Frage an Olav Gutting von Michael H.
Sehr geehrter Herr Gutting,
Sie haben gegen die Ablehnung von Schiedsgerichten gestimmt.
Ich möchte fragen, warum. Denn ich kann das absolut nicht nachvollziehen, schließlich bedeutet dies doch eine Machtverschiebung in Richtung Konzerne und weg von der Politik. Verfolgt man diesen Gedanken weiter, so bedeutet das, dass Sie oder einer Ihrer Nachfolger irgendwann die Politik überhaupt nicht mehr mitgestalten können, sondern nur noch repräsentative Funktion haben.
Wollen Sie das wirklich?
Sollte die Politik nicht stattdessen versuchen, das Gleichgewicht zu erhalten?
Ich weiß, dass man sich Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen von TTIP erhofft, doch erwiesen ist gar nichts, es ist nicht einmal sehr wahrscheinlich. Ein "Chlorhühnchen" ist nichts dagegen, welche Macht internationale Konzerne bekämen - und welchen "Wettbewerbsvorteil" gegenüber in Deutschland ansässigen Firmen, wenn sie den deutschen Staat einfach so verklagen und die Entscheidung den geheimen Schiedsgerichten überlassen könnten. Jene Schiedsgerichte, die so gut wie immer für einen Konzern entscheiden. Das ist doch keine Demokratie mehr!
Herr Gutting, lesen Sie gerne? Schauen Sie sich gerne Filme an? Ich bin ein großer Fan von Science-Fiction, ich schreibe auch sehr gerne. Mich würde interessieren, in wie fern sie mit gesellschaftskritischer Science-Fiction-Literatur vertraut sind, in der Konzerne eine Rolle spielen. Gerade spiele ich Alien: Isolation und sehe mir auch wieder die Filmreihe an. Auch in dieser Welt haben Konzerne mehr Macht als Regierungen, ein Menschenleben ist für diese Firmen nichts mehr wert.
Klar, das ist Fiktion. Aber gute Science-Fiction nimmt immer mögliche Entwicklungen unter die Lupe, und es ist erschreckend, wie gut manche Geschichten inzwischen zur Realität passen.
Ich würde mir wünschen, dass die Politik auch mal weiter schaut als nur bis zur nächsten Wahl.
Sehr geehrter Herr Hambsch,
mit Dank bestätige ich den Eingang Ihrer Anfrage zu meinem Abstimmverhalten in der Frage des Antrags (18/1458) der Grünen „Ablehnung sogenannter Schiedsgerichte in den Abkommen TTIP und CETA."
Die Grünen wollten mit ihrem Antrag erreichen, dass in den Freihandelsabkommen TTIP und CETA den Konzernen keine Gelegenheit eingeräumt wird, Staaten vor internationalen Schiedsgerichten (außerhalb der ordentlichen staatlichen Gerichtsbarkeit) verklagen zu können. Der Bundestag hat mit überdeutlicher Mehrheit von 462 Stimmen den Grünen-Antrag abgelehnt. Es wird Sie wohl kaum überraschen können, dass ich mit den insgesamt gut 94 Prozent meiner Fraktion gegen den Grünen-Antrag gestimmt habe. Im Übrigen haben wir die Einrichtung von Schiedsverfahren nicht grundsätzlich für überflüssig erklärt, sondern im Ablehnungsbeschluss des Ausschusses für Wirtschaft und Energie hat die Fraktion der CDU/CSU beispielsweise dafür plädiert, "Schiedsgerichtsverfahren nicht per se zu verurteilen." Man sei grundsätzlich offen für Diskussionen über die Aufnahme von Schiedsgerichtsverfahren.
Auch unser Koalitionspartner hat deutlich gemacht, dass er eine Entscheidung erst zu einem Zeitpunkt für sinnvoll erachte, wenn die vollständigen Verträge innerhalb des Bundestages zur Beratung stünden. Aus heutiger Sicht lässt sich noch nicht vorhersagen, wann das sein wird. Die Arbeiten am Vertragswerk können sich laut Experten möglicherweise noch mehr als 2 Jahre hinziehen. Wenn Sie Vertreter der Wirtschaft befragen, so werden Sie zustimmende Äußerungen zum TTIP erhalten. Zahlreiche Zoll- und Zertifizierungsvorschriften machen es unseren Unternehmen schwer, mit neuen Produkten auf dem amerikanischen Markt erfolgreich zu sein. Das bezieht sich im Übrigen auch durchaus auf einen Teil von Verbraucherschutzbestimmungen. Es ist keineswegs immer nur so, dass wir sozusagen als Gralshüter der strengsten Verbraucherschutzvorschriften zu gelten haben.
Sicherlich müssen wir – was die Ausarbeitung des Vertragswerkes angeht – auf der Hut sein, damit da keine sozusagen unsichtbaren Stolperfallen für unangenehme Überraschungen sorgen. Auch würde ich mir wünschen, dass die Verhandlungen um das Abkommen mehr Transparenz erkennen ließe. Da scheint mir noch ziemlicher Nachholbedarf angezeigt zu sein. Denn nur so werden sich die teils diffusen Ängste in der Bevölkerung bändigen lassen.
Zur Wahrheit gehört aber auch die Tatsache, dass wir mit vielen Staaten bereits Investitionsschutzabkommen geschlossen haben und Rechtsstaatlichkeit auch im Verhältnis Unternehmen/Staat gelten muss. Auch die Politik hat sich an Regeln zu halten, was aber keineswegs bedeutet, dass damit das Primat der Politik in Frage gestellt wird.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen mein damaliges Abstimmverhalten ein wenig näher gebracht zu haben, und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Olav Gutting, MdB