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Olaf Böttger
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Frage von Ute T. •

Frage an Olaf Böttger von Ute T. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Böttger,

herzlichen Dank,dass Sie immer so schnell und ausführlich auf meine Fragen antworten. Diesmal hätte ich gern von Ihnen gewußt, wie Sie bzw. Ihre Kollegen in der Bürgerschaft zum Thema "Substitution" stehen.

Herzliche Grüße
U.Treder

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Antwort von
CDU

Liebe Frau Treder,

Sie stellen mir eine sehr umfangreiche Frage, die ich gern mit den von mir unterstützten Äußerungen der ehemaligen Drogenpolitischen Sprecherin der CDU / CSU - Bundestagsfraktion Frau Kaupa beantworten möchte. Anläßlich einer Tagung machte Sie folgende Ausführungen, die den Kern m.E. treffen.

Originaltext:

Drogenabhängigkeit ist eine behandlungsbedürftige chronische Krankheit – eine Krankheit, die eine qualifizierte Behandlung braucht. Eine Substitutionsbehandlung kann bei einem Teil der Kranken eine Behandlungsmöglichkeit im Rahmen des Gesamttherapiekonzeptes sein. Der Kranke muß sich bei einer solchen Therapie dem engen Regelwerk der Substitutionsbehandlung mit seinen strikten rechtlichen Kontrollen unterwerfen.

Seit Ende vergangenen Jahres gelten nun weniger engmaschige Richtlinien zum Start einer Substitutionsbehandlung. Es müssen keine Begleit– und Folgeerkrankungen mehr vorliegen, um substituiert zu werden. Für alle Opiatabhängigen, die eine wirkliche Hilfe wollen und für die, die wirklich aussteigen wollen, ist dies eine sinnvolle Regelung. Substitution kann nun auch präventiv eingesetzt werden.

Voraussetzung muß aber immer sein: Die strikte Einhaltung der Regeln. Ohne dies kann keine sinnvolle Substitution stattfinden. Eine „offene Substitution“ ohne Regelwerk macht keinen Sinn. Die reine Abgabe des Substitutionsmittels als Ersatzdroge darf nicht erfolgen.

Substitution muss zielgerichtet stattfinden. Die Behandlung der Suchtkranken muss im Vordergrund stehen und nicht das Substitutionsmittel. Substitution darf kein Selbstzweck sein.

Zu den vorrangigen Zielen der Substitutionsbehandlung gehören:

- Linderung der Begleit- und Folgeerkrankungen wie Hepatitis, HIV, Depression, Alkoholismus....
- Verbesserung und Stabilisierung des Allgemeinzustandes und der Lebenssituation der Patienten
- Hinführung des Opiatabhängigen zu einer Entzugstherapie und anschließenden Rehabilitation
- Ausstieg aus der Beschaffungskriminalität und der Beschaffungsprostitution
- Loslösung aus der Drogenszene und Wiederaufnahme alter sozialer Beziehungen
- Soziale Reintegration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt
- das Fernziel der Drogenabstinenz darf nie aufgegeben werden

Die Erreichung dieser Ziele kommt nicht nur den Opiatabhängigen zugute, sondern sie sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Die innere Sicherheit und der verbesserte Gesundheitsschutz für die gesamte Bevölkerung sind hier zu nennen.

Welcher Therapie - Ort ist der richtige?

Meine Antwort ist: Bei allen Orten gibt es Vor- und Nachteile. Die Therapie - Orte müssen sich ergänzen, müssen eng miteinander verzahnt sein und die Kooperation miteinander suchen. Der individuelle Zustand und die psychologische Persönlichkeitsstruktur des Abhängigen sollten ausschlaggebend für die Wahl des jeweiligen Therapie - Ortes sein. Meines Erachtens ist es dabei immer wichtig, dass die Opiatabhängigen ganzheitlich behandelt werden. Ebenso müssen die regionalen infrastrukturellen Gegebenheiten berücksichtigt werden. In einer ländlichen Struktur wird sich eine Hausarztpraxis als Anlaufstelle am besten eignen. Im städtischen Gebiet kann eine Schwerpunktpraxis oder auch Ambulanz die beste medizinische Betreuung aufweisen.

Ich möchte aber auch erwähnen, dass es ohne das Engagement der Hausärzte ganz zu Beginn der Methadontherapie in Deutschland überhaupt nicht zu einer solchen Therapieart bei uns gekommen wäre. Mittlerweile gibt es reine Methadonpraxen und –ambulanzen, aber auch die Hausärzte machen weiter.

Die Substitutionstherapie muß aus der „Schmuddelecke“ herausgeholt werden. Meines Erachtens muss klar definiert werden, dass die Substitution ein Weg zur Drogenabstinenz sein kann. Dieses Fernziel dürfen wir nie aufgeben. Wenn wir dies aufgeben, geben wir den Opiatabhängigen auf und würden den Kampf gegen die Drogensucht verlieren. Daher dürfen Substitutionsmittel auch kein Selbstzweck sein. Sie sind ein Medikament, welches helfen soll, die Sucht zu heilen. Würde man die Substitutionsmittel als reine Ersatzdroge verabreichen, wären die Patienten weiterhin krank – zwar nicht mehr opiatkrank, sondern methadonkrank.

Wenn gelingt, dass Substitution nicht mehr negativ behaftet ist, gelingt es auch die Bürgerinnen und Bürger von diesem Medikament und dieser Therapieform zu überzeugen. Es ist die Unwissenheit, die zu Ablehnung, Distanzierung und Skepsis führt. Dass viele Ärzte Angst haben, dass sich ihre nicht-suchtkranken Patienten auch von ihnen distanzieren und ihre engagierte Arbeit mit Skepsis sehen ist vor dem Hintergrund der Unwissenheit der Menschen durchaus nachvollziehbar.

