Frage an Özcan Mutlu von Juergen V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Mutlu,
sie sind durch ihre Fraktion in den Sportausschuss berufen. Die IOC- Entscheidung von gestern (24.7) Russland nicht wegen des systematischen Dopings von den olympischen Spielen auszuschließen, löst bei mir Verwunderung aus. Wie sieht der Sportausschuss des Bundestages zu dieser Entscheidung? Werben gerade diese Verbände nicht ständig für den sauberen Sport? Es sind Investigative Journalisten und mutige Sportler die ein staatlich gefördertes System von Doping und korrupten Funktionären aufgedeckt haben. Diese Entscheidung ist nicht nachzuvollziehen. Wird der Sportausschuss bei dem IOC Vorsitzenden Thomas Bach gegen die Entscheidung Protest einlegen? Es gilt jetzt die Ehrlichen Sportler und mutigen Journalisten zu unterstützen.
Mit bestem Dank für die Beantwortung und freundlichen Gruß
J. V.
Lieber Herr Vanselow,
besten Dank für Ihre Frage zu diesem so wichtigen Thema. Zunächst muss ich klarstellen, dass ich zwar Mitglied des Sportausschusses des Bundestags bin, damit aber nicht für die Position des gesamten Ausschusses als Einheit sprechen kann, da dort ja auch überwiegend Mitglieder anderer Parteien, die hin und wieder anderer Meinung als wir Grüne sind, vertreten sind. Ich beantworte also Ihre Fragen nicht für den Sportausschuss, sondern aus der Perspektive Grüner Sportpolitik (mit dem Stand vom 3. August 2016).
Wie ordnen wir die Entscheidung des IOC ein, Russland, bzw. genauer gesagt die Russische Anti-Dopingagentur RUSADA und das Nationale Olympische Komitee Russlands ROK, trotz nachgewiesenen systematischen Dopings nicht bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro auszuschließen? Der CAS hat in den letzten Tagen den Ausschluss russischer Athletinnen und Athleten durch internationale Fachverbände bestätigt. So sind wir sehr entsetzt über die Entscheidung des IOC und können sie - ebenso wie Sie - nicht nachvollziehen. Ein fairer Wettbewerb ist für Sportlerinnen und Sportler, die selbst in einem funktionierenden Dopingsystem trainieren und keine verbotenen Mittel zur Leistungssteigerung nehmen und die in Rio nun gegen russische Athletinnen und Athleten antreten müssen, nicht möglich. Einfach deshalb, weil für die Vorbereitung auf die Spiele während der vergangenen Jahre ungleiche Bedingungen herrschten.
Das IOC hat mit seiner Entscheidung die Chance vergeben, ein positives Zeichen zu setzen und klare Konsequenzen aus diesen groben und dreisten Verstößen Russlands gegen den Anti-Doping-Kodex zu ziehen. Stattdessen knickte der mächtige Verband - allen voran Thomas Bach an der Spitze - unter dem Druck der russischen Regierung offenbar ein und trat seine Verantwortung an die Spitzenverbände der einzelnen Sportarten ab. Gleichzeitig wäre die Zulassung der Whistleblowerin Julija Stepanowa ein positives Zeichen für eine zukünftige saubere Sportwelt gewesen. Auch hier hat das IOC die Chance vertan und macht so seinen eigenen Kampf gegen Doping noch unglaubwürdiger als er ohnehin schon war. Das IOC ist nicht nur dafür zu kritisieren, dass es nun keine klaren Konsequenzen zog, sondern auch dafür, dass es bereits in den vergangenen Jahren, ebenso wenig wie die Welt Anti-Dopingagentur (WADA), klaren Hinweisen auf Staatsdoping in Russland nicht nachgegangen ist.
Werben gerade diese Verbände nicht ständig für den sauberen Sport? Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten, denn tatsächlich agieren die einzelnen Mitgliedsverbände des IOC, die Spitzenverbände der verschiedenen Sportarten, hier ganz unterschiedlich. Der Internationale Leichtathletikverband (IAAF) hat sich hier klar gegen das IOC positioniert und nicht nur den russischen Leichtathletinnen und Leichtathleten eine Zulassung für die Olympischen Spiele verweigert, sondern auch den IOC für seine Entscheidung scharf kritisiert. Andere Verbände wiederum haben inzwischen einzelne russische Athletinnen und Athleten gesperrt, wieder andere gar keine. Inwiefern diese Praxis überhaupt zulässig ist, wird in den kommenden Tagen der internationale Sportgerichtshof (CAS) entscheiden.
Wird der Sportausschuss bei dem IOC Vorsitzenden Thomas Bach gegen die Entscheidung Protest einlegen? So sehr ich persönlich - und sicher auch zahlreiche andere Mitglieder des Sportausschusses - die Entscheidung des IOCs nicht nachvollziehen kann, wird der Sportausschuss keinen offiziellen Protest bei Thomas Bach einreichen. Hauptgrund dafür ist die von den Vereinten Nationen anerkannte Autonomie des Sports und des IOC, d.h. die Unabhängigkeit des organisierten Sports von Politik, die mit dem Gut der Pressefreiheit verglichen werden kann und die auch dann, wenn aus unserer Sicht nicht nachvollziehbare Entscheidungen getroffen werden, auf jeden Fall zu wahren ist. Der Sportausschuss wird sich jedoch voraussichtlich am 21. September mit einer Bilanz der Olympischen Spiele in Rio beschäftigen. Wir werden unsere kritische Position auch in diesem Rahmen vorbringen.
Unser Konzept für einen wirkungsvollen Anti-Doping-Bekämpfung finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/066/1806687.pdf Meine aktuelle Pressemitteilung können Sie hier abrufen: http://www.mutlu.de/olympische-spiele-und-paralympics-in-rio-zwischen-vorfreude-und-skepsis-ueber-das-sportfest-mit-geschmaeckle/
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Özcan Mutlu