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Norbert Röttgen
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Frage von Jürgen T. •

Frage an Norbert Röttgen von Jürgen T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Röttgen,

warum steht in Deutschland nicht das demokratische Instrument der Volksabstimmung bei wichtigen Entscheidungen zur Verfügung?

Die Volksabstimmung gehört m.E. zu den tragenden Säulen der Demokratie. Nicht nur mehrere EU-Staaten, sondern auch viele andere demokratische Staaten haben dies erkannt und beteiligen ihre Bürger nicht nur an Wahltagen an der politischen Willensbildung.

Eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes ist m.E. sicher kein unüberwindbares Hindernis. Jeder stimmberechtigte Politiker sollte sich vor seiner Stimmabgabe bewusst sein, ob er sich für oder gegen mehr Demokratie entscheidet.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Tews

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Tews,

ich habe Ihr Schreiben über www.abgeordnetenwatch.de erhalten und möchte mich dafür bedanken. Sie sprechen sich für die Einführung von Volksabstimmungen – auch auf Bundesebene – aus und fragen nach meiner Position zu diesem Thema. Ich nehme dazu gerne Stellung.

Wir haben uns mit der Frage in den vergangenen Jahren mehrfach im Deutschen Bundestag beschäftigt – zuletzt im Zusammenhang mit der EU-Verfassung.

Nach meiner Auffassung, die der Position der CDU/CSU-Bundestagsfraktion entspricht, ist die parlamentarische Demokratie gegenüber einer parlamentarischen Demokratie mit plebiszitären Elementen die - unter demokratischen Gesichtspunkten - bessere Alternative. Unser ehemaliger Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat es auf den Punkt gebracht: „Die Bevölkerung ist zu groß und die Probleme sind zu komplex.“

Ich möchte meine Auffassung, die diesem Zitat entspricht, mit drei Argumenten begründen:

Erstens: In einer plebiszitären Entscheidung wird die Fragestellung auf eine Ja/Nein-Alternative reduziert. Das parlamentarische Verfahren entspricht dagegen der Komplexität der Wirklichkeit und hat den großen Vorteil, ein „lernendes Verfahren“ zu sein. Wir führen Sachverständigenanhörungen durch und setzen uns in den verschiedenen parlamentarischen Gremien mit den Themen ausführlich auseinander. Die wenigsten Gesetze werden im Deutschen Bundestag so beschlossen, wie sie eingebracht worden sind. Ein solcher „Lernprozess“ ist im Rahmen eines Volksentscheides nicht realisierbar. Vielmehr spielen dabei in hohem Maße sachfremde Erwägungen eine erhebliche Rolle.

Zweitens: Ein Plebiszit ist gerade nicht das „demokratische Instrument des kleinen Mannes“, als das es häufig dargestellt wird. In der Regel sind es große, finanzstarke Organisationen, die solche Entscheide initiieren, die entsprechenden Kampagnen führen (und finanzieren) und sie als Verhinderungsinstrumente – nicht als Gestaltungsinstrumente – nutzen.

Ein dritter Punkt: Die Realität beweist, dass die plebiszitäre Demokratie im Grunde eine Minderheitendemokratie ist. Während bei Volksentscheiden ein Quorum von 25 Prozent vorgesehen ist, kann sich der Deutsche Bundestag in der Regel auf eine Legitimation von rund 80 Prozent stützen.

Mir ist sehr deutlich bewusst, dass die Einführung von Plebisziten auf Bundesebene eine populäre Forderung ist. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht – obwohl wir uns dessen bewusst sind – zu der parlamentarischen Demokratie, weil wir sie aus den genannten Gründen für die überlegene Form der Demokratie halten.

Mit freundlichem Gruß

Ihr Norbert Röttgen

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