Frage an Olaf Scholz von Astrid B. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Scholz
Das Psychotherapeutengesetz von 1998 regelt u.a. die kostenpflichtige, berufsbegleitende Ausbildung für Psychologen zum Psychologischen Psychotherapeuten.
Innerhalb dieser Ausbildung müssen die Kandidaten auch als sogenannte „Psychologen im Praktikum (PIP)“ arbeiten. Diese Tätigkeit wird bisher nur in ganz wenigen Kliniken auch angemessen vergütet. Stipendien gibt es bisher nicht.
Z.T. tritt sogar die absurde Situation ein, dass Psychologen Ihre bezahlte Stelle kündigen müssen, um die gleiche Arbeit unbezahlt zu machen, damit sie als Praktikum anerkannt wird.
Meine Fragen an Sie:
1.) Stimmen Sie mit mir überein, dass Ärzte und Psychologen, die die gleiche Tätigkeit ausüben, für diese gleichwertig qualifiziert sind und die gleichen Verantwortungen tragen, auch das gleiche Honorar erhalten sollten?
2.) Sind Sie dafür, dass die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten für die entsprechend geeigneten Kandidaten aus allen sozialen Schichten zugänglich sein sollte?
3.) Falls ja, - in welcher Weise wollen Sie und Ihre Partei-Kollegen sich dafür einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen,
Astrid Braack
Sehr geehrte Frau Braack,
ich habe mich bei den Fachleuten aus meiner Fraktion zum Psychotherapeutengesetz und der Ausbildung erkundigt. Dort habe ich Folgendes erfahren:
Erklärtes Ziel der Abgeordneten war die Gleichstellung der psychisch mit den somatisch Kranken in der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit einer qualitativ gesicherten Psychotherapie sollte die Krankenbehandlung verbessert und die umfangreiche Verordnung von Psychopharmaka zurückgedrängt werden. Mit dem PsychThG wurden die Therapeuten, die bis dahin als „Hilfspersonen“ der Ärzte unter deren Verantwortung an der (psychotherapeutischen) Krankenbehandlung mitwirkten, diesen gleich - und die Zuordnung psychotherapeutischer Leistungen zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung klargestellt werden.
Entsprechend hohe Anforderungen wurden an die neu geschaffenen heilkundlichen Ausbildungen gestellt. Zugang zu ihr haben deshalb nur Diplompsychologen sowie – für den Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie – Pädagogen und Sozialpädagogen. Die Ausbildungen dauern in Vollzeitform mindestens drei, in Teilzeitform fünf Jahre, bestehen aus einer praktischen Tätigkeit, begleitet von theoretischer und praktischer Ausbildung, und schließen mit Bestehen der staatlichen Prüfung ab (§ 5 PsychThG).
Die einschlägigen Regelungen im Gesetz sowie die hierzu erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen lassen erkennen, dass die verschiedenen Ausbildungsabschnitte integrativ zu gestalten sind. Diese Aufgabe obliegt den Ausbildungsstätten, die die Ausbildungsabschnitte durchführen, also selbst (oder gegebenenfalls über Dritte) anbieten und dabei u.a. sicherstellen müssen, dass die Ausbildungsteilnehmer während der praktischen Tätigkeit angeleitet und beaufsichtigt werden (§ 6 Abs. 2 PsychThG sowie § 2 der jeweiligen Verordnungen). Ausdrücklich geht der Gesetzentwurf in der Begründung auch davon aus, dass in den Ausbildungsstätten ein möglichst breites Spektrum von Einrichtungen zur Durchführung der Behandlungen zur Verfügung stehen soll.
Nach Ihrer Schilderung führen Ausbildungsteilnehmer vor bzw. während der Ausbildung bereits eigenverantwortlich Krankenbehandlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung durch; ist dem so, stünde dies m.E. im Widerspruch zu den einschlägigen Vorschriften. Soweit es in der Praxis jedoch Mängel bei Ausbildungen nach dem PsychThG gibt, obliegt deren Beseitigung den zuständigen Landesaufsichtsbehörden. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf – etwa mit dem Ziel einer Senkung der Ausbildungsanforderungen – ist dagegen nicht erkennbar. Die generell fachlich anspruchsvollen berufsrechtlichen Regelungen im Gesundheitsbereich dienen insbesondere dem Schutz der Patienten.
Die Psychotherapeutenausbildung wird von privaten (kostenpflichtigen) Ausbildungsstätten angeboten und – wie meistens im Bereich der Gesundheitsberufe – nicht vergütet, allerdings ist sie nach dem BAföG förderungsfähig.
Natürlich darf es nicht von der sozialen Schicht abhängen, wer die Möglichkeit zu einer solchen Ausbildung bekommt. Für uns bedeutet Chancengleichheit, dass alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von Herkunft und Geschlecht, einen umfassenden Zugang zu einer hochwertigen Bildung erhalten. Der Zugang zum Wissen und die Fähigkeit zum Lernen entscheiden über die Chancen eines selbstbestimmten Lebens. Eine fundierte Ausbildung ist der Grundstein für die Entfaltung der Persönlichkeit und für soziale Teilhabe. Die Beschäftigungs- und Lebenschancen jedes Einzelnen aber auch die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hängen deshalb heute und in Zukunft mehr denn je davon ab, ob es gelingt, möglichst alle Potenziale der Menschen zu fördern. Damit muss früh begonnen und schon im Vorschulalter die Sprachbegabung und Sprachkompetenz der Kinder gefördert werden.
