Frage an Olaf Böttger von Nicole H. bezüglich Gesundheit
Guten Tag Herr Böttger,
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort zu meiner letzten Frage.
Mich würde auch einmal interessieren wie Sie grundsätzlich zum Thema Tabakkonsum stehen.
Mit freundlichen Grüßen
N. Henning.
Liebe Frau Henning,
fragen Sie gern jederzeit nach, dafür ist ja schließlich diese Einrichtung www.abgeordnetenwatch.de gedacht.
Die aktuelle Entwicklung bei den Zahlen zum Tabakkonsum in Deutschland geben Anlass zur Sorge.
Rund 6,8 Millionen Menschen sind bundesweit vom Tabak abhängig. 30% der deutschen Bevölkerung rauchen pro Jahr ca. 144 Milliarden Zigaretten. Pro Jahr gibt es rund 140.000 tabakbedingte Todesfälle in Deutschland; davon rd. 40.000 Lungenkrebstote. Die Lungenkrebsrate steigt momentan jährlich um durchschnittlich 3,5 % an. Wenn sich der derzeitige Mortalitätstrend fortsetzt, gibt es in den nächsten 40 Jahren 20 Millionen Tabaktote in der EU mehr. Bisher sind es EU-weit jährlich 500.000 tabakbedingte Todesfälle.
Besonders besorgniserregend sind die Zahlen der jugendlichen Raucherinnen und Raucher. Unter den 12-17jährigen sind ca. 28 % Raucher.
Wichtige Erkenntnis dabei ist, dass die 12-15jährigen die empfänglichste Gruppe für den Einstieg in eine "Raucherkarriere" ist. 60% der Raucher beginnen mit 13 Jahren, über 90% vor Vollendung des 20. Lebensjahres und nur 10% beginnen erst im Erwachsenenalter zu rauchen. Nach dem 20. Lebensjahr fängt kaum noch einer an zu rauchen. Das bei den Jugendlichen stark gesunkene durchschnittliche Raucher-Einstiegsalter auf 13 ½ Jahre ist so nicht hinnehmbar.
Leider nehmen die Mädchen hier eine führende Position ein: rauchten 1993 noch 12% der 12-15jährigen Mädchen, so waren es 2001 bereits 21%. Bei den gleichaltrigen Jungen lagen die Zahlen bei 11% 1993 und bei 18% 2001.
Betrachtet man die Kosten für das deutsche Gesundheitssystem, die durch den Tabakkonsum entstehen, stellt man einen immensen Schaden für unsere Volkswirtschaft fest.
Die Kosten für die medizinische Versorgung betragen 5,16 Mrd. €, wovon rund die Hälfte für Krankenhausbetreuung aufgebracht werden muß und 2/3 der Versorgungskosten die Herz-Kreislauferkrankungen ausmachen. Berechnet man die Kosten des Arbeitsausfalls von 13,67 Mrd. € mit ein, so ergibt sich eine Gesamtkostensumme von 18,83 Mrd. €. Pro aktiven Raucher sind dies 891 €. Das passive Rauchen bzw. die durch das Rauchen verursachten Sachschäden sind hier noch gar nicht mitberechnet.
Die Tabaksteuereinnahmen dagegen liegen lediglich bei rund 16 Mrd. € !!
Vor diesem Hintergrund sind m. E. folgende gesetzliche Maßnahmen dringend geboten:
Die Prävention im Bereich des Tabakkonsums ist weiter auszubauen. Der Bund und damit die zukünftige neue Regierung ist aufgerufen Mittel zur Verfügung zu stellen, um dezentrale und kommunale Maßnahmen zu fördern, da die Effektivität vor Ort am Größten ist. Die Maßnahmen der Prävention insbesondere hinsichtlich der Jugendlichen müssen sich dabei am Alltag und an der Lebenswelt der Zielgruppe orientieren und die vorhandenen Stärken von Betroffenen fördern und sie selbst einbeziehen (peer education), denn Gleichaltrige wirken glaubwürdiger.
Die rauchfreien Zonen in Deutschland sind auszuweiten. In öffentlichen Gebäuden – insbesondere in Schulen und Krankenhäusern - muß ein generelles Rauchverbot gelten. Hamburg gehört hier mit dem Rauchverbot an Schulen zu den Vorreitern. Auch ist zu prüfen, ob in Restaurants der Nichtraucherschutz auszuweiten ist.
Die Beschaffung von Tabakprodukten ist für Jugendliche momentan aufgrund von Zigarettenautomaten jederzeit möglich. Hierdurch werden offensichtlich die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes unterlaufen. Die Einführung eines Chipkartensystems wird die Bezugsmöglichkeit für Jugendliche kaum einschränken. Deswegen ist mittelfristig eine Abschaffung der Zigarettenautomaten notwendig.
Die Tabaksteuer ist m. E. deutlich zu erhöhen. Die Mehreinnahmen sollten zweckgebunden der Krankenversicherung zugeführt werden und in Präventionsmaßnahmen investiert werden. Mit diesen Einnahmen könnten auch Raucherentwöhnungsprogramme finanziert werden.
Im Umfeld von Veranstaltungen und Gebäuden, die vor allem Jugendliche als Zielgruppe haben, sollte ein generelles Werbeverbot für Tabakprodukte gelten.
Langfristig ist zu überlegen, ob nicht ein generelles Tabakwerbeverbot, wie es in vielen anderen europäischen Staaten längst der Fall ist, eingeführt werden sollte.
Werbung für Tabakerzeugnisse spielt während der gesamten Sozialisation des Rauchens eine nicht unerhebliche Rolle und wirkt zunehmend animierend zum Rauchen. Immerhin gibt jeder zweite bayerische Jugendliche der Zigarettenwerbung eine Mitschuld am Nikotinkonsum.
Gesetzliche Maßnahmen alleine, reichen jedoch nicht aus. Dazu gehört auch, dass sich in der Gesellschaft das Bild des Rauchens nachhaltig verändert. Nichtrauchen muß selbstverständlich und der Normalfall werden. Die Bürgerinnen und Bürger müssen ein eigenverantwortliches Gesundheitsbewußtsein entwickeln. Hinsichtlich des Jugendschutzes spielt die Pflicht der Zigarettenverkäufer zur Kontrolle und Überwachung eine wichtige Rolle. Sie müssen an Ihre Verantwortlichkeit erinnert werden, im Zweifelsfall den Ausweis der Jugendlichen zu verlangen und den Verkauf zu verweigern.
Für Kinder und Jugendliche ist das Verhalten der Erwachsenen prägend. Gerade in der Pubertät experimentieren die Jugendlichen und wollen sich auf die Stufe mit den Erwachsenen stellen. Wer raucht gilt als "in" und "cool". Dieser gesellschaftlichen Stereotype muss entschieden entgegengewirkt werden.
MfG
Ihr
Olaf Böttger