Frage an Olav Gutting von Manfred U. bezüglich Finanzen
seit unendlich vielen Jahren wird von allen Parteien über die Reform der Steuergesetzgebung geredet, aber nichts unternommen. Nun haben wir das aktuelle Thema Steuerhinterziehung-Betrug als Sport auf dem Tisch und es ist peinlich, dass eigentlich der Großteil der Mitbürger "Betroffene" sind und wenn auch nur im Kleinen. Warum ist es nicht endlich möglich eine vereinfachte Steuergesetzgebung, die ALLE verstehen, zu machen? Ich wünsche mir, dass eine verständliche Steuergesetzgebung die über 75% der Steuerzahler versteht dringend auf die Tagesordnung kommt. Wer seine Steuern versteht und dann vielleicht auch noch Klarheit bei der Verwendung dieser erhält wird vielleicht dann nicht mehr Betrügen können. Eine vereinfachte Steuererklärung könnte zumindest so gestaltet sein! Dass es keine Bierdeckellösung geben kann verstehe ich, aber es muß einfacher gehen! und zwar sehr bald. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass Sie diese Anregung annehmen und nicht zur Seite legen.
Ihr Mitbürger Manfred Umlauf
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Sehr geehrter Herr Umlauf,
für Ihre Anfrage zum Thema „Steuerreform“ danke ich Ihnen.
Ich darf Ihnen darauf wie folgt antworten:
Zunächst ein paar grundsätzliche Feststellungen: Zu Recht stellen Sie eingangs fest, dass das Thema einer großen Steuerreform die Parteien, aber auch die Öffentlichkeit seit vielen Jahrzehntenbewegt. Schon in der ersten großen Koalition unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (1966 - 1969) hatte der damalige Finanzminister Franz Josef Strauß einen Versuch unternommen. Der ansonsten recht durchsetzungsfähige Politiker gab nach einiger Zeit entmutigt auf, weil das Problem nicht allein über den Bundestag gelöst werden konnte, sondern es mussten auch die Bundesländer mit ins Boot genommen werden. Von den sonstigen Widerständen aus dem Bereich Steuerprivilegierter hatte Strauß noch gar nicht gesprochen.
Es war der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und Finanzpolitiker Gunnar Uldall, der in den frühen 90er Jahren mehrfach den Versuch unternommen hat, das Steuerrecht durch ein Modell mit nur noch drei Steuersätzen von 8, 18 und 28 Prozent zu vereinfachen. Auch sein FDP-Kollege Herrmann Otto Solms, finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion, schlug damals in die gleiche Kerbe. Leider ohne Erfolg. Ihr Vorstoß war nicht mehrheitsfähig. Er wurde kritisiert und zwar nicht nur von der Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen.
Auch der nächste Versuch konnte sich nicht durchsetzen. Der symbolische Vorschlag des ehemaligen CDU-Finanzpolitikers Friedrich Merz, wonach die Steuererklärung so vereinfacht werden sollte, dass sie auf einen Bierdeckel passe, erhielt zwar in der öffentlichen Diskussion breite Zustimmung, fiel später aber bei den Parteigremien durch. Doch damit nicht genug: auch der frühere Verfassungsrichter Professor Paul Kirchhof, plädierte 2005 als Mitglied des Kompetenzteams der damaligen Kanzlerkandidatin Angela Merkel sehr deutlich für ein vereinfachtes Steuerrecht mit wenigen Steuerstufen. Im Zuge eines allmählichen Abbaus von Steuervergünstigungen sollten die geltenden Steuersätze sukzessive zurückgeführt werden. Wie es diesen vernünftigen Reformvorschlägen erging, ist uns noch in guter Erinnerung. Die Diffamierung dieser wohldurchdachten Vorschläge durch den politischen Gegner, insbesondere durch den damals noch amtierenden Bundeskanzler Gerhard Schröder,
brachte die Reformvorschläge zu Fall.
Immer wieder werden seitdem Vorschläge zur Steuervereinfachung gemacht. Aber an das Projekt einer sog. „Großen Steuerreform“ hat sich in den letzten Jahren kein Politiker mehr gewagt. Ein großes Hindernis auf diesem Weg stellt zum Beispiel die Forderung nach einer sog. Einzelfallgerechtigkeit im Steuerrecht dar. Wenn man diesem Prinzip streng folgt, muss sich niemand über die Vielzahl von Ausnahmeregelungen im deutschen Steuerrecht wundern.
Man denke beispielsweise nur an den Versuch, die unterschiedlichen Mehrwertsteuer-sätze nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf EU-Ebene zu beseitigen und insgesamt anzugleichen. Ein allemal begrüßenswertes Vorhaben. Passiert ist in dieser Legislaturperiode bisher leider nichts.
Das hat natürlich auch mit der Tatsache zu tun, dass die Probleme der Staatsschul-denkrise in den Euroländern und die permanenten Rettungsbemühungen erhebliche personelle Ressourcen im federführenden Ministerium binden.
Den kausalen Zusammenhang zwischen Steuervereinfachung, Steuertransparenz und Steuergerechtigkeit wird niemand leugnen wollen. Deshalb spielt das Thema in der politischen wie auch öffentlichen Diskussion immer wieder eine bedeutsame Rolle.
Nun wäre es allerdings naiv zu glauben, Maßnahmen zu einer umfangreichen Steuervereinfachung könnten ohne große Schwierigkeiten auf parlamentarischer Ebene verabschiedet werden. So wurde schon mehrfach der Versuch unternommen, die Kilometerpauschale für die Fahrt vom Wohnsitz zum Arbeitsplatz und zurück zu streichen und den diesbezüglichen Weg zur reinen Privatangelegenheit zu erklären. Der Protest der betroffenen Klientel, insbesondere der zahlreichen Pendler, kam postwendend mit dem Erfolg, dass nur im Detail Veränderungen vorgenommen wurden. Die Liste solcher Beispiele ließe sich beliebig verlängern.
Allerdings hat die Koalition in dieser Legislaturperiode eine ganze Reihe von Steuervereinfachungen beschlossen: Zum Beispiel die Erhöhung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 920 auf 1000 Euro, die Neuregelung bei der Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, die Einführung einer Bagatellgrenze (10000 Euro) bei der Erhebung von Auskunftsgebühren durch das Finanzamt, um nur einige Beispiele aufzuführen. Bei dem Versuch, die Ungerechtigkeit der sog. kalten Progression im Wesentlichen zu beseitigen, ist uns leider die Oppositionsmehrheit von Rotgrün im Bundesrat in die Parade gefahren und hat den vom Bundestag bereits verabschiedeten Gesetzentwurf zu Fall gebracht, zum Nachteil des Steuerzahlers
Meiner Überzeugung nach wird eine groß angelegte Steuerreform nur dann zu schaffen sein, wenn sie sich auf eine breite parlamentarische Mehrheit stützen kann. Davon sind wir aber zur Zeit weit entfernt, wenn ich insbesondere an die jüngsten Steuerpläne der Grünen und SPD erinnere.
Dennoch bin ich mir sicher, dass in der kommenden Legislaturperiode das Thema „Steuervereinfachung“ eine stärkere Rolle spielen wird als bisher.
In der CDUCSU-Bundestagsfraktion wurden in den letzten Jahren von verschiedener Seite Initiativen zur Steuervereinfachung vorgetragen. So hat unlängst eine Gruppe von Unionsabgeordneten den Vorschlag einer „Vereinfachungspauschale“ ins Spiel gebracht. Die Idee: Statt der jährlichen Zettelsammelei, eine Pauschale für alles - Werbungskosten, Handwerker, Büro-Material, Berufskleidung. „Das permanente Streben nach Einzelfallgerechtigkeit und bürokratischer Perfektion - so der Sprecher der Gruppe - hat in den letzten Jahren zu Ungerechtigkeiten für alle geführt. Deshalb soll mit einer spürbaren Vereinfachung der Einkommensteuer das Vertrauen der Steuerzahler in den Steuerstaat zurück erlangt werden.“
Auch mein Kollege Christian von Stetten, Vorsitzender des ParlamentskreisMittel-stand der CDU/CSU, hat vor nicht allzu langer Zeit gefordert, Bundesfinanzminister Dr. Schäuble müsse das Thema „Steuervereinfachung“ zur Chefsache erklären.
Ich kann nur wiederholen: Ich finde ihr vorgetragenes Plädover für eine Steuervereinfachung voll und ganz nachvollziehbar. Zudem bin ich davon überzeugt, dass wir in der nächsten Legislaturperiode ihre Anregung aufgreifen und diesem Thema noch mehr Aufmerksamkeit widmen werden als bisher.
Mit freundlichen Grüßen
Olav Gutting, MdB