Frage an Olaf Scholz von Birger Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Scholz,
wie stehen Sie zu den De-Regulierungsabkommen CETA, TTIP? Im Besonderen würde mich interessieren, ob die Schiedsgerichtsklausen in diesen Verträgen enthalten sein dürfen, obwohl Hamburg bereits erfolgreich verklagt wurde und politisch gefasste Entscheidungen revidieren musste, um Schadensersatzzahlungen zu vermeiden? Welche Auswirkungen werden TTIP und CETA auf lokale politische Entscheidungen haben? Wie würde die Umsetzung von TTIP auf lokaler Ebene erfolgen? Wird es einen juristischen Beirat geben, der Gesetzesvorlagen auf TTIP/CETA Vereinbarkeit prüft? Hat die Hamburger SPD einen Fachkundigen ernannt, an den Bürger Fragen bzgl. der Auswirkunden der Verträge stellen können? Können Sie sich eine Abstimmung der Hamburger über die Zustimmung zu diesen Verträgen vorstellen?
Wie kommentieren Sie eine amerikanische Studie von Jeronim Capaldo (Tufts University), die besagt, dass durch diese Verträge Arbeitsplätze abgebaut und nicht geschaffen werden ( http://ase.tufts.edu/gdae/Pubs/wp/14-03CapaldoTTIP.pdf ).
Ich freue mich auf nicht vorgefertigte Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
B. Z.
Sehr geehrter Herr Z.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Deutschland ist eine der am meisten verflochtenen Volkswirtschaften der Welt. Das gilt auch und in besonderer Weise für Hamburg. Der Hamburger Hafen, der gerade wieder einen Rekordumschlag erzielt hat und mehr Container umsetzt als bspw. Brasilien, macht das deutlich. Wir haben daher ein ganz natürliches Interesse an einem freien Handel. Freihandelsabkommen sind in diesem Zusammenhang ein bewährtes und gutes Instrument.
Schiedsgerichte sind für Länder entwickelt worden, in denen man als Investor Zweifel an der Sicherheit seines Engagements haben kann. Viele Länder haben Interesse an solchen Vereinbarungen, weil ausländische Investoren sonst nicht zu ihnen kommen würden. In Ländern mit einer hoch entwickelten rechtsstaatlichen Tradition sind diese Sorgen dagegen nicht begründet. Entsprechend muss das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU daher auch anders bemessen werden. Im Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, das mittlerweile ausverhandelt ist, ist das geschehen. Es wird allerdings noch über Nebenabkommen gesprochen. Sollten Schiedsgerichte, anders als in diesem Abkommen, demokratisch gewollte Entscheidungen in Frage stellen können, sind sie abzulehnen. Es darf nicht möglich sein, beispielsweise den Atomausstieg per Schiedsgericht zu verhindern.
Bei dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU steht noch lange nicht fest, was am Ende darin stehen wird. Es werden im Verlauf der weiteren Verhandlungen sicher noch Fragen zu klären sein. Etwa nach dem Umfang der Kompetenz von Schiedsgerichten, nach der Definition von Daseinsvorsorge, aber natürlich auch nach Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz sowie dem Schutz von Kulturgütern. Der gesetzgeberische Handlungsspielraum zum Schutz öffentlicher Interessen wie z.B. nationale Sicherheit, Umwelt und öffentliche Gesundheit muss gewahrt werden. Wenn diese Fragen positiv beantwortet werden, kann es eine Zustimmung für ein Abkommen geben.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten begleiten die Verhandlungen zu TTIP mit diesen Prinzipien und werden das Ergebnis am Ende genau unter die Lupe nehmen. Ein klug ausgehandeltes Abkommen bedeutet für beide Seiten ein großes wirtschaftliches Potenzial, von dem besonders kleine und mittelständische Unternehmen profitieren würden. Der verbesserte Zugang zu den US-Märkten für Dienstleistungen und bei der öffentlichen Auftragsvergabe, die Angleichung technischer Standards, der Schutz geographischer Ursprungsangaben für europäische Produkte und die Abschaffung von US-Handelsrestriktionen sind in Hamburgs Interesse.
Die SPD wünscht sich eine breite Diskussion zu TTIP. Deshalb wird am 23. Februar 2015 in Berlin eine Freihandelskonferenz stattfinden, die online im Internet übertragen wird und zu der alle Bürgerinnen und Bürger vorab Ihre Fragen einreichen können unter http://www.spd-freihandelskonbefrenz.de .
Entscheidend wird letztlich der ausgehandelte Text sein. Er wird im Europäischen Parlament sowie in den nationalen Parlamenten der EU, hier bei uns in Deutschland im Bundestag und im Bundesrat, sorgfältig analysiert und geprüft werden – sowohl juristisch als auch inhaltlich.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz