Frage an Olav Gutting von Alexandra K. bezüglich Umwelt
Hallo Herr Gutting,
mich interessiert Ihre Positionierung zur Einführung einer Weidetierprämie - wie stimmen Sie diese Woche ab? Die Schäfer*innen leisten im Sinne der ökologischen Landschaftspflege, der Erhaltung der Artenvielfalt und der nachhaltigen, tierverträglichen und schonenden Bewirtschaftung von Grünland außerordentlich wertvolle Arbeit. Allerdings ist ein wirtschaftliches Überleben für viele Schäfer*innen unter den derzeitigen politischen und finanziellen Rahmenbedingungen kaum möglich. Ich würde mich vor diesem Hintergrund freuen, wenn auch Sie und Ihre Kolleg*innen von der CDU sich für die Einführung einer Weidetierprämie einsetzen würden. Ein grundlegendes Umdenken, was Landwirtschaft und Tierhaltung angeht, ist notwendig - ich hoffe, dass sich diese Erkenntnis auch innerhalb Ihrer Partei bald durchsetzt.
Mit freundlichem Gruß
A. K.
Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 25. Juni 2018 zum Thema Weidetierprämie. Gerne möchte ich Ihnen persönlich beantworten.
Vorweg möchte ich erneut betonen, dass wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, den wichtigen Beitrag, den die Schafhalter zum Natur- und Landschaftsschutz sowie zum Erhalt unserer Kulturlandschaft leisten, anerkennen und auch dafür eintreten, dass diese Leistung finanziell abgesichert ist. Deshalb fördern wir in Deutschland die Schafhalter in der 1. Säule über entkoppelte, regional einheitliche Direktzahlungen. Die deutschen Schafhalter erhalten – anders als ihre Kollegen in anderen EU-Mitgliedstaaten - für jeden Hektar Dauergrünland denselben Betrag wie ein Ackerbauer für einen Hektar Ackerland.
Die besondere Förderung der ersten 46 Hektare (50 Euro/Hektar Zuschlag für die ersten 30 Hektare und 30 Euro/Hektar für weitere 16 Hektare) unterstützt darüber hinaus kleinere und mittlere Betriebe bis insgesamt 95 Hektar spürbar. Hinzu kommt die Förderung von Junglandwirten, Ausnahmeregelungen für Kleinlandwirte oder auch, dass die Beweidung von bestimmten Ökologischen Vorrangflächen möglich ist.
In Deutschland haben wir mit dem vollständigen Verzicht auf gekoppelte Direktzahlungen gute Erfahrungen gesammelt, denn die Betriebe können ihre Produktionsentscheidung ausschließlich an den Bedürfnissen des Marktes ausrichten. Davon haben auch die Schafhalter profitiert. Die Direktzahlungen, die sie heute für ihre beihilfefähigen Flächen erhalten, bei denen es sich hauptsächlich um Dauergrünland handelt, betragen in etwa das Dreifache dessen, was der Sektor vor der Entkoppelung an Mutterschafprämien erhalten hat.
Neben den Direktzahlungen in der 1. Säule stehen in der 2. Säule mit der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, dem Agrarinvestitionsförderungsprogramm sowie mit den Maßnahmen der markt- und standortangepassten sowie umweltgerechten Landbewirtschaftung einschließlich des Vertragsnaturschutzes und der Landschaftspflege ein breites Maßnahmenspektrum zur Verfügung, das auch den Schafhaltern zugutekommt.
CDU und CSU waren sich bei der Umsetzung bewusst, dass es bei flächenlosen und flächenarmen schafhaltenden Betriebe zu Problemen kommen kann. Vor der Einführung entkoppelter Direktzahlungen hat daher die Bundesregierung gemeinsam mit dem Berufsstand und den Fachverbänden diesen Schäfern empfohlen, Dauergrünlandflächen zu pachten, damit sie auch unter den entkoppelten Direktzahlungen eine solide Einkommensbasis haben. Aufgrund der Einführung entkoppelter Direktzahlungen ist es für die Schäfer sehr attraktiv, nicht nur das klassische Dauergrünland, sondern auch Dauergrünlandflächen auf wenig produktiven Grünlandstandorten, auf Deichen, nicht militärisch genutzten Teilen von Truppenübungsplätzen sowie auf Heideflächen zu bewirtschaften.
Dass all diese Förderung auch bei den Schäferinnen und Schäfern ankommt, zeigen Auswertungen des Testbetriebsnetzes: Danach erhielten spezialisierte Schafbetriebe im Haupterwerb im Wirtschaftsjahr 2016/2017 rund 86.000 Euro an staatlichen Direktzahlungen und Zuschüssen!
