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Olaf Duge
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Frage von Barbara U. •

Frage an Olaf Duge von Barbara U. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Sehr geehrter Herr Duge
Wollen Sie, dass es den Mitgliedern dort so geht wie den Bewohnern der Esso- Häuser? Richtig, wir haben von deren Nutzungsgebühren profitiert. Nach Fertigstellung können die Nutzer wieder zurück, und zahlen einen deutlich niedrigeren Grundpreis als z.B. für vergleichbare SAGA/GWG Wohnungen. Das ist die Solidarität von uns anderen Genossenschaftsmitgliedern.
Glauben Sie ernsthaft, dass dort die einzigen Mieter leben, die ihre Wohnungen modernisiert haben? Auch in unserem Block hatten sich Familien Küche, Bad usw bei Einzug modernisiert, was durch die Modernisierung der VHW ebenfalls verschwand. Wer seine Investitionen langfristig nutzen will, muss selber bauen. Sie finden es also fair, dass die VHW modernisiert und dafür Millionen von Genossenschaftsgeldern in den Sand setzen? Glauben Sie, dass die vorher erbrachten Modernisierungen dann nicht entfernt werden?
Sie finden es also solidarisch, weil ein kleiner Kern der Nutzer dort, der Mehrheit aller Nutzer aufzwingen darf, was gemacht werden darf? Ist das auch Ihr Verständnis im politischen Bereich?
Warum haben die Grünen, als sie mehrfach in Regierungskoalitionen waren, nicht für Erstattungen der Modernisierungen durch Mieter eingesetzt?
Haben Sie mit dem Großteil der ausgezogenen Genossenschaftsmitglieder gesprochen, ob die wieder zurückkehren wollen? Allen wurde ein Rückkehrrecht zugesichert!
Es werden größere Wohnungen gebaut, weil jüngere Genossenschaftsmitglieder Familien gegründet haben und Platz für Kinder brauchen. Größere Wohnungen für unsere Mitglieder sind besonders knapp. Denen wollen Sie also zumuten, dass die ihr gewohntes Umfeld verlassen?
Sie versäumen die Grundmiete der SAGA/GWG reinzusetzen und verschweigen, dass mit zunehmenden Wegfall der Kredite die Miete weiter steigen wird. (Bei uns selbstverständlich auch, nur ist der Preis der Grundmiete pro qm niedriger.)
Ich zog in eine GEW Wohnung ein und zahlte rd 650 DM. Bei Auszug, ca. 25 Jahre später, betrug die Miete 1300€.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Uduwerella,

herzlichen Dank für ihre erneuten Fragen und Anmerkungen.

Zuerst eine Vorbemerkung: Ihr Schreiben enthält einige Unklarheiten, so dass ich leider nicht immer klar erkennen kann, worauf Sie sich beziehen. Ich versuche aber trotzdem so weit es mir erkennbar scheint, auf Ihre Bemerkungen einzugehen.

In Ihrem ersten Satz fragen Sie mich, ob ich es wolle, dass es den Mitgliedern _dort_ (wo ?) so geht wie den Bewohner der Esso-Häuser. Ich nehme an, dass Sie hier _nicht alle Mitglieder der Vereinigten Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft (VHW) meinen_, sondern die Bewohnerinnen und Bewohner der vom Vorstand der VHW zum Abriss vorgesehenen Häuser Am Elisabethgehölz, von denen ja nicht alle Genossenschaftsmitglieder sind (z.B. LebenspartnerInnen).

Wenn das so gemeint ist, dann möchte ich jetzt nicht auf die Unterschiede der im Vergleich deutlich besseren Bausubstanz der Backsteinhäuser Am Elisabethgehölz eingehen (Esso-Häuser sind nach dem 2. Weltkrieg gebaut, die Backsteinhäuser Am Elisabethgehölz Ende der 20er Jahre), sondern nur auf das Urteil eines der renomiertesten Architekten Hamburgs verweisen, der wiederholt ausgeführt hat, dass die Gebäude Am Elisabethgehölz sanierbar und überhaupt nicht einsturzgefährdet sind.

