Frage an Olaf Duge von Ingo B. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Im Sommer vergangenen Jahres hat der Hamburger Senat mit seinem Konzept „stromaufwärts an Elbe und Bille “ eine Diskussion um die Entwicklung der Stadtgebiete im Hamburger Osten angestoßen. Ende Dezember 2014 hat er seine Vorstellungen in der Senatsdrucksache 20/14117 konkretisiert.Als Stadtteil-Initiative in Rothenburgsort stellt sich für uns derzeit insbesondere die Frage nach dem Stellenwert und der Ausgestaltung der Beteiligung der Bevölkerung im angekündigten Entwicklungsprozess.
1.) Der Senat will neue Beteiligungsstrukturen entwickeln, um (u. a.) die Entwicklung im Gebiet Billebogen und in Rothenburgsort und Hamm voran zu bringen (vgl. Drs. 20/14117, S. 8, „zweitens“). Dabei kommt aus Sicht des Senats der „intensiven Beteiligung“ der Bevölkerung und der Diskussion mit den Menschen vor Ort besonderes Gewicht zu“ (vgl. S. 4).
a) Auf welche Weise können Ihrer Meinung nach solche neuen gebietsbezogenen Beteiligungsstrukturen und -formate entwickelt werden?
b) Welche neuen bzw. zusätzlichen Beteiligungsstrukturen bzw. -formate könnten Sie sich dafür auf lokaler Ebene vorstellen?
c) Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Finanzierung der Entwicklung und der professionellen Begleitung der gebietsspezifischen Bewohner-Beteiligung zu gewährleisten?
2.) Über die jeweils gebietsspezifische Beteiligung hinaus hält der Senat weitere Beteiligungsformate für erforderlich, um die übergreifenden Ziele für den Gesamtraum zu diskutieren (vgl. Drs. 20/14117, S. 8, „drittens“).
a) Auf welche Weise sollten Ihrer Meinung nach Beteiligungsstrukturen für den Gesamtraum des Programms entwickelt werden?
b) Welche Beteiligungsstrukturen bzw. -formate könnten Sie sich dazu vorstellen?
c) Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Finanzierung dieser übergreifenden Beteiligungsstrukturen zu gewährleisten?
Sehr geehrter Herr B.
Vielen Dank für Ihre Anfrage. In der Tat bestehen viele Unklarheiten und Zweifel über Art und Umfang der BürgerInnenbeteiligung bei dem Senatskonzept "Stromaufwärts an Elbe und Bille".
Zusammen mit der Grünen Bürgerschaftsfraktion als auch in der Grünen Partei bin ich der Auffassung, dass gerade Stadtentwicklungsprojekte besonders dieser Größenordnung eine frühzeitige und umfangreiche Bürgerbeteiligung erfordern. Dabei werden die Beteiligungsverfahren - anders als bei der IBA und bei der Hafencity (Zuständigkeit lag/liegt bei der Stadt) und bei der Neuen Mitte Altona (kooperatives Verfahren zwischen Bezirk und Stadt, wobei die Stadt die "Federführung" hat) in der Zuständigkeit bzw. der Federführung des Bezirks Mitte liegen. Mit dieser Voraussetzung will ich mich aber nicht meiner Stellungnahme entledigen, denn die Landesbene kann und sollte der Bezirksebene beim Beteiligungsverfahren beratend, koordinierend und auswertend beiseite stehen.
Zunächst möchte ich einige grundlegende Anmerkungen zur BürgerInnenbeteiligung wie wir Grüne sie uns vorstellen machen. Die Grüne Bürgerschaftsfraktion als auch die Grüne Partei haben hierzu in den letzten vier Jahren mehrere Projekte durchgeführt, u.a. das Projekt "Beweg die Stadt" unter Federführung von Till Steffen (2011-2012) , die Denkfabrik Beteiligung unter Leitung von Peer Kaeding (2012-2013 mit dem Abschlusspapier "Grüne Ideen für gute Beteiligung") und 12 Einzelveranstaltung vor Ort im Rahmen des Projektes "Unser Viertel - Mein Hamburg" (2013-2014) unter meiner Leitung. Das hat sich dann auch in unserem Wahlprogramm niedergeschlagen, in dem wir Qualitätskriterien für eine adäquate BürgerInnenbeteiligung aufgestellt haben, die wir in Regierungsverantwortung - sofern wir diese vom Souverän erhalten - umsetzen wollen. Als Stichworte möchte ich die Kernpunkte kurz erwähnen:
1. Frühzeitigkeit (der Beteiligung, also deutlich vor der gesetzlichen Beteiligung),
2. Vollständigkeit und Transparenz der Informationen
3. Verfahrensgerechtigkeit und Verfahrensklarheit bei den Planungen
4. Nachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidungen, v.a. wenn bei den Entscheidungen abgewichen wird/werden muss.
Desweiteren sollte den Beteilgungsgremien ein materieller Handlungsrahmen zumindest für die Kommunikation ggfls auch für die Koordination bereitgestellt werden.
Die Beteiligungsforen sollten unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit erhalten Gutachten, die von der Stadt bezahlt werden, in Auftrag zu geben und
den Gutachter selbst festzulegen.
Bei Planungen in bewohnten Quartieren (anders als z.B. in der Hafencity) muss das Expertenwissen der dort lebenden Menschen in die Planungen und Vorhaben einbezogen werden.
Es ist unbegreiflich, dass sich im Rahmen des sog. "Bündnisses für die Quartiere" Wohnungsbauverbände/Investoren, die SAGA und die FHH vertreten durch den Senat
vertraglich zusammenschließen, aber die regionalen Akteure draußen vor bleiben. Beim Bündnis für das Wohnen sind zumindest die Mieterverbände mit am Tisch, wenn das Bündnis tagt.
