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Olaf Duge
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Frage von Peter S. •

Frage an Olaf Duge von Peter S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Sehr geehrter Herr Duge,

im Architekturwettbewerb für den geplanten neuen Fern- und Regionalbahnhof Diebsteich wird der Siegerentwurf vor Beginn der Sommerpause ausgewählt. Wie das Abendblatt schrieb, hat der Projektentwickler, die ProHa Altona GmbH & Co. KG, „den Realisierungswettbewerb im Februar 2018 in enger Abstimmung mit der Stadt und der Bahn AG ausgelobt.“ 13 Architekturbüros aus vier Ländern hätten ihre Vorschläge für das städtebauliche Gebäudeensemble eingereicht.

https://www.abendblatt.de/hamburg/altona/article214363653/Neue-Bahnhof-Diebsteich-gefaehrdet-seltene-Pflanzen.html

Allerdings habe ich vergeblich nach einer öffentlichen Bekanntmachung für diesen Wettbewerb gesucht. Offenbar war es also so, dass nur ein vorab intern ausgewählter Kreis von Teilnehmern direkt zur Abgabe von Entwürfen aufgefordert worden ist.

Haben Sie eine Erklärung dafür, wie dies mit der Richtlinie für Planungswettbewerbe der Freien und Hansestadt Hamburg (RPW2015) zu vereinbaren ist?

https://www.akhh.de/mitglieder/recht/wettbewerbsrecht/

Darin heißt es in § 1, „der offene Wettbewerb bietet die größtmögliche Lösungsvielfalt für eine Planungsaufgabe.“ Im offenen Wettbewerb können alle interessierten Fachleute nach öffentlicher Ausschreibung einen Vorschlag entwickeln und einreichen.

Haben Sie Erkenntnisse darüber, ob die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen verlangt und/oder gebilligt, dass für den neuen Bahnhof keine öffentliche Bekanntmachung erfolgen sollte?

Falls ja:

* Welchen Vorteil verspricht man sich von einem solchen Vorgehen ohne öffentliche Bekanntmachung?

* Besteht nicht ein Risiko, dass es zusätzlichen Ärger mit der EU-Kommission geben könnte, die laut Spiegel Online bereits eine Beschwerde wegen der Grundstücksvergabe am Diebsteich prüft?

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bahnhof-hamburg-altona-eu-prueft-verfahren-gegen-bauprojekt-a-1207652.html

Danke im Voraus für Ihre Antwort und

freundliche Grüße

P. S.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Mail zum Wettbewerbsverfahren Bahnhof Diebsteich.

Das Verfahren erfolgte als nicht offener, einphasiger hochbaulicher Realisierungswettbewerb in Form eines _Einladungswettbewerbs_ mit 15 Teilnehmern, davon fünf Hamburger Büros, fünf nationale Büros und fünf internationale Büros. Das ist insofern ein Sonderfall als dass zwar grundsätzlich offene Wettbewerbe in der Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPO 2015) vorgesehen sind, es aber von diesem Grundsatz unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen gibt. So lässt die RPW 2015 nach § 3 Abs. 3 Unterabs.2 Satz 2 einen solchen nicht offenen Wettbewerb, bei dem die Teilnehmer direkt – also ohne öffentliche Bekanntmachung – ausgewählt werden dann zu, wenn e sich um einen privaten Auslober handelt. Genau das war hier der Fall, da der Auslober die ProHA Altona GmbH&Co.KG war.

Das Verfahren war anonym, d.h. die ausgewählten Büros waren bis zum Wettbewerbsende der Jury nicht bekannt. Verfahrensteilnehmer, Preisrichterinnen und Preisrichter, Sachverständige Beraterinnen und Berater sowie sonstige Personen erklärten sich durch ihre Mitwirkung am Verfahren mit den genannten Bedingungen einverstanden. Der Wettbewerbsausschuss der Hamburgischen Architektenkammer hat Kenntnis vom Inhalt der Auslobung erhalten und beratend mitgewirkt. Die Auslobung wurde dort unter der Nummer NO_02_18_HRW**registriert. Mit dieser Registrierung bestätigt die Architektenkammer, dass die Teilnahme- und Wettbewerbsbedingungen der RPW 2015 entsprechen (vergl. §2 Abs.4).