Ich möchte Ihnen aber einmal eine Gegenfrage stellen, die auf die Problematik des gezielten Verfallen lassen von günstigem Wohnraum eingeht. Unter diesem Aspekt gibt es leider zwischen dem Verfall der Esso-Häuser und dem Verfall der Häuser Am Elisabethgehölz keinen grundsätzlichen Unterschied.

Die Frage lautet:

Halten Sie es für verantwortlich, wenn Eigentümer von Wohnraum jahrzehntelang ihre Häuser verfallen lassen, kaum instand halten oder gar nicht modernisieren um entweder

a) MieterInnen aus preisgünstigem Wohnraum zu vertreiben und statt 5 € Kaltmiete/m² 11-12 € Kaltmiete/m² und mehr im Neubau zu verlangen oder

b) sogar wie im Falle der VHW aus staatlichen Mitteln (letztlich zu Lasten der Allgemeinheit) subventionieren Wohnraum zu erbauen (und auch noch deutlich weniger Wohnungen zu errichten

als abgerissen werden sollen)?

Es kann doch wohl nicht ihr Ernst sein, dass für das bewusste Verfallen lassen von erhaltbarem Wohnraum – sozusagen für eine bewusste Untätigkeit – der Staat auch noch eine Art Prämie bezahlt, wenn neu gebaut wird. Was hätte das für allgemeine Folgen? Vielmehr hat der Eigentümer seine Aufgabe zur Instandhaltung und Modernisierung zu erfüllen und genau das hat der Vorstand der VHW versäumt (ebenso wie übrigens die Eigentümer der Esso-Häuser). Auch Sie als Genossin der VHW hätten hier die Geschäftspolitik ihres Vorstandes kritischer betrachten und ggfls. Ihrem Vorstand „auf die Finger klopfen“ sollen. So weit ich weiß hat es ja auch einen Vorstandswechsel gegeben.

Ihr zweiter Satz lautet: „Richtig, wir (?) haben von deren (?) Nutzungsgebühren profitiert“

Ich verstehe den Satz so, dass andere versorgte Genossinnen und Genossen der VHW wie auch Sie, die Sie in einer sanierten Wohnung der VHW wohnen, von den Nutzungsgebühren der NutzerInnen in den Wohnungen Am Elisabethgehölz profitiert haben. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass die Solidarität, die nun auch die (vielfach älteren) BewohnerInnen Am Elisabethgehölz von den anderen Genossenschaftsmitgliedern erwarten können nicht darin bestehen kann, dass man Ihnen zwei Umzüge zumutet und eine Wohnung, die in der Gesamtmiete teurer wird als eine sanierte Wohnung, denn die Wohnung wird i.d.R. größer sein als die bisherige Wohnung. Hinzu kommt, dass gerade viele ältere BewohnerInnen der Häuser Am Elisabethgehölz durch die Abrissmaßnahme in Angst und Schrecken versetzt und mit Methoden verängstigt werden, die eigentlich einer genossenschaftlichen Solidarität unwürdig sind. Das hat der Vorsitzende des Mietervereins Herr Dr. Pahlke in einer Sendung bei rtl am 25.4.12 mehr als deutlich ausgedrückt als ihn eine Interviewerin zum Verhalten der Genossenschaft gegenüber Mietern Am Elisabethgehölz befragte:“„Also, das ist schon rabiat, also teilweise hat man das Gefühl, dass die Mieter dann doch mehr so, na, ich sags mal so deutlich, wie Ungeziefer oder so behandelt …. die müssen entfernt werden, damit man jetzt die Wohnungen frei hat und endlich das machen kann, was man vor hat.“

Ich meine das sollte Ihnen doch zu denken geben, gerade auch in Anbetracht der mangelnden Informationspolitik des Vorstandes z.B. bei erst kürzlich vollzogenen ersten Handwerkereinsätzen zur Vorbereitung des Abrisses der Häuser.

Nun zu Ihrem Vergleich zwischen VHW und SAGA/GWG, den Sie an mehreren Stellen ziehen.

Ich möchte hier nicht die SAGA/GWG, die Sie als negatives Beispiel im Vergleich mit ihrer Genossenschaft angeben, über den Klee loben, aber es ist gerade was das Mietniveau bei der SAGA/GWG auch im Vergleich zu den Genossenschaften betrifft nicht haltbar die SAGA schlecht zu reden. Vergleichbare Wohnungen können da durchaus mithalten und zudem liegt die Kaltmiete bei gefördertem Wohnraum, bei welchem Vermieter auch immer, bei 6 €/m².

