Frage an Olav Gutting von Gert P. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Gutting,
Stark steigende Nitratwerte im Grundwasser, vornehmlich durch die "Gülle-Überdüngung" vieler Landwirte, zwingt viele kommunale Wasserbetriebe dazu, Neu- und Ersatzinvestitionen zu tätigen, um die Grenzwerte unseres Trinkwasser einzuhalten; dies verursacht deutliche Mehrkosten, die sich wohl unausweichlich in höheren Verbraucherpreisen niederschlagen!
Hierzu habe ich 2 Fragen:
1. Was unternimmt die Bundesregierung kurz- und mittelfristig, um diese Überdüngung und den massiven Einsatz von Gülle zu reduzieren?
2. Ist es richtig, daß hier auch schon ein EU-Verfahren gegen Deutschland anhängig ist....wenn ja, wie ist hier der aktuelle Stand?
Beste Grüße
G. P.
Sehr geehrter Herr P.,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 7. August 2017. Mein parlamentarisches Arbeitsgebiet ist die Finanzpolitik und ich gehöre dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages als ordentliches Mitglied an. Mit Fragen aus dem Ressort „Ernährung und Landwirtschaft“ bin ich also überhaupt nicht befasst. Zur Beantwortung Ihrer Fragen habe ich die AG Ernährung und Landwirtschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion kontaktiert und möchte Ihnen heute nachfolgende Antwort zukommen lassen:
Düngegesetz und Düngeverordnung
Der Deutsche Bundestag über die Änderung des Düngegesetzes entschieden. In Verbindung damit steht die sog. Düngeverordnung, die vor Ort intensiv diskutiert wird. Da uns dazu viele Fragen erreichen, möchten wir Sie vor der Entscheidung überschlägig über den aktuellen Stand informieren.
Hintergrund: Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission
Die Düngeverordnung präzisiert die Anforderungen an die gute fachliche Praxis der Düngung und regelt, wie die mit der Düngung verbundenen Risiken zu verringern sind. Trotz der aktuellen Vorgaben besteht insbesondere in Gebieten mit belasteten Grundwasserkörpern Handlungsbedarf. Die EU-Kommission hat deshalb gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung der EG-Nitratrichtlinie eingeleitet. Die bisher ergriffenen Maßnahmen sind nach Ansicht der EU-Kommission nicht ausreichend, um die Nitratbelastung im Grundwasser wesentlich zu reduzieren. Dem wollen und müssen wir Rechnung tragen.
Mit der Änderung des Düngegesetzes und der Düngeverordnung sollen deshalb die Vorgaben zur Düngung in Deutschland weiterentwickelt und verschärft werden. Ziel ist es, mögliche negative Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren. Nach intensiven und kontroversen Diskussionen ist es nun gelungen, einen Kompromiss zwischen den Koalitionsfraktionen, der Bundesregierung und den Bundesländern auszuhandeln.
Novelle Düngegesetz
Mit dem Düngegesetz werden
· Kontrollbehörden und der Vollzug gestärkt. So soll der Datenabgleich mit anderen Bereichen (z.B. Tierbestandszahlen der Betriebe) ermöglicht und automatisiert werden.
· Das maximale Bußgeld für Verstöße wird auf 150.000 Euro erhöht.
Bis zum Schluss strittig war die Einführung einer neuen Bilanzierungs-methode in Gestalt der sog. Stoffstrombilanz. Mittels dieser sollen alle Nährstoffmengen erfasst werden, die dem Betrieb zugeführt und wieder abgegeben werden. Ab 2018 soll die Stoffstrombilanz zunächst für größere Betriebe oberhalb einer Bagatellgrenze von 30 Hektar oder 50 Großvieheinheiten je Betrieb eingeführt werden. Ab 2023 werden alle Betriebe erfasst, die mehr als 20 Hektar oder 50 Großvieheinheiten je Betrieb haben.
