Frage an Nora Urbanski von Janina B. bezüglich Frauen
Hallo Frau Urbanski,
im Wahlprogramm von Volt wird eine Frauenquote bis 2025 gefordert, um den Beschäftigungszahlen von Frauen in Führungspositionen einen "Kickstart" zu ermöglichen. Soweit, so gut. Wie stehen Sie (ggf. nachdem eine solche Frauenquote ausgelaufen ist) zu alternativen Bewerbungsverfahren (Bewerbung ohne Name und Angabe von Gender)?
Mich interessiert außerdem, welche Maßnahmen Volt für die Stärkung der europäischen Frauenrechte (sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, öffentlich verfügbare Informationen über den Vorgang einer Abtreibung) darüber hinaus treffen möchte?
Viele Grüße
Janina Bauer
Hallo Frau B.,
Vielen Dank für Ihre Fragen! Ich freue mich sehr, dass Sie sich damit an mich gewandt haben. Denn genau diese Fragen beschäftigen mich selber auch. Was uns klar sein muss - und was Volt erkannt hat - ist, dass wir tatsächliche, reale Gleichstellung nicht in wenigen Jahren und nicht über eine Quote erreichen werden. Dafür braucht es die Anstrengung aller Menschen und ganz besonders aller Entscheidungsträger*innen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Eine Quote ist ein Instrument, welches den Prozess unterstützen kann und sollte. Aber wie Sie richtig sagen, ist es damit noch nicht getan.
Alternative oder anonymisierte Bewerbungsverfahren sind ein vielversprechendes Mittel, um bewusste und unbewusste Diskriminierung bei der Durchsicht von Lebensläufen und Bewerbungsschreiben zu verhindern. In vielen Ländern gibt es solche Ansätze bereits und sie zeigen Wirkung. Es wäre sicherlich sinnvoll, solche Verfahren EU-weit zu standardisieren.
Damit Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen endlich beseitigt werden, müssen wir anfangen, über Geld zu sprechen. Nur wer weiß, was ihre Kolleg*innen verdienen, wird auf Ungleichbehandlungen aufmerksam und kann das richtige Gehalt für sich selber aushandeln. Deshalb will Volt, dass Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten ab 2020 die tatsächliche Bezahlung nach Geschlechtern aufschlüsseln und offenlegen. Transparenz ist der erste Schritt. Aber wie Sie selber schreiben, sind auch sexuelle Belästigung und Sexismus am Arbeitsplatz leider noch immer alltäglich. Deshalb sollen alle mittleren bis großen Unternehmen vertrauliche Kanäle schaffen, über die unangemessenes, diskriminierendes, belästigendes oder gewalttätiges Verhalten gemeldet werden kann.
Volt setzt sich für den Schutz des Selbstbestimmungsrechtes eines jeden Menschen ein. Dazu gehört, dass Frauen eigene, selbstbestimmte Entscheidungen über ihren Körper treffen können. Dafür müssen wir sicherstellen, dass Frauen ohne Schwierigkeiten an alle notwendigen Informationen kommen und echte, offene, konstruktive Beratungsangebote in Anspruch nehmen können. Diese Forderung gilt übrigens genauso für Trans* und intersexuelle Menschen, deren Selbstbestimmungsrechte leider ebenfalls bis heute beschnitten sind.
Volt denkt europäisch. Wir wollen die Rechte aller Europäerinnen stärken. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass Abtreibungen im Gesetz und in der Praxis grundsätzlich für alle Frauen in ganz Europa zugänglich gemacht werden und mindestens bis zum Ende des ersten Trimesters kostenfrei durchgeführt werden können. Dazu gehört, dass der Zugang auch in ländlichen Regionen ohne lange Wartezeiten sichergestellt werden muss.
Wir fordern aber auch neue Regelungen im deutschen Recht. Zum einen kann es nicht sein, dass 2019 Abtreibungen in Deutschland weiterhin im Strafgesetzbuch geregelt und grundsätzlich strafbar sind. Die rechtlich festgelegte Verpflichtung der Frau, sich vor einem Schwangerschaftsabbruch einer Beratung zu unterziehen und anschließend drei Tage warten zu müssen, sehen wir als Bevormundung an und wollen diese abschaffen. Stattdessen sollen offene Beratungsstellen ausgebaut, die Qualität der Lehre im Sexualkundeunterricht an Schulen verbessert und kostenlose Kurse zu Verhütung und gesundheitlichen Fragen in Krankenhäusern angeboten werden.
Den Artikel 219a “Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft” wollen wir streichen lassen. Auch die vor kurzem beschlossene Änderung an diesem Artikel beschränkt unserer Ansicht nach weiterhin den Zugang zu Informationen für Frauen und ist nicht dazu in der Lage, Rechtssicherheit für Mediziner*innen herzustellen.
Sie sehen also - es gibt noch viel zu tun. Aber Volt hat einen Plan. Wir haben konkrete Maßnahmen erarbeitet, um die Rechte der Frauen in ganz Europa zu stärken und vor allem in Realität umzusetzen. Da eine Aufzählung all unserer Forderungen und Pläne den Rahmen sprengen würde, möchte ich Sie an dieser Stelle an unser Grundsatzprogramm verweisen (insb. S. 33-35 und 44). Bitte schreiben Sie mir bei Fragen zu unserem Programm einfach eine weitere Nachricht!
Wir fordern viel und wollen selber mit gutem Beispiel vorangehen. Daher sind Empowerment und Frauenförderung auch Volt-intern wichtige Themen. Wenn Sie dazu mehr wissen wollen, schreibe Sie mich gerne an: nora.urbanski@volteuropa.org oder stellen Sie mir über Abgeordnetenwatch.de weitere Fragen - ich freue mich darauf!
Herzliche Grüße aus dem Rheinland,
Nora Urbanski