Mit der Agenda 2010 haben wir einen Schwerpunkt auf Bildung, Betreuung und Innovation gelegt. Seit 1998 haben wir die Bildungspolitik im Rahmen unserer Zuständigkeit im Bund als eine zentrale Aufgabe wahrgenommen und dabei Deutschland mit umfassenden und weitreichenden Reformen vorangebracht. Ich möchte nur ein paar Beispiele nennen, die Sie auch auf unserer Internetseite unter www.spdfraktion.de finden:
Beispiel 1: Mehr Ganztagsschulen
Die Bundesregierung hat mit dem Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" die Länder in den Jahren 2003 bis 2007 mit insgesamt vier Milliarden Euro beim Auf- und Ausbau des Ganztagsschulangebotes unterstützt. Mit diesem größten Schulinvestitionsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik werden die Länder entlastet, damit diese mit ihren jeweiligen pädagogischen Konzepten die individuelle Förderung von Talenten und die Betreuung lernschwacher Schülerinnen und Schüler grundlegend verbessern können.
Beispiel 2: Mehr Betreuungsangebote für Kleinkinder
Im Herbst 2004 haben wir das Tagesbetreuungsausbaugesetz verabschiedet und damit die Voraussetzungen für den deutlichen Ausbau des Betreuungsangebotes für Kinder unter drei Jahren geschaffen. Bis zum Jahr 2010 soll das Angebot an Kleinkinderbetreuung, die in der Zuständigkeit der Länder liegt, quantitativ und qualitativ an den westeuropäischen Standard herangeführt werden.
Beispiel 3: Reform des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung
Mit der Reform des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung haben wir das duale Berufsausbildungssystem gestärkt und modernisiert und die Qualität der Berufsbildung verbessert. Die Internationalisierung der beruflichen Bildung und die Einführung zweijähriger Berufsbilder wurden vorangetrieben. Vollzeitschulische Ausbildung kann verstärkt von den Bundesländern zum Abschluss durch eine Kammerprüfung zugelassen werden. So verhindert die Reform die zeitraubenden und teuren Warteschleifen, die Auszubildende heute auf dem Weg zu einem breit anerkannten Abschluss hinter sich bringen.
Beispiel 4: Ausbildungsberufe modernisiert
Mit modernen Berufen werden neue Ausbildungsplätze geschaffen. Das ist die beste Prävention gegen Jugendarbeitslosigkeit. Wir sind hier weit vorangekommen: Seit 1998 haben wir insgesamt über 180 Ausbildungsberufe modernisiert oder neu geschaffen. Dieses Jahr werden 19 weitere hinzu kommen. Die Hälfte aller Jugendlichen wird mittlerweile in modernisierten oder neu geschaffenen Berufsbildern ausgebildet.
Beispiel 5: "Pakt für Ausbildung"
Durch den von Wirtschaft und Bundesregierung Mitte 2004 unterzeichneten "Pakt für Ausbildung" wurde die Ausbildungsbilanz erheblich verbessert. Erstmals seit 1999 wurden 2004 wieder mehr betriebliche Ausbildungsverträge geschlossen als im Vorjahr. Bis zum 30. September 2004, dem jährlichen Stichtag für die Bilanz, wurden 573.000 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das sind rund 15.300 oder insgesamt 2,8 Prozent mehr als 2003. Mit 59.000 neuen betrieblichen Ausbildungsplätzen und mehr als 30.000 Einstiegsqualifikationen wurden die Ziele des Paktes für Ausbildung sogar übertroffen. Die Wirtschaft bleibt aufgefordert, in ihren Anstrengungen nicht nachzulassen und auch im Jahr 2005 zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses verstärkt Ausbildungsplätze bereit zu stellen
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Beispiel 6: BAföG-Reform
Mit der großen BAföG-Reform aus dem Jahr 2001 ist es der Bundesregierung gelungen, jungen Leuten das Vertrauen in die staatliche Ausbildungsförderung zurück zu geben. Die Förderung ist von 1998 bis 2003 fast verdoppelt worden, von 1,2 auf 2,03 Milliarden Euro für eine Zahl von Geförderten, die von 341.000 auf 505.000 im Jahresdurchschnitt anwuchs. Deshalb ist in diesem Zeitraum ist auch der Anteil der Studienanfänger von 27,7 auf 36,5 Prozent eines Jahrgangs gestiegen. Parallel dazu ist ebenfalls die Zahl der Auszubildenden, die Berufsausbildungsbeihilfe erhalten, deutlich angestiegen. Lag die Zahl im Durchschnitt des Jahres 2001 noch bei 63.000 Personen, so lag sie im Jahr 2004 bei 99.369 Auszubildenden.
Der von Teilen der Union geäußerten Absicht, das BAföG abzuschaffen und auf Darlehensfinanzierung umzustellen, erteilen wir eine entschiedene Absage.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz