquete Kommission einberufen, die die Möglichkeiten eines bGE untersucht. Ich finde, das ist zukunftsweisende Politik und wir stellen uns den Fragen des 21. Jahrhunderts als Informations- und Wissenszeitalter.
Ich hoffe, ich habe Ihre Fragen ausreichend beantworten können.
Mit freundlichen Grüßen,
Oliver Grube