Nach wie vor stehen wir der Einführung einer neuen Art der Nährstoff-bilanzierung kritisch gegenüber. Denn es ist unklar, wie diese in der noch zu erarbeitenden Verordnung konkret ausgestaltet werden soll. Sicher ist jedoch, dass es einen bürokratischen Mehraufwand mit sich bringen wird, da neue Dokumentationspflichten zu erfüllen sein werden. Aber alternative Lösungen waren in keiner Weise mehrheitsfähig. Wir haben uns deshalb erfolgreich für eine stufenweise Einführung und Evaluierung der Regelung im Jahr 2021 eingesetzt.
Änderung der Düngeverordnung
Die Novellierung der Düngeverordnung beinhaltet
· eine Verlängerung der Sperrzeiten, in denen keine Düngemittel ausgebracht werden dürfen;
· eine Klarstellung der Beschränkung für die Ausbringung von Düngemitteln auf überschwemmten, wassergesättigten, gefrorenen oder schneebedeckten Böden;
· die Ausweitung der Gewässerabstände;
· erhöhte Anforderungen an die Ausbringungstechnik und
· verschärfte Vorgaben für Lagerkapazitäten von Düngemitteln.
Darüber hinaus erhalten die Bundesländer die Möglichkeit, in besonders mit Nitrat oder Phosphor belasteten Gebieten weitere strengere Regelungen zu erlassen.
Schwieriges Ergebnis
Ohne Frage ist das Ergebnis der Verhandlungen schwierig. Denn dieses bedeutet zusätzliche Auflagen für die landwirtschaftliche Praxis. Und jede Auflage verschärft den Strukturwandel in der Landwirtschaft mit allen negativen Auswirkungen für den ländlichen Raum.
Aber auch die Praxis versichert uns: Wir haben in den Verhandlungen das beste Ergebnis erzielt, das möglich war. Insbesondere haben wir unser Ziel erreicht, dass weiterhin eine bedarfsgerechte Pflanzendüngung möglich bleibt und Regelungen im Vordergrund stehen, die in der Praxis auch umsetzbar sind.
Praktikable Lösungen für die Landwirtschaft
Was haben wir erreicht?
· Betriebe mit weniger als 15 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche sind von den Aufzeichnungen des Düngebedarfs und des Nährstoffvergleichs befreit.
· Um die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen in den verschiedenen Regionen zu berücksichtigen, können die Sperrzeiten mit Genehmigung der Düngebehörde vor Ort um vier
Wochen verschoben werden.
· Die Anforderungen an die Ausbringungstechnik sind mit einer ausreichenden Übergangsfrist versehen. Ausnahmen aufgrund naturräumlichen oder agrarstrukturellen Besonderheiten sind
möglich.
· Weiterhin haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Bundesländer auch Entlastungen für Betriebe beschließen können, die nicht in belasteten Gebieten liegen.
· Ferner bleibt auch das Aufbringen von Düngemitteln auf gefrorenem oder schneebedecktem Boden unter bestimmten Bedingungen weiter möglich.
· Zudem soll auch zukünftig die nach der EG-Nitratrichtlinie gegebene Möglichkeit genutzt werden können, dass Grünlandbetriebe nach einer entsprechenden Genehmigung durch die EU-
Kommission mehr als 170 kg Stickstoff aus tierischen Wirtschaftsdünger je Hektar auf bestimmte Flächen ausbringen dürfen (Derogation).
Fazit
Insgesamt stellen die Änderung des Düngegesetzes und der Düngeverordnung die landwirtschaftlichen Betriebe vor große Herausforderungen. Nach einer schwierigen Abwägung halten wir diese im Ergebnis jedoch für tragbar. Denn es ist uns gelungen, einerseits Umwelterfordernisse noch stärker zu berücksichtigen und damit weiter zur Reduzierung der Nährstoffeinträge in Gewässer beizutragen. Landwirte haben andererseits auch weiterhin die Möglichkeit, ihre Pflanzen ausreichend zu versorgen. Es bleibt zudem eine gewisse Flexibilität, um regionale Besonderheiten angemessen zu berücksichtigten.
Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Olav Gutting