Frage an Norbert Schikora von Markus W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Kandidat,
als Volksvertreter wurden sie in den Landtag entsandt um mit Volkes Stimme zu handeln. Uns würde ganz einfach interessieren, ob Sie einen direkten Einblick oder direkten Kontakt zu den Bürgern Ihres Wahlkreises haben, haben Sie einen Überblick über die Lebensverhältnisse, die Sorgen und Nöte, Wünsche und Lebensweise ihrer Mitbürger in deren Namen Sie mit die Entscheidungen treffen?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Wolf,
ich stamme aus einer Familie mit 4 Kindern. Als ich in die Volksschule gegangen bin, hat mir meine Mutter jeden Morgen ein Fettbrot für die Pause mitgegeben. Jeden Tag. Sie wissen schon, dieses Griebenfett. Das ließ sich schlecht tauschen gegen die Wurstbrote meiner Mitschüler. Nun, meine Mutter wollte mich sicher nicht quälen, aber wir hatten einfach nichts anderes zu essen. Mittags gabs Kartoffelbrei oder Brotsuppe. Eine Flüchtlingsfamilie aus Schlesien halt, die alles verloren hatte, naja bis auf das, was auf einen Leiterwagen passt. Mein Vater kam erst Weihnachten 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück, Sibirien. Es hat gedauert, bis aus dem Nichts wieder eine tragfähige Existenz aufgebaut war.
Als ich mit meinen einzigen paar Schuhen als kleiner Junge vom Fußballspielen kam, und die Schuhe kaputtgemacht hatte, hat mir meine Mutter eine runter gehauen, aus Verzweiflung. (Keine Sorge, es ist die einzige Ohrfeige in meinem Leben geblieben)
Wie Sie sehen, komme ich nicht von einem anderen Stern. Mir ist klar, dass Steuererleichterungen oder Pendlerpauschale dort wo es am dringendsten wäre, gar keine Entlastung bringen, dazu müsste man überhaupt erstmal Steuern zahlen.
Wichtiger wäre, dass z.B. der Öffentliche Nahverkehr billiger wird und das es einen Sozialtarif für die ersten 1200 KWh Strom im Jahr gibt, das Büchergeld muss weg und die Studiengebühren und wir brauchen an unseren Schulen eine kostenlose, warme Mahlzeit für jeden und ein kostenloses Frühstück im Kindergarten wäre in diesem Zusammenhang auch nicht verkehrt.
Das Viele eine 40zig-Stunden Arbeitswoche haben und trotzdem nicht genügend verdienen, ist eine elende und entwürdigende Entwicklung. Deswegen ist ein gesetzlicher Mindestlohn das Mindeste was wir einfordern sollten.
Nach 25 Jahren in der Kommunalpolitik behaupte ich, Volkes Stimme gibt es gar nicht. Was es gibt sind ganz unterschiedliche Einzelinteressen. Der Handwerker, der einen Auftrag will, der Landwirt, dessen Acker zu Bauland gemacht werden soll, die Diakoniestation, die Zuschüsse für die Altenpflege braucht, und und und ... Aber was sie dem einen geben, nehmen sie einem anderen. Was ist da richtig, was falsch? Irgendwann müssen sie es entscheiden und da bleibt oft genug ein ungutes Gefühl zurück. Offenheit und Respekt für den Gegenüber ist ein Weg, den ich versucht habe, um meine Entscheidungen zu begründen. Soviel Mühe sollten Sie verlangen von einem Politiker oder einer Politikerin. Feindbilder und Vor-Urteil habe ich noch nie für hilfreich gehalten. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse.
Norbert Schikora