Frage an Özcan Mutlu von Sebastian T. bezüglich Innere Sicherheit
Sind Sie für eine militärische Lösung um den Krieg in Syrien zu beenden?
Wie wollen Sie mit Erdogan und seine Politik weiter verfahren?
Wie wollen Sie gegen die Ausbreitung von islamistischen Terror vorgehen?
Wie wollen Sie die zunehmende Radikalisierung im Islam vorbeugen?
Welche Maßnahmen sehen Sie vor um fremdenfeindliche und rassisitische Stimmungsmache zu verhindern?
Welche Maßnahme wollen Sie treffen um den Antisemitismus aus allen Reihen der Gesellschaft auch besonders von Links entgegen zu wirken?
Sehr geehrter Herr T.,
vielen Dank für Ihre zahlreichen Fragen. Nachfolgend beantworte ich Ihnen diese gerne.
Herzliche Grüße
Özcan Mutlu
Sind Sie für eine militärische Lösung um den Krieg in Syrien zu beenden?
Terror und Terroristen können mit Militäreinsätzen nicht besiegt werden. Es bedarf einer politischen Lösung.
Wie wollen Sie mit Erdogan und seine Politik weiter verfahren?
Wir stehen weiterhin fest an der Seite derjenigen in der Türkei, die für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Weltoffenheit eintreten. Wir verurteilen die eingeschlagene Politik hin zu einem autoritären Präsidialsystem, die massiven Angriffe auf Oppositionelle, auf die Zivilgesellschaft, auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Es braucht nun eine grundlegende Neuvermessung der europäisch-türkischen Beziehungen. Mehr denn je müssen Deutschland und Europa klare Kante für Demokratie und Menschenrechte zeigen. Darum werden wir deutsche Rüstungsexporte in die Türkei stoppen. Politisch Verfolgte sollen in der EU Zuflucht finden und der Visumszwang abgeschafft werden. Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion kann es erst geben, wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht. Das gilt auch für die Fortführung der Beitrittsgespräche, die de facto bereits auf Eis liegen. Sie jetzt komplett abzubrechen, würde das falsche Signal an die proeuropäischen und demokratischen Kräfte in der Türkei senden. Für eine demokratische und weltoffene Türkei müssen die Türen zur EU offen bleiben.
Wie wollen Sie gegen die Ausbreitung von islamistischen Terror vorgehen?
Wir Grüne stehen für einen freiheitlichen und damit starken Rechtsstaat, denn nur der gewährleistet Sicherheit. Islamistische Terroristen töten und verletzen Menschen, sie lehnen unsere freiheitlich demokratische Grundordnung ab. Das werden wir niemals hinnehmen. Deutschland soll für alle Menschen, die hier leben, ein sicheres Land bleiben. Dazu brauchen wir eine wirksame Sicherheitspolitik, die real vor Kriminalität und Terror schützt und den Bürgerrechten verpflichtet ist – und keine symbolischen oder populistischen Maßnahmen. Dafür setzen wir auf eine gut ausgebildete und ausgestattete Polizei und eine effektive Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden. Wir wenden uns entschieden dagegen, die Bedrohungslagen zu missbrauchen, um Ängste zu schüren oder mühsam erkämpfte Freiheitsrechte abzubauen. Symboldebatten oder unwirksame Gesetzesverschärfungen, wie etwa die Vorratsdatenspeicherung oder der Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab. Es ist viel wirksamer, gezielt mit verhältnismäßigen Mitteln einige Hundert Personen zu überwachen, die hierfür einen hinreichenden Anlass geboten haben, als 80 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Außerdem setzen wir einen klaren Schwerpunkt auf der bundesweit koordinierten Prävention von gewaltbereitem Islamismus sowie auf dringend notwendige Verschärfungen des Waffenrechts. In Verbindung mit konsequenter Anwendung bestehender Gesetze wird effektiv die Sicherheit gefördert.
Der Kampf gegen Terror können wir nur mit einer funktionierenden EU bewältigen. Um gegen die Ausbreitung von islamistischen Terror brauchen wir unbedingt die Europäische Union umso mehr. Die Untersuchung und Evaluierung der Terrorismusbekämpfungsgesetze und die Verlängerung deren Geltung sind hier nötig.
Wie wollen Sie die zunehmende Radikalisierung im Islam vorbeugen?
Wir sind der Meinung, dass die Sicherheitspolitik einer Radikalisierung mit zielgenauen Maßnahmen begegnen und Sicherheit effektiv erhöhen muss. Es braucht in Deutschland eine wirkungsvoll Prävention gegen Radikalisierung. Wir müssen alles unternehmen, damit junge Menschen nicht in menschenverachtende, gewaltpropagierende Ideologien abgleiten. Dazu wollen wir eine umfassende und wirkungsvolle Präventionsstrategie gegen gewaltbereiten Islamismus anwenden. Ein bundesweites Präventionszentrum soll die Aufgaben koordinieren und alle relevanten staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen vernetzen. Dazu gehören: verschiedene Ressorts der Bundesregierung, die Sicherheitsbehörden, Länder und Kommunen sowie Jugendhilfe, Jugendverbände, Demokratieinitiativen, islamische Organisationen, Wissenschaft und Medien. Auch regionale Netzwerke für die konkrete Präventionsarbeit vor Ort wollen wir fördern. Erfolgreiche Prävention kann, was keine Technik, keine Kamera dieser Welt vermag: Demokratie stärken und Straftaten im Vorfeld verhindern. Prävention kämpft nicht gegen, sondern für etwas: Für stabile und faire Lebensbedingungen aller junger Menschen, für Begeisterung und Identifikation mit der freien, toleranten und vielfältigen Gesellschaft.