Zum Vergleich: der Durchschnitt dieser Zahlungen belief sich bei allen landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieben auf 33.800 Euro.
Es ist richtig, dass in 22 anderen EU-Mitgliedstaaten gekoppelte Mutterschaf- bzw. Weidetierprämien gewährt werden. Allerdings erhalten in diesen Mitgliedstaaten die Schäfer für ihr Dauergrünland bei Weitem nicht so hohe Prämien wie in Deutschland, wo extensiv genutztes Dauergrünland die gleiche Prämie erhält wie hochproduktives Ackerland. Die Forderung einiger Berufsschäfer eine Weidetierprämie als Direktzahlung in Form der freiwillig gekoppelten Stützung auch in Deutschland einzuführen, hätte aber zur Folge, dass diese zusätzliche Finanzleistung zu Lasten der Flächenprämien aller landwirtschaftlichen Betriebe einschließlich der Schafe haltenden Betriebe selbst gehen würde.
Bei den zahlreichen Zuschriften, die wir erhalten haben, waren neben der Vielzahl von Forderungen für eine Weidetierprämie auch viele, die sich gegen eine Reduzierung der Flächenprämie ausgesprochen haben.
Wir werden die Bundesländer weiter ermutigen, Lösungen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes und der Landschaftspflege für die flächenarmen Betriebe zu finden. Hierzu stehen wir im Austausch mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium.
Bei der für 2020 anstehenden Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik werden wir agrarstrukturelle Ziele beachten und insbesondere kleinere und mittlere Betriebe fördern. Wir wollen die Direktzahlungen stärker und zielgenauer auf bäuerliche Betriebe ausrichten. In der zweiten Säule sollen noch stärker als bisher besonders tier- und umweltgerechte Haltungsverfahren und Agrarumweltmaßnahmen gefördert werden. Insgesamt dürften davon die Ziegen- und Schafhalter deutlich profitieren.
Außerdem werden wir uns dafür einsetzen, dass die gekoppelten Zahlungen in der Europäischen Union zurückgefahren werden. So können in Zukunft Wettbewerbsverzerrungen in den einzelnen Ländern innerhalb der EU vermieden werden.
Unerwartet dagegen war die Reaktion, dass so viele Schäfer und ihre Anhänger die Wiederansiedelung des Wolfes als Bereicherung der Artenvielfalt begrüßen, die in keinerlei Widerspruch zur Weidehaltung stehe und keinesfalls als Bedrohung aufgefasst werden dürfe – im Gegenteil – vielmehr als Bereicherung der Artenvielfalt.
Bislang wurde von Seiten der Schäfer und Weidetierhalter die Forderung gestellt, die sich rasch vergrößernde Wolfspopulation durch ein striktes länderübergreifendes Monitoring zu begleiten und auch auf EU-Ebene auf die Möglichkeiten eines strikteren Wolfsmanagements hinzuwirken, da durch die rasch anwachsenden Populationen Konflikte zwischen Wolfsrudeln und Weidetieren nicht länger vermieden werden könnten. Teure Schutzmaßnahmen, Schäden durch Nutztierrisse, verletzte Tiere und Verlammungen sowie finanzielle Einbußen, wenn gestresste Tiere nicht mehr trächtig werden, wurden uns als Auswirkungen genannt, und die Landes- und Bundespolitik zum Handeln aufgefordert.
Um dem Zielkonflikt von zweierlei Naturschutz- und Biodiversitätsmaßnahmen, nämlich Weidetierhaltung auf der einen und Rückkehr der bedrohten Tierart „Wolf“ auf der anderen Seite, beizukommen, haben wir uns deshalb auch in unserer Pressemitteilung für die Belange der Schäfer ausgesprochen.
Wir schätzen die Leistungen der Schafhalter beim Natur- und Landschaftsschutz und für die Biodiversität als sehr hoch ein, aber die Lösung für die ökonomische Perspektive der Schafhalter in Deutschland, kann nicht in der Umschichtung der ersten Säule liegen, sondern in den speziellen Programmen die im Rahmen der zweiten Säule zu Verfügung stehen. Diese Mittel sind für eine nachhaltige Landwirtschaft, insbesondere auf Grünlandstandorten, für Raufutterfresser, für Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, für die Stärkung tiergerechter Haltung sowie des ökologischen Landbaus und für die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten zu verwenden. Darunter sind viele Maßnahmen, die besonders gut von Schafhaltern – auch flächenarmen Betrieben – genutzt werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Olav Gutting
Mitglied des Deutschen Bundestages