Frage an Özcan Mutlu von Nicole M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Mutlu,
in der Schweiz haben in einem Volksentscheid über 70% für eine Verschärfung der Asylgesetze gestimmt, was nun scheinbar auch die No-Go-Areas für Asylsuchende zur Folge hat, wie sie schon die Juden und Jüdinnen in Deutschland erfahren mussten. Sind Sie wirklich der Meinung, dass eine zumindest tendentiell rassistische Mehrheit (psychologisch gesehen haben die meisten Menschen zunächst Angst vor dem Fremden und Anderartigen) entscheiden sollen darf und damit die Demokratie und Verwirklichung der Menschenrechte besser werden?
Zu den gemeinsamen Schulen: ich möchte, dass mein Kind neben deutsch auch in seiner französischen Muttersprache unterrichtet wird. Das ist naturgemäß nicht an allen Schulen möglich und sinnvoll. Auch gibt es nicht in jeder Schule die Schwerpunkte, die die sehr unterschiedlichen Begabungen, in deren Richtung die Kinder streben, fördern können. Halten Sie wirklich eine Einheitsschule für die beste Lösung?
MfG, L. Malik Dipl.-Psychologin
Sehr geehrte Frau Malik,
herzlichen Dank für Ihre Fragen. Ihre Bedenken zum Volksentscheide kann ich nachvollziehen. Demokratie zählt zum Wertvollsten, was wir haben. Und gerade deshalb wollen wir sie neu beleben, ihr neue Kraft geben. Das geht nur, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger einbringen können und ihre demokratischen Rechte geltend machen.
Wir beschreiben in unserem Programm, wie eine neue demokratische Kultur aussehen kann.
Volksinitiativen, die darauf aus sind, die Rechte einer Minderheit einzuschränken, die sich nach den Kriterien eines verfassungs- und europarechtlichen Gleichheitsartikels definieren, sollen unzulässig sein. Auch Grundrechte und wesentliche Verfassungsprinzipien dürfen durch Volksentscheide nicht zur Disposition gestellt werden. Für die direkte Demokratie soll das Transparenzgebot gelten: Es muss Klarheit geben, aus welchen Finanzquellen sich Volksentscheid-Kampagnen speisen. Wie bei der Parteienfinanzierung möchten wir auch hier die Spendenhöhe begrenzen. Auf EU-Ebene wollen wir zu gesamteuropäischen Volksentscheiden kommen.
Zum Thema Schule: Ich halte keineswegs eine „Einheitsschule“ für die beste Lösung. Ich setze mich für eine Gemeinschaftsschule ein, welche alle Schülerinnen und Schüler nach ihren individuellen Voraussetzungen fördert. Die Starken genauso wie die Schwächeren, mit verschiedensten Schwerpunkten und Betonungen.
Das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten jungen Menschen ist ebenso Bestandteil einer Gemeinschaftsschule. Kinder und Jugendliche zu stärken, ihre Verschiedenheit als Wert anzuerkennen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten und Potenziale optimal zu entwickeln ist Ziel der Gemeinschaftsschule. Ganztagsschulen sind das Kernstück eines chancengerechten und inklusiven Bildungssystems. Natürlich gelingt dies nur, wenn die Schulen dementsprechend ausgestattet sind. Wir wissen Bildung gibt es nicht zum Nulltarif. Dafür wollen wir pro Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich bereitstellen. Das bürokratische Monstrum Bildungs- und Teilhabepaket und das zu Recht als Herdprämie bezeichnete Betreuungsgeld möchten wir abschaffen. Stattdessen wollen wir die Kitas und Schulen stärker und gezielter unterstützen. Investitionen in die Bildung sind Zukunftsinvestitionen!
Mit freundlichen Grüßen
Özcan Mutlu