Frage an Özcan Mutlu von Dagmar H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Mutlu,
haben Sie wirklich vor, am Donnerstag, 01.06.2017 in 2. und 3. Lesung im Bundestag für eine Grundgesetzänderung zur Autobahnprivatisierung zu stimmen?
Eigentlich hatte ich ja vor, Ihnen meine Stimme bei der Bundestagswahl zu geben. Wenn diese Grundgesetzänderung durchkommt, werde ich das nicht tun.
Mit freundlichen Grüßen
Dagmar Heymann
Sehr geehrte Frau Heymann,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich habe der Grundgesetzänderung zur Autobahnprivatisierung nicht zugestimmt.
Union und SPD haben dagegen Ja zur Privatisierung unserer Autobahnen gesagt. Die Große Koalition erlaubt mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften eine kostspielige undurchsichtige Beteiligung von Großkonzernen an Bau und Betrieb. Außerdem bauen Union und SPD zahlreiche Hintertüren ein, durch die Versicherungen und Banken und Großkonzerne möglicherweise schon in der nächsten Legislaturperiode ans Straßennetz kommen. Denn viele Schranken für die Privatisierung sind nur einfachgesetzlich geregelt, nicht jedoch verfassungsrechtlich. Schon die nächste Koalition kann diese Hürden wegreißen. Eine zukünftige Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und die Aufnahme von Krediten mit überhöhten Zinsen muss dauerhaft und rechtssicher ausgeschlossen werden. Wir brauchen eine demokratische Kontrolle über die Autobahnen, keine neuen Renditeobjekte.
Wer die Klimaschutzziele erreichen will, muss in der Verkehrspolitik umsteuern – auch und gerade bei der Verkehrsinfrastruktur. Die Verkehrsminister unter Kanzlerin Merkel haben diese Herausforderung bislang nicht angenommen. Im Gegenteil: Vor allem der neue Bundesverkehrswegeplan, den Bundesminister Alexander Dobrindt verantwortet, setzt die Straßenbaupolitik der vergangenen Jahrzehnte einfach weiter fort. Das hat nicht nur klima- und umweltpolitisch verheerende Folgen, sondern auch finanziell negative Auswirkungen. Wenn Deutschland weiter immer mehr Straßen errichtet, müssen wir auch immer mehr für Unterhalt und Sanierung aufwenden.
Die große Koalition möchte künftig Bundesautobahnen zentral durch eine Autobahngesellschaft verwalten lassen. Das sehen wir Grüne im Bundestag kritisch. Wir unterstützen das Ziel, mehr Effizienz zu schaffen und die Auftragsverwaltung im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen grundlegend zu reformieren. Verantwortlichkeiten müssen dazu klarer zugeordnet werden. Alexander Dobrindt will die große Straßenbaumaschine anwerfen. Und Bundesfinanzminister Schäuble wünscht sich eine Privatisierung der Autobahnen. Damit schießen die Minister klar übers Ziel hinaus.
• Wir Grüne im Bundestag kämpfen dafür, dass der Zustand unserer Straßen künftig ehrlich bilanziert wird und der Erhalt bestehender Straßen und Brücken Vorrang hat vor teuren Neubauprojekten. Öffentliches Eigentum darf nicht an Konzerne und Versicherungen verramscht werden.
• Die neue Autobahngesellschaft muss im unveräußerlichen Eigentum des Bundes stehen.
• Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater muss ausgeschlossen bleiben.
• Die Bildung eine Aktiengesellschaft, wie sie etwa im Bereich des Schienenverkehrs mit der Deutschen Bahn AG im Zuge der Bahnreform von 1994 erfolgt ist, lehnen wir genauso ab wie die Ausweitung der teuren Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP).
• Wir schlagen vor, dass die Verwaltung der Autobahnen künftig durch eine Anstalt öffentlichen Rechts oder eine Gesellschaft privaten Rechts, bei der ein unbeschränkter Einfluss des Bundes auf die Aufgabenerfüllung sichergestellt ist, erfolgt. Die Rechtsform der Gesellschaft darf nur dann zulässig sein, wenn ein unbeschränkter staatlicher Einfluss sichergestellt ist.
• Sollte für die Autobahnverwaltung eine GmbH als Rechtsform gewählt werden, muss die Umwandlung in eine Anstalt öffentlichen Rechts weiter möglich sein. Wir fordern eine Überprüfung vier Jahre nach Betriebsbeginn der Gesellschaft.
Die SPD hat immer wieder beteuert, dass sie den Einfluss privater Investoren mit entsprechenden Renditeabsichten strikt ausschließen will. Dessen ungeachtet öffnet die große Koalition Öffentlich-Privaten Partnerschaften Tür und Tor. Genau diese Konstruktion ist für den Staat besonders kostspielig und für Parlamentarier und Öffentlichkeit völlig undurchsichtig. Sie schließt viele mittelständische Baufirmen von vorherein aus.
Mit freundlichen Grüßen
Özcan Mutlu