Frage an Olaf Böttger von Anni G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Herr Böttger!
Besteht die Aufgabe eines Abgeordneten - und somit auch Ihre Aufgabe im Parlament - nicht hauptsächlich darin - die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen und umzusetzen?
Sie haben gegen das neue Wahlrecht gestimmt - warum?
Sehr geehrte Frau Gross,
vielen Dank für Ihre Mailanfrage zum Wahlrecht in Hamburg.
Sie fragen mich: „Besteht die Aufgabe eines Abgeordneten …im Parlament - nicht hauptsächlich darin - die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen“
Meine Antwort lautet selbstverständlich und uneingeschränkt ja!
Diese Antwort reicht Ihnen aber wahrscheinlich allein noch nicht.
Daher noch einige weitere Ausführungen zum besseren Verständnis meines Abstimmungsverhaltens
Volksgesetzgebung und parlamentarische Gesetzgebung stehen bekanntermaßen gleichberechtigt nebeneinander. Es gibt keinen Vorrang der einen vor der anderen. Deshalb ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Parlamentsmehrheit ein durch Volksgesetzgebung erlassenes Gesetz ändert. Insofern bezieht die CDU-Fraktion ihre Legitimation aus dem Wahlergebnis vom 29.2.2004.
Ich glaube Sie schätzen die gewünschte Wirkung des bisherigen Wahlrechts m. E. auch falsch ein. Gerade diejenigen, die als die "Großen" einer Partei bezeichnet werden, würden bei dem von Ihnen favorisierten Wahlrecht gewählt, während gerade die anderen, ich will sie einmal die Neulinge nennen, durch das Raster zu fallen drohen. Diese haben gerade in einem Feierabendparlament kaum die Möglichkeiten, sich bei der Mehrheit der Bürger in kurzer Zeit so bekannt zu machen, um auf die notwendige Anzahl von Listenstimmen zu kommen. „Alte Hasen“ haben da immer einen Vorteil.
Weiter gebe ich zu bedenken, dass zur Verfügung stehendes Werbekapital und ein Pressewirbel m. E. nicht eine Wahl durch kurzfristig erworbene Publicity entscheiden dürfen, oder sehen Sie das anders?
Nun noch ein paar Worte zur Kandidatenaufstellung innerhalb der CDU und zum Thema Veränderungen bezüglich der Aufstellung der Kandidaten zu den Bezirksversammlungen.
Die Kandidatenaufstellung innerhalb der CDU sieht folgendermaßen aus.
Zunächst nominieren die Mitglieder eines Ortsverbandes ihre Kandidaten. Hier ist die gesamte Basis miteinbezogen. Dann erfolgt eine Weiternominierung auf der Ebene der Kreisverbände. Und zuletzt entscheidet dann eine Delegiertenversammlung auf Landesebene über die Kandidaten. Hier wird über jeden Listenplatz geheim abgestimmt. Es gibt hier oft erfolgreiche Gegenkandidaturen. Im Ergebnis stellen die Mitglieder der CDU die Kandidaten auf und nicht wie irrtümlich immer angenommen die Parteiführung. Ich vermag hier nichts Verwerfliches zu erkennen.
Die Bezirksabgeordneten sind alle ehrenamtlich tätig. Ich glaube, dass es schwer sein würde, als ehrenamtlich tätiger Bezirksabgeordneter neben Beruf, Familie und Ehrenamt auch noch über einen längeren Zeitraum Wahlkampf bzw. Wahlkampfarbeit zu bewältigen. Dies würde dazu führen, dass gerade beruflich stark eingebundene Kandidatinnen und Kandidaten nicht mehr kandidieren wollen und werden. Das kann nun wirklich nicht in unser aller Interesse sein, da wir gerade solche Bezirksabgeordnete brauchen, die ihre Erfahrungen auch aus ihrem Berufsalltag ziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Böttger