Nun zu den von ihnen angesprochenen von den MieterInnen selbst finanzierten (Heizungs-)einbauten. In der Tat tragen die MieterInnnen das Risiko für diese Einbauten, die sie sich aber von der Genossenschaft in der Regel genehmigen lassen müssen. Bei Auszug sind – abgesichert durch Regelungen mit der Genossenschaft – die Einbauten i.d.R. rückgängig zu machen oder vom Nachmieter zu übernehmen. Es gibt aber auch Regelungen wo der Eigentümer die Einbauten bei Auszug zum Zeitwert übernimmt. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen in der VHW geregelt ist. Aber vielleicht ist meine Anmerkung ja mal ein Anstoß mit Ihrem Vorstand darüber zu sprechen, wie dies in Zukunft gehandhabt werden sollte. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auch im Sinne der NutzerInnen ist, wenn in Zukunft genehmigte Einbauten bei Auszug zum Zeitwert übernommen werden, denn diese Einbauten steigern ja auch den Wohnwert der jeweiligen Wohnung.

Sie fragen in diesem Zusammenhang, warum sich die Grünen, als wir uns mehrfach in Regierungskoalitionen befanden, nicht für Erstattungen der Modernisierungen durch Mieter eingesetzt haben. Hierzu möchte ich Ihnen sagen, dass ich es nicht als Aufgabe der Staates ansehe die Vertragskonditionen für Einbauten durch MieterInnnen gesetzlich zu regeln und hier dem Vermieter Vorschriften zu machen. Dies unterliegt der Vertragsfreiheit von Vermieter und Mieter (wobei ja in einer Genossenschaft eine gewisse Identität zwischen beiden Seiten vorliegt). Guten Vermietern würde ich jedoch raten in diesem Punkt mit ihren Mietern bei genehmigten Einbauten der Mieter im genannten Sinne entgegen zu kommen.

Sie fragen mich weiterhin, ob ich es solidarisch finde, wenn ein kleiner Kern (?) der Nutzer dort (Sie meinen vermutlich in den Häusern Am Elisabethgehölz) der Mehrheit aller Nutzer aufzwingen dürfe, was gemacht werden darf. Sie ergänzen dann die Frage, ob das auch mein Verständnis im politischen Bereich sei?

Ich verstehe es so, dass Sie hier nach meinem Verständnis von Demokratie fragen oder auch in Frage stellen. Nun Frau Uduwerella, mein Verständnis ist bestimmt nicht so, wie Ihres in Ihrem letzten Schreiben zu Tage tritt, wo Sie nämlich schreiben “Wir haben diesen Vorstand gewählt und sind mehrheitlich einverstanden.“ Auch die Wahl eines Vorstandes durch einen Aufsichtrat (wie gesagt einfache Genossen wählen nicht den Vorstand) entbindet keinen davon sich auch eine eigenständige Meinung zu bilden. Ich möchte noch einmal den Hinweis auf mein erstes Antwortschreiben an Sie geben, in dem ich die Frage von vermuteten Mehrheiten und Minderheiten zu einzelnen Entscheidungen des Vorstandes in begründetem Zusammenhang in Frage gestellt habe.

Zudem gilt auch in einer Demokratie ein Schutz der Minderheit, dass hat nichts mit einer Tyrannisierung einer Mehrheit durch eine Minderheit zu tun, sondern ist wesentlicher Konsens in unserer Gesellschaft. Insofern können auch Minderheiten dort, wo grundlegende Rechte (wie z.B. die des Wohnens) betroffen sind, das Handeln von Mehrheiten begrenzen.