Unser Ansatzpunkt muss daher sein: raus aus der Schmuddelecke mit der Substitution und Aufklärung der Bevölkerung!

a) Hausarztpraxis:

Für die Hausarztpraxis als Therapie - Ort spricht die
- Individualität
- das persönliche Verhältnis zwischen Arzt und Patient
- Hausarzt kann sich mehr Zeit nehmen, da er nur wenige Substitutionspatienten behandelt

Gegen die Hausarztpraxis als Therapieort spricht
- der Hausarzt ist nicht immer für den Patienten da; insbesondere am Wochenende, an Feiertagen, nachts und während des Urlaubs des behandelnden Arztes
- meist keine psychosoziale Betreuung „aus einer Hand“ bzw. an einem Ort
- oft keine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und psychosozialer Betreuung, da es an Koordination fehlt

b) Schwerpunktpraxis / Ambulanz:

für eine Schwerpunktpraxis /Ambulanz als Therapieort spricht

- Kooperationsverbund von Ärzten und psychosozialen und psychotherapeutischen Fachkräften
- Patient findet alles aus einer Hand bzw. an einen Ort
- Ärzte und psychosoziale Betreuung können eng miteinander arbeiten, da sie „kurze“ Wege haben, um sich abzustimmen
- alle Fachkräfte sind an einem Ort, um im Notfall sofort zu helfen
- 24 Std. Verfügbarkeit gegen eine Schwerpunktpraxis /Ambulanz als Therapieort spricht
- zu wenig Individualität
- zu wenig persönliche Beziehung zwischen Therapeuten und Patienten, da Ärzte und Therapeuten je nach Arbeitszeit wechseln können
- in Ballungsräumen kann es zu einem großen Ansturm der Patienten kommen => Persönliches Verhältnis geht verloren
- Ärzte und Therapeuten haben eventuell nicht mehr so viel Zeit wie sie pro Patient bräuchten, da zu viele Patienten warten

3. Psychosoziale Begleitung der medizinischen Substitution:

Die medizinische Substitution kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Patientinnen und Patienten von einer guten psychosozialen Betreuung begleitet werden. Häufig ist es leider jedoch gerade dieser Punkt, der zu kurz kommt und nicht den Stellenwert einnimmt, der ihm zukommen müsste. Gerade bei der Stabilisierung des Suchtkranken ist es wichtig, die psychische Situation aufzufangen und standfest zu machen.

Eine sinnvolle psychsoziale Betreuung muss sehr vielfältigen Anforderungen genügen. Mit irgendeinem Beratungsangebot ist es nicht getan. Es muss auf die individuellen Problemlagen der Patienten in unterschiedlichen Phasen der Behandlung reagiert werden können.

Es dauert eben seine Zeit, bis die Heroinabhängigen überhaupt wieder in der Lage sind, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen, bis sie herauskommen aus der ausschließlichen Fixierung auf den Stoff und seine Beschaffung. In diesen Phasen ergibt sich für sie erstmals die Chance und auch die Notwendigkeit, sich mit den Folgen ihrer Sucht auseinanderzusetzen.

Sowohl die früheren Richtlinien als auch die jetzt geltenden BUB-Richtlinien fordern ein begleitendes Behandlungskonzept. Psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen müssen in das Gesamttherapiekonzept einbezogen werden.

Zwar werden keine genauen Angaben über Dauer und Intensität sowie Kostenträger dieser Maßnahmen gemacht; aber dies gibt einen individuellen Gestaltungsspielraum, um auf die Bedürfnisse der Patienten einzugehen.

Wichtig ist jedoch, dass die Kostenfrage für die ärztliche psychosoziale Betreuung durch die Krankenkassen geregelt wird. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass dies nicht explizit geregelt ist, obwohl diese Begleitmaßnahmen immer wieder als unverzichtbar angesehen werden.

Drogenabstinenz:

Das Ziel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist nach wie vor die Drogenabstinenz. Die Menschen sollen sich den „Kick“ in ihrem Leben nicht mit einer chemischen Substanz verschaffen. Mit „drogenfrei“ meine ich sowohl die illegalen als auch die legalen Drogen. Auch vor letzten darf die Gesellschaft nicht die Augen verschließen. Immerhin sterben weitaus mehr Menschen in Folge von Alkohol und Tabak als in Folge illegalen Drogenkonsums.

Als Drogenbeauftragte bereitet es mir Sorgen, dass die Gesellschaft nach wie vor die Folgen von Sucht tabuisiert, aber nicht den Konsum der Suchtmittel selbst. Unsere Kinder und Jugendlichen werden von einer wahren Flut von positiven Drogenbildern geprägt: Eine Party scheint erst dann „Cool“ zu sein, wenn die Frage des Baccardi-feelings geklärt ist und Redbull-Wodka einem Flügel wachsen läßt. Freiheit und Abenteuer, Relaxen und Entspannen werden immer noch mit dem Genuss von Zigaretten in Verbindung gebracht. Für mich drückt dies die Doppelzüngigkeit der Suchtproblematik aus.

Zur Glaubwürdigkeit einer abstinenzorientierten Drogenpolitik gehört, dass Abstinenz überhaupt möglich ist. Entgiftungs-, Entzugs- und Substitutionstherapien gehören für mich zu dieser Politik. Abstinenz- und akzeptanzorientierte Therapieangebote stellen keinen unüberwindlichen Widerspruch dar. Sie sind vielmehr Bausteine, die aufeinander aufbauen und einander ergänzen.

Soweit unsere Bundestagsfraktion in ihren Ausführungen zum o.g. Thema.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Olaf Böttger