Welche Maßnahmen sehen Sie vor um fremdenfeindliche und rassistische Stimmungsmache zu verhindern?
Rassismus gemeinsam entgegentreten heißt für uns, Demokratie zu stärken. Mit einem Maßnahmenpaket wollen wir eine Demokratieoffensive gegen den Hass, Fremdfeindlichkeit und Rassismus auf den Weg bringen:
- Wir müssen das Bild einer pluralistischen, offenen Gesellschaft für unsere Zeit neu zeichnen und darüber in einen breiten Dialog mit der Bevölkerung treten. Demokratiebildung fängt bereits früh an. Kitas und Schulen müssen Orte der Vielfalt sein, an denen Rassismus keinen Platz hat.
- Staatliche Stellen müssen ihre Aufgabe zum Schutz zivilgesellschaftlichen Engagements ernst nehmen.
- Die Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, dass regelmäßig und proaktiv umfassende Lagebilder zu rechter Gewalt und Gewaltbereitschaft veröffentlicht werden, so dass die Probleme in ihrer ganzen Dimension deutlich werden.
- Hassdelikte müssen konsequenter bekämpft werden: Hasskriminalität zielt darauf, ganze Bevölkerungsgruppen einzuschüchtern und sie in ihrer Freiheit, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, empfindlich einzuschränken. Erforderlich sind dabei konsequentere Erfassung und sorgfältigeres Monitoring solcher Straftaten als rassistisch, antisemitisch, homophob oder wenn sie aus anderen Gründen menschenfeindlich motiviert sind. Geltendes Recht muss auch konsequente Anwendung finden. Die bisher auffallend geringe Aufklärungsquote bei den sich häufenden Anschlägen auf Flüchtlingseinrichtungen kann nicht hingenommen werden. Polizei und Justiz müssen in die Lage versetzt werden, solche Straftaten effektiver aufklären und verfolgen zu können.
- Das gilt auch beim Kampf gegen Hass und Hetze. Beleidigungen, Drohungen und Mordaufrufe gegen Geflüchtete, Journalistinnen und Journalisten, Politikerinnen und Politiker, Feministinnen und Feministen, religiöse Gruppierungen und politisch Andersdenkende sind im Internet mittlerweile an der Tagesordnung. Die Rechtslage zum Umgang der Anbieter von Telemedienangeboten gegenüber solcher „Hate Speech“ ist eindeutig: Die Anbieter müssen umgehend nach Meldung von Hasskommentaren, diese prüfen und gegebenenfalls löschen und zur Anzeige bringen. Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass dies auch durchgesetzt wird.
Welche Maßnahme wollen Sie treffen um den Antisemitismus aus allen Reihen der Gesellschaft auch besonders von Links entgegen zu wirken?
Menschenfeindliche Ideologien gefährden den gesellschaftlichen Frieden. Antisemitischen Angriffen stellen wir Grüne uns mit aller Entschlossenheit entgegen. Die gesellschaftliche Vielfalt ist Fakt, sie zu leugnen, ist Ideologie. Im Wissen um die Verbrechen der Nazizeit stehen wir Grüne für eine Gesellschaft, in der jede*r sicher und selbstbestimmt leben kann und die individuelle Freiheit sowie die persönliche Identität geschützt sind, online wie offline. Sie erfahren erst dort eine Grenze, wo die individuelle Freiheit anderer eingeschränkt wird. Unser Ziel ist eine inklusive Gesellschaft, die in ihrer Vielfalt zusammenhält und die Menschen vor Diskriminierung schützt. In der alle Menschen die gleichen Rechte und Pflichten haben, in der alle am sozialen und demokratischen Leben gleichberechtigt teil haben können.
Wo Bedrohungslagen sich wandeln, reagieren wir mit einer Sicherheitspolitik, die wirksam neue Bedrohungen abwehrt, indem sie geltendes Recht effizient anwendet – statt mit Symbolpolitik. Wir statten Gerichte, Polizei und Sicherheitsbehörden besser aus – mit mehr Personal, einer guten Aus- und Weiterbildung und zeitgemäßer Technik. Fehlerquellen und unverhältnismäßige Einschränkungen von Bürger*innenrechten werden wir identifizieren und abstellen, Gesetze ändern wir dort, wo sie lückenhaft sind, nicht auf Verdacht. Unser Ziel ist ein öffentlicher Raum, in dem sich alle unbefangen und ohne Angst bewegen können. Wir sind überzeugt, dass ein starker, demokratischer Rechtsstaat gleichzeitig Bedrohungen effektiv abwehren, Grundrechte schützen und unsere Freiheit bewahren kann.
Der Großteil der antisemitischen Straftaten, über 90 Prozent, wird immer noch aus dem rechtsextremen Lager begangen. Aber diese Zahl darf nicht dazu führen, dass man woanders nicht mehr genau hinschaut. Wir müssen dafür sorgen, dass Antisemitismus nicht nur als Problem der anderen angesehen wird, sondern auch im eigenen Verein oder Bekanntenkreis, in dem man sich bewegt.