Ich habe auch aus Gesprächen mit inzwischen ausgezogenen BewohnerInnen aus den Häusern Am Elisabethgehölz den Eindruck, dass viele lieber hier in sanierten Häusern wohnen geblieben wären. Dies wird übrigens durch ein Ergebnis gestützt, das die Stadtentwicklungsbehörde aufgrund einer Umfrage erhielt. In der Stadtwerkstadt vom 19.9.2012 unter dem Motto „Was ist schön, was ist schützenswert“ ( http://www.hamburg.de/contentblob/3823460/data/broschuere-dokumentation-2-sws.pdf ) sind die Häuser Am Elisabethgehölz auf dem ersten Platz gelandet. Da kann doch nicht allen Ernstes die Rede davon sein, dass der Erhalt dieser Häuser nur von einem kleinen Kern von Nutzern betrieben werde, die die Mehrheit beinahe tyrannisiere. Ich möchte Sie auch noch einmal darauf hinweisen, dass vor ca. einem Jahr zwei Drittel der ELISA-BewohnerInnen sich schriftlich für die Sanierung und gegen den Abriss des Gebäudes ausgesprochen haben. Das ist keine Minderheit. Der damalige Vorstand hatte zuvor bekundet, dass er ein Mehrheitsvotum der BewohnerInnen akzeptieren werde. Ich frage deshalb: Wer hat hier Mehrheiten missachtet und wessen Ansagen sind unzuverlässig? Vielleicht waren Ihnen diese Dinge ja auch nicht oder nicht so bekannt, dann bitte ich Sie dieses einmal in Ihre Betrachtung einzubeziehen.

Ich habe nicht nur – wie sie vielleicht nicht wissen - mit einer größeren Anzahl von BewohnerInnen der Häuser am Elisabethgehölz gesprochen, sondern auch mit dem Vorstandsvorsitzenden der VHW Herrn Hahn, mit Vertretern der Mietervereine, mit Facharchitekten, mit gewählten Vertretern des zuständigen Bezirkes Mitte und auch mit der Behördenspitze der Stadtentwicklungsbehörde. Sie werden mir schwerlich vorwerfen können, dass ich mich hier einseitig informiert habe, auch wenn ich sicherlich nicht mit jedem über alles sprechen konnte, das werden Sie sicherlich aber auch nicht erwarten.

Ich möchte keinesfalls den Bedarf an Wohnraum von Familien gegen den Bedarf an Wohnraum von Alleinstehenden ausspielen so wie sie es in ihrer Frage andeuten. Natürlich brauchen wir auch größere Wohnungen für Mehrpersonenhaushalte, auch wenn inzwischen ca. die Hälfte aller Haushalte Singlehaushalte sind – Tendenz steigend. Ich meine, dass dort, wo keine zusätzlichen, also netto nicht mehr Wohnungen gebaut werden (wie am Elisabethgehölz, wo 122 Wohnungen abgerissen und nur 100 wieder errichtet werden sollen) in erster Linie die BewohnerInnen wieder versorgt werden müssen, die dort in ihrer sozialen Einbindung gelebt haben – und das sind v.a. ältere Menschen. Sie müssen wieder kleine Wohnungen erhalten können. Trotz größerer Gesamtwohnfläche (es soll ein weiteres Vollgeschoss genehmigt werden) soll dies aber nach Verkündung der VHW nicht geschehen und gestatten Sie, das halte ich nicht für sozialpolitisch ausgewogen, sondern den geringeren Baukosten geschuldet, wenn ca. 20 Bäder und Küchen weniger errichtet werden sollen.

In Ihrem letzten Satz schreiben sie, dass Sie in einer GEW (?) Wohnung rd. 650 DM zahlten, bei Auszug ca. 25 Jahre später betrug die Miete 1300 € (?). Hierauf kann ich nicht antworten, da ich Wohnungen der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) nicht kenne und auch nicht weiß wie Sie diese Anmerkung im Zusammenhang Ihres Schreibens verstehen. Ihr Schreiben lässt nicht erkennen ob es eine geförderte Wohnung war, die aus der Bindung gefallen ist oder nicht, ob Modernisierungen durchgeführt wurden oder nicht und ob es sich um eine Warm- oder Kaltmiete handelt, ob andere Nebenkosten darin enthalten waren oder nicht u.a.m. Solche unvollständigen Angaben lassen keine aussagekräftigen Rückschlüsse zu, sondern verzerren eher. Aufgrund solcher rudimentären Angaben Rückschlüsse zu ziehen halte ich für unseriös.

Mit freundlichem Gruß

Olaf Duge

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