Frage an Olav Gutting von Markus K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Gutting,
Die Krankenkassen sind pleite, zahlen aber jährlich ca. 30 Millliarden € für Medikamente. Diese enthalten im Einkauf nur für ca. 300 Millionen € Wirkstoffe. Natürlich kommen für die Hersteller weitere Kosten hinzu, aber die Spanne von rund 29,7 Milliarden € enthält mit Sicherheit maßlos hohe Gewinne.
Beispiel: Das Krebsmedikament Paxol kostet pro Infusionbeutel die Krankenkassen 700€, der enthaltene Wirkstoff 1€!
Diese Preisspanne ist die Regel und nicht Ausnahme.
Die Pharmaindustrie macht zwischen 20% und 45% Gewinn.
Quelle Buch: Korrupte Medizin: Ärzte als Komplizen der Konzerne
Autor Hans Weiss
Die Pharmaindustrie hat somit die höchsten Gewinne überhaupt und leistet sich massivste Lobbyarbeit um Abgeordnete in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Für Forschung wird nur wenig investiert, was man schon daran sieht, dass 2/3 aller Ausgaben für Marketing (inkl. Bestechung von Ärzten, diese bekommen von Big-Pharma bis zu 1000€ pro Patient bezahlt, wenn sie ihm ein bestimmtes Medikament verordnen) ausgegeben wird. Geforscht wird vorwiegend daran, wie man bestehende Medikamente nur soweit verändert, dass diese mit neuen Patenten versehen zu noch höheren Preisen und massivem Marketing in den Markt gedrückt werden können.
Warum wurde die von allen Fachleuten empfohlene Positivliste nicht umgesetzt, obwohl anfangs die Mehrheit der Abgeordneten dafür war und mit ihr sehr viel Geld gespart werden kann?
Warum fällt der Regierung zur Rettung der Krankenkassenfinanzen eine "Gesundheitsreform" ein, die man etwas vereinfacht mit "Beitragserhöhung nur für die Versicherten" zusammenfassen kann?
Schauen sie sich im Vergleich zu den Pharmagewinnen die Honorare für Physiotherapeuten an. Oder die Bezahlung der Ärzte für die Zeit die sie sich für Patienten nehmen.
Warum versagt die Politik hier so vollständig, gemessen an ihrer Aufgabe dem Wohle des ganzen Volkes zu dienen?
Sehr geehrter Herr Kuhn,
für Ihre über das Portal „abgeordnetenwatch“ vorgetragene Eingabe zur Gesundheitspolitik danke ich.
Ich darf darauf wie folgt antworten:
Selbstverständlich macht die deutsche Pharmaindustrie (Jahresumsatz 2009 ca. 38 Mrd. Euro) - wie alle großen Industriebranchen - von einer sehr starken Lobby in Berlin Gebrauch. Diese Lobby ist auch einflussreich, das lässt sich nun mal nicht bestreiten. Das hohe Preisniveau auf dem deutschen Arzneimittelmarkt hat viele Ursachen. Die Pharmalobby trägt selbstverständlich in gewissem Maße auch dazu bei.
Bei innovativen patentgeschützten Arzneimitteln ist - wie sie sicher wissen - die Preisgestaltung frei, das heißt, der Hersteller kann den Preis verlangen, den er für richtig hält bzw. der sich am Markt durchsetzen lässt. In diesem Segment haben wir ein relativ hohes Preisniveau. Das hat aber - wie die Pharmaindustrie in diesem Fall zu Recht behauptet, u.a. auch mit der Tatsache zu tun, dass echte Innovationen hohe Forschungskosten bedeuten, die gegenfinanziert werden müssen.