Es ist nicht damit getan nur Stadtteilgremien und Bezirkspolitik nur zu "informieren".
Lassen Sie mich anmerken, dass ich nicht gegen die Entwicklung brachliegender Potentiale in den Stadtteilen bin, im Gegenteil. Hamburg muss sich entwickeln, denn Hamburg hat einen stetigen Zuwachs an Einwohner/n/Innen, wir haben besonders in den "inneren" Stadtteilen rasant steigende Mieten. Wilhelmsburg ist ein Beispiel für eine weitgehend gelungene Entwicklung, die mit der Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße weitere Chancen eröffnet. Dabei klingt mir aber ein Satz besonders in den Ohren, der sich im Vertrag zum Bündnis für das Wohnen findet, aber bisher kaum bis gar nicht (außer bei der IBA) bei den meisten Bauvorhaben wiederfindet. Er lautet (sinngemäß): Eine Verdichtung der Wohnquartiere soll stets mit einer Aufwertung der Freiflächen einhergehen.
Ich kann und will Ihnen an dieser Stelle keine klare Vorgabe für eine gesamtraumbezogene bzw. gebietsbezogene Beteiligungsstruktur und Beteiligungsformate geben (Frage 1a/2a).
Dies mag unbefriedigend sein, aber meine Erfahrung z.B. aus dem Beteiligungsprozeß zur Neuen Mitte Altona ist, dass diese Verfahren zusammen mit den Betroffenen entwickelt und maßgeschneidert werden müssen. Es gibt da keine feste Schablone, weil auch immer regionale Besonderheiten auftreten. Auf jeden Fall muss vorher auch geklärt werden wer worüber mitzuentscheiden hat oder ob es sich nur um Informationsveranstaltungen handelt. Als vergleichbaren Prozeß verweise ich auf das "Zukunftsplanverfahren in Altona" ( http://zukunftsplan-altona.hamburg.de/ ).
Bei den teilräumlichen Beteiligungsverfahren weise ich auf die laufenden Verfahren zum Struensee-Quartier oder auch zum Kurt-Tucholsky-Gelände hin, wo mit Stadtrundgängen und Workshopverfahren gearbeitet wird.
(Frage 1b/2b) In Wilhelmsburg wurden gerade unter dem Aspekt vieler nicht deutschsprechender Menschen aufsuchende Beteiligungsformate (Befragungen in diversen Sprachen/Weltquartier) gewählt, in Altona gab es Planungs- und Kreativwerkstätten mit Kindern (in der Schule) zu Gestaltung des Parks. Mit Q8 (Projekt der Stiftung Alsterdorf) "Eine Mitte für alle" konnte der Inklusionsgedanke vielfach in die Planungen eingebracht werden. Aber auch in anderen Städten wie Freiburg (Vauban-Kaserne), Hannover und Heidelberg wurden Erfahrungen gemacht, die Anstöße für gebietsbezogene Beteiligungsstrukturen und -formate liefern. Mir ist wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger auch Vorschläge, Ideen einbringen können, dass diese aufgenommen werden, auch wenn es grundsätzliche Kritiken sind.
(Fragen 1c/2c)
Hierfür bedarf es einer Stärkung der finanziellen Mitteln und der personellen Ressourcen v.a. des für die Beteiligung zuständigen Bezirkes.Stattdessen sind die Planungsmittel für die Bezirke im Haushaltsplan 15/16 um 600.000 €/p.a. abgesenkt worden. Daraus werden/wurden Verfahren wie der Harburger Innenstadtdialog, Beteiligungsverfahren für das Struensee und Tucholsky-Quartier, die Zukunftswerkstatt Eidelstedt, Ideen für Stellingen u.a. finanziert. Das wird in Zukunft kaum mehr möglich sein. Wir Grünen wollen daher diese Ressourcen wieder (um ca. 300.000€ p.a.) aufstocken und mit den verbliebenen 175.000€/p.a. zusammenführen.
Im Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir einen Antrag gestellt, die Kürzungen des Senates bei den RISE-Mitteln (Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicjklung) in Höhe von 15 Mio. für 2015/2016 zurückzunehmen. Dadurch könnten nicht nur die Projekte in den RISE-Gebieten fortgeführt, sondern auch neue (wie z.B. Rothenburgsort) aufgenommen werden. Leider hat die SPD dies abgelehnt. Nun geht es ans streichen, kürzen und strecken der RISE-Projekte.
Für konkrete Planungs- und Bauprojekte können auch LP-Partizipationsmittel eingesetzt werden. Derzeit ist aber nicht ersichtlich aus welcher Position der Senat eine "intensive Beteiligung" finanzieren will. Ggfls. müssen auch die Bezirksmitteln zu diesem Zweck erhöht werden.
Bereits bei den Haushaltsberatungen im Stadtentwicklungsausschuss habe ich bemängelt, dass für das Projekt "Stromaufwärts an Elbe und Bille" keinerlei Kosten veranschlagt wurden. Damals sagte mir Herr Rickert aus der BSU, dass man im Herbst 2014 (November/Dezember) die Kosten beziffern könne. Natürlich viel zu spät. Bis heute habe ich keine Antwort erhalten.
Um Klarheit zu bekommen bin ich dafür einen eigenen Haushaltsposten zu schaffen in dem auch die Mittel für die Beteiligung ausgewiesen werden.
Ich hoffe Ihnen zumindest einige Anregung und Diskussionsstoff für eine wirkungsvolle BürgerInnenbeteiligung geliefert zu haben. Gerne stehe ich für weitere Kontakte/Gespräche bereit.
Mit freundlichem Gruß
Olaf Duge