Frage an Olav Gutting von Harry B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Gutting,
die Zustände im Gesundheitswesen werden auch für den weniger kritischen Bürger immer mehr greifbar. Ich bin Augenoptikermeister und habe täglich die Möglichkeit, Stimmungen einzufangen.
Niedergelassene Ärzten, die oft mit lächerlichen Pauschalvergütungen für einen Kassenpatienten abgespeist werden und die sich durch ihre "Selbstverwaltung"sorgane verraten fühlen, entscheiden sich im Rahmen ihrer Kompetenzen immer mehr für ihren Kontostand statt für den Patienten.
In BaWü bekommt z.B. ein Augenarzt ca. 20 Euro/Quartal, egal wie oft er vom Patient konsultiert wird. Man ist auf den Verkauf von sog. IGeLn angewiesen, die der Patient selbst zu tragen hat. Das ärgert wiederum den Patient, dessen Beiträge zur Krankenversicherung immer mehr steigen, der aber immer mieser bei den Ärzten behandelt wird.
Vielfach werden Patienten "wegen Überlastung" überhaupt nicht mehr angenommen. Der Arzt, besser sein Personal, verweist diese Leute ans Rettungswesen oder in die Notaufnahmen der Kliniken. Dort finden offenbar sogar Schlägereien statt, weil die Leute nach Stunden Wartezeit die Nerven verlieren.
Ärzte beklagen, dass sie von den gesetzlichen Kassen mit Nachdruck angehalten werden, Krankheiten zu dramatisieren, ein sog. "Upcoding" via ICD-Codes vorzunehmen, damit die Krankenkasse mehr Geld aus dem Solidartopf des Morbi-RSA erhält. Ich selbst bin Betroffener solcher Machenschaften gewesen. Als Anreiz für den Arzt, solches Upcoding vorzunehmen, wird in Aussicht gestellt, Regress-forderungen zu reduzieren.
Man erlebt als Patient jämmerlichste "Bereitschaftsdienste" außerhalb der regulären Sprechzeiten, Praxen "auf dem Land" finden keine Nachfolger, die dortige Bevölkerung nutzt die Notaufnahme der Klinik, wo bereits zig Patienten sitzen, die die Gröhe´sche Terminservicestelle dort hingeschickt hat..etc.pp.
Mein Zeichenlimit geht zuende. Deshalb meine Frage: Was wird die CDU tun, bevor sich eine "Gesundheits-AfD" Lorbeeren verdient?
Sehr geehrter Botzenhardt,
vielen Dank für Ihr Schreiben zu diversen Gesundheitsfragen, die ich Ihnen gerne wie folgt beantworte:
1. Der Deutsche Bundestag hat am 26. Januar 2017 das vom Bundesministerium für Gesundheit initiierte Gesetz zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie zur Stärkung der über sie geführten Aufsicht beschlossen und dem Bundesrat zugeleitet. Das Gesetz sorgt für eine Stärkung der Kontrollrechte der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane sowie für mehr Transparenz im Verwaltungshandeln.
2. Die Sicherstellung einer flächendeckenden, bedarfsgerechten und gut erreichbaren medizinischen Versorgung auf hohem Niveau ist ein zentrales gesundheitspolitisches Anliegen. Diesem Anliegen kommt insbesondere auch angesichts der demografischen Entwicklung und dem damit verbundenen veränderten Bedarf der Versicherten sowie der unterschiedlichen Versorgungssituationen in Ballungsräumen und ländlichen Regionen besondere Bedeutung zu.
Hierzu wurden in dieser Legislaturperiode vom Bundesministerium für Gesundheit insbesondere das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sowie das Krankenhausstrukturgesetz auf den Weg gebracht. Eine Übersicht mit einer Auswahl an Maßnahmen beider Gesetze, mit denen die Versorgung speziell in ländlichen Räumen gestärkt wird, habe ich als Argumentationshilfe beigefügt, ferner auch die „Liebe-Freunde-Briefe“ zu beiden Gesetzen.
3. Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist die Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Beides sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die KVen haben alle geeigneten finanziellen und sonstigen Maßnahme zu ergreifen, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten, zu verbessern oder zu fördern.
Die KBV erstellt Quartalsberichte zur Honorarentwicklung der Ärzteschaft. Darin sind insbesondere die Quartals- und Jahresumsätze je Arzt, der Umsatz je Behandlungsfall und die Überschüsse nach KV-Region und Facharztgruppe differenziert dargestellt. Die Berichte sind auch im Internet auf der Seite der KBV mit weitergehenden Informationen abrufbar (http://www.kbv.de/html/honorarbericht.php)
4. Zu dem ebenfalls angesprochenen Thema „Upcoding“ haben sich die für die Sozialversicherung zuständigen Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder im Rahmen der 89. Aufsichtsbehördentagung am 23./24.11.2016 mit möglichen Manipulationen bei der Erfassung ambulanter Diagnosen im Hinblick auf die Datengrundlagen des Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs durch Krankenkassen befasst. Grundlage waren die Arbeiten einer bereits seit Mai 2016 zu diesem Thema tagenden Arbeitsgruppe. Die Aufsichtsbehördentagung hat dabei einstimmig rechtliche Rahmenbedingungen abgesteckt und Maßnahmen beschlossen, um einer unzulässigen Beeinflussung des Kodierverhaltens von Vertragsärzten Einhalt zu gebieten. Grundsätzlich ist die korrekte und vollständige Kodierung von Diagnosen stets vertragsärztliche Pflicht und eine gesonderte Vergütung der Krankenkassen alleine für die Kodierung von Diagnosen unzulässig. Das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde des Bundes hat die am RSA teilnehmenden Krankenkassen durch ein Rundschreiben über diese Beschlüsse unterrichtet (abrufbar unter http://www.bundesversicherungsamt.de/fileadmin/redaktion/Risikostrukturausgleich/Rundschreiben/20161212_Info_AT_RS.pdf).
Darüber hinaus berät der Deutsche Bundestag derzeit auf Vorschlag des Bundesministeriums für Gesundheit gesetzliche Änderungen, um mögliche Manipulationsanreize abzustellen und die unzulässige Beeinflussung von Diagnosen zu verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Olav Gutting
Mitglied des Deutschen Bundestages