In Ihrer Eingabe berichten sie von einem Krebsmedikament, das mit einer ungeheuer hohen Gewinnspanne versehen ist. Ich möchte mich an Diskussionen über Zahlen und Relationen auf dem Pharmamarkt, die von irgendeiner Seite behauptet werden, nicht beteiligen, insbesondere deshalb nicht, weil ich diese Spekulationen nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen kann. Aber gerade zu dem Thema „Krebsmedizin“ darf ich auf die Aussage eines Zeugen verweisen, der nun nicht im Verdacht steht, als verlängerter Arm der Pharmaindustrie zu handeln. Ich meine Professor P. S., noch Chef des obersten Arzneimittelprüfinstituts, der einmal auf die Frage nach den extrem hohen Kosten der Krebsmedikamente antwortete. "Insbesondere auf diesem Gebiet wird systematisch und mit einem Riesenaufwand geforscht." Bei anderen Präparaten mag das sicherlich anders sein. Die „Gewinnspanne“ lässt sich aber grundsätzlich nicht einfach mit Verkaufspreis abzüglich Materialkosten berechnen.
Ihre Behauptung, die Pharmaindustrie investiere nur wenig in die Forschung, kann nicht unwidersprochen bleiben. Die Ausgaben der Pharmaindustrie für Forschung und Entwicklung liegen an der Spitze aller Branchen in Deutschland. So hat die Pharmaindustrie im letzten Jahr (2009) geschätzte 4,6 Mrd. € an Forschungsmitteln aufgewendet. Im Jahr davor (2008) waren es 4,56 Mrd. €. Für das laufende Jahr liegt noch keine Prognose vor. Das ist schon eine beträchtliche Summe. Die Ausgaben für Werbung und Marketing im Pharmabereich - das darf man annehmen - werden ebenfalls nicht unbeträchtlich sein. Den hohen Werbeaufwand mag man sicherlich für übertrieben halten, aber nennen Sie mir bitte eine Wirtschaftsbranche, die ohne Werbung auskommt.
Die Politik sieht dem Treiben auf dem Gesundheitsmarkt nicht tatenlos zu. Immerhin haben wir sog. Rabattverträge zwischen den Kassen und den Pharmaherstellern und wir können die Konkurrenz der Generika-Hersteller nutzen, die in dem Moment, wo der Patentschutz für bestimmte Medikamente ausläuft, sofort mit erheblich billigeren Nachahmerprodukten den Markt bestimmen und damit für erheblich billigere Arzneimittelpreise sorgen. Ich habe nur zwei Maßnahmen exemplarisch herausgegriffen.
Die beiden Faktoren tragen zur Kostenregulierung auf dem Arzneimittelmarkt erfolgreich bei. Keine Frage, das reicht am Ende nicht. Wir kommen um weitere Sparmaßnahmen gerade auf diesem Markt nicht herum.
Aber nicht nur die Pharmaindustrie und die weiteren Leistungserbringer sind ursächlich für die laufend steigenden Kosten im Gesundheitswesen. Die erfreulicherweise steigende Lebenserwartung unserer Bevölkerung und der technische Fortschritt in der Medizintechnik fordern ihren finanziellen Tribut. Und es kommt noch ein weiterer Umstand hinzu: Der auffällig hohe Arztbesuch unserer Versicherten. Im Durchschnitt geht der deutsche Versicherte im Jahr 18-mal zum Arzt. In unseren Nachbarländern liegt die jährliche Besuchsquote bei 7 - 8 Arztbesuchen und die sind nicht mehr oder weniger krank als wir. Auch das ist eine Antwort von vielen zum Thema „Kostensteigerung im Gesundheitswesen“.
Ich bin weit davon entfernt zu glauben, die Interessen im Gesundheitswesen würden sich ausschließlich am Allgemeinwohl, also am Wohl des Patienten und Versicherten orientieren. Es gibt auf diesem Markt auch zahlreiche schwarze Schafe. Die gibt es aber überall, was wiederum kein Grund sein darf, die Hände in den Schoß zu legen. Die Politik ist da gefordert und muss die Leistungserbringer noch stärker in die Pflicht nehmen und gegebenenfalls auch kontrollieren. Es braucht aber auch aufgeklärte Patienten, die mit ihrem Arzt zusammen auf Kosteneffizienz achten. Nicht jedes vom Arzt verschriebene Medikament ist zwingend notwendig. Wer beim Arzt nach Alternativen fragt wird oftmals überrascht sein, dass es auch andere, kostengünstigere Lösungen geben kann.
Ich will es bei diesen Bemerkungen belassen und hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen ein wenig gedient zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Olav Gutting, MdB