Aber nicht nur formaljuristisch, sondern auch inhaltlich lässt sich dieses nicht offene Verfahren vertreten. Hintergrund sind die doch sehr speziellen Anforderungen, die bei dem Entwurf einer Bahnhofshalle mit den entsprechenden Vorgaben der Deutschen Bahn, aber auch den hohen Ansprüchen an die Gestaltung der beiden Hochhäuser und des Vorplatzes sowie der Zuwegungen zu den Bahngleisen gestellt wurden. Hierzu bedarf es qualifizierter Architekturbüros, die nachgewiesen haben, dass sie solchen ungewöhnlichen Anforderungen gewachsen sind. Ein Bahnhofshalle mit entsprechenden Umgebungsparametern sind ja keine Alltagsbauten. Zudem mussten die beauftragten Büros auch die entsprechenden Kapazitäten aufbringen können um aufgrund der engen Zeitplanung der Deutschen Bahn innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes die Entwürfe zu erstellen.

Der Wettbewerb hatte keinen einzelnen Siegerentwurf hervorgebracht, sondern es wurden drei Teilnehmer mit jeweils der gleichen Geldsumme prämiert. Damit war der Wettbewerb entschieden und offiziell beendet. Die drei Teilnehmer haben vom Vorhabenträger und der Jury Anforderungen zur Überarbeitung erhalten. Da es hier um einen Realisierungswettbewerb handelte, gilt es nun den zu bauenden Bahnhof zu identifizieren. Dies geschieht dann anhand der überarbeiteten Beiträge durch den Vorhabenträger auf Empfehlung der Jury.

Bzgl. der EU-Prüfung sei angemerkt, dass es sich hierbei wohl um eine Anzeige der Gegnerschaft des Bahnhofes handelt, bei der die EU prüfen _muss_, da eine Anzeige vorliegt. Das kann bei jedem anderen (offenen) Verfahren ebenso geschehen und ist Ausdruck eines Rechtsstaates. Der/die Anzeigende ist anscheinend in Unkenntnis dessen, wie i.d.R. die Grundstücksvergabe in Hamburg vonstatten geht. Die FHH schreibt ein Grundstück aus auf der sich die Konsortien (hier die ProHa) oder Einzelbewerber bewerben können. Anhand einer Kriterien-Matrix wird der Gewinner festgelegt. Dann wird das Grundstück entweder "Anhand gegeben" (um die baulichen und genehmigungsrechtlichen Aspekte klären zu können) oder gleich verkauft. Dem Verkauf muss die Kommission für Bodenordnung (KfB) zustimmen. Die KfB ist ein demokratisch durch die Bürgerschaft gewähltes Kontrollorgan, in dem auch zwei stimmberechtigte Vertreter aus dem jeweiligen Bezirke (von den Bezirksfraktionen in der Bezirksversammlung) Mitglied sind. Diese Kommission bekommt den Grundstücksverkauf vorgelegt und entscheidet selbst, wenn nicht mindestens drei Bürgerschaftsvertreter eine Beschlussfassung in der Bürgerschaft selbst verlangen. Der Verkauf findet dann in der Regel an eine spezielle Grundstücks(entwicklungs)gesellschaft statt, welche von dem Konsortium gegründet wurde. Das ist bei fast allen Grundstücksentwicklungen der Fall, und keineswegs irgendetwas Illegales.

Ergänzend sei noch bemerkt,  dass der Investor kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB (Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen) ist und daher auch nicht dem Vergaberecht unterliegt.

 Ich hoffe Ihre Fragen umfänglich beantwortet zu haben. Sie können sich
selbstredend jederzeit wieder an mich wenden.

Mit freundlichem Gruß

Olaf Duge

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