Frage an Olav Gutting von Daniel B. bezüglich Recht
Beschneidung: Entschädigung und Rechtsmöglichkeiten
Guten Tag Herr Gutting,
in der Pflegeausbildung habe ich mir erheblichen Unmut zugezogen, als ich mich weigerte an den Kindesmisshandlungen (zu dieser Bezeichnung stehe ich mit voller Überzeugung) durch Beschneidung zu beteiligen.
Ich halte es für bedenklich, daß sich der Bundestag zu einer Einschränkung der seit Jahrzehnten funktionierenden Grundrechte nötigen lässt, weil auf deren Grundlage ein Urteil gefällt wurde, dass einigen einflussreichen Menschen nicht genehm ist.
Eine Beschneidung ist kein vorübergehendes Ereignis, sondern die Betroffenen müssen ihr gesamtes Leben mit einem funktional und sensitiv eingeschränkten, sowie optisch veränderten Körperteil leben. Das es Menschen gibt, die das praktisch, hygienisch usw. finden oder denen es egal ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch Menschen gibt die das als erhebliche Einschränkung in ihre Lebensqualität, gar als Körperbehinderung empfinden. Daß diese Menschen zu diesem Thema schweigen, ist aufgrund ihres Umfeldes, wie dem gesellschaftlichen Tabu verständlich.
Auch bei den Medizinern erlebe ich dazu erhebliche Meinungsunterschiede, nicht zuletzt davon abhängig, ob sie damit Geld verdienen oder nicht.
1.) Wenn der Staat den Schutz der körperlichen Unversehrtheit aufhebt, die Beschneidung der männlichen Kinder straffrei stellt, welche Möglichkeiten haben die Betroffenen gegenüber den Staat, ihren erlittenen Schaden ausgleichen zu lassen?
2.) Wie geben Sie den Betroffene ausreichend Zeit, nach dem erreichen der Volljährigkeit, die Verantwortlichen z.B. durch eine Schadenersatzklage oder vergleichbares, zur Verantwortung zu ziehen?
Wenn die Verursacher ihr Handeln gegenüber den Betroffenen verantworten müssen, dann würde die gesamte Diskussion in die dafür verantwortlichen Kreise getragen.
Wenn die Opfer dieses Gesetzes nur mit einem »Pech gehabt« abgespeist werden, dann hoffe ich inständig, dass dieses in Karlsruhe gekippt wird.
Daniel Büchner
Sehr geehrter Herr Büchner,
für Ihre Mail von 18. dieses Monats, die Sie zum Thema "Beschneidungsurteil und mögliche Konsequenzen" über das Portal „Abgeordnetenwatch“ an mich gerichtet haben, danke ich Ihnen.
Ich darf darauf wie folgt antworten:
beim Thema rituelle Beschneidung von Minderjährigen befinden wir uns auf dem klassischen Feld einer Grundrechtsabwägung (praktische Konkordanz). Meine persönliche Auffassung ist die, dass der Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 unseres Grundgesetzes hier dem Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 6 Absatz 2 GG vorgeht. Ich habe deshalb dem Entschließungsantrag des Deutschen Bundestages, die Beschneidung aus religiösen Gründen gesetzlich straffrei zu stellen, nicht zugestimmt. Der politische Abwägungsprozess ist bei diesem schwierigen Thema aber noch lange nicht abgeschlossen und am Ende wird wahrscheinlich noch das Bundesverfassungs-gericht zu prüfen haben, ob die Politik bei diesen Grundrechtskonflikt die richtige Abwägung vorgenommen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Olav Gutting