Frage an Nina Stahr von Peter G. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Stahr,
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ja eines der beliebten Schlagwörter des Wahlkampfs, doch mehr als Phrasen scheint mir bei allen Parteien nicht dahinter zu stecken.
Mich würde interessieren, was sie konkret machen würden um Familien zu helfen, gleichzeitig für ihre Kinder da zu sein und einem Beruf nachzugehen. Es kann doch auch keine Lösung sein, dass die Kinder nur noch Zeit in Kitas und Ganztagsschulen verbringen und ihre Eltern nur noch am Wochenende sehen.
Sehr geehrter Herr Gründer,
vielen Dank für ihre Frage. Familienpolitik ist mein Kernthema und mir sehr wichtig! Ich sehe hier massiven Handlungsbedarf. Deshalb freue ich mich über Ihr Interesse und beantworte Ihre Frage sehr gern. Auch für mich ist der Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen nicht die einzige Antwort auf die Frage, wie wir Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren können. Dennoch ist dies einer der wichtigsten Bausteine. Mir ist wichtig, dass alle Eltern selbst entscheiden können, ob und wann sie nach der Geburt eines Kindes wieder arbeiten gehen. Diese Entscheidung wird ihnen aber verwehrt, wenn gar kein Kitaplatz zur Verfügung steht. Dann muss sich ein Elternteil um das Kind kümmern - nach wie vor ist das in der Regel die Mutter. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Altersvorsorge für die Frau - Frauen sind deshalb deutlich öfter von Altersarmut betroffen als Männer. Besonders hart werden Alleinerziehende getroffen. Wenn sie keinen Kita-Platz finden, können sie oft nicht arbeiten, obwohl sie gerne würden und rutschen so ins ALG II. Und selbst Eltern, die einen Kita-Platz haben, stehen oft vor dem Problem, dass die Kita gar nicht lang genug geöffnet hat, um das Kind morgens abzugeben, dann den Weg zur Arbeit zu machen, nach der Arbeit zurück zur Kita zu fahren und dann das Kind abzuholen. Das zeigt: wer acht Stunden arbeitet, braucht einen Kitaplatz, der z.B. die Wegzeiten mit einberechnet. Wenn das nicht gegeben ist, kann eine Alleinerziehende nicht Vollzeit arbeiten. Dieses Problem können wir durch den Kitaplatzausbau und durch längere, flexiblere Öffnungszeiten der Kitas lösen. Entsprechend muss aber auch der Beruf des Erziehers oder der Erzieherin höher wertgeschätzt werden. Sie leisten eine Arbeit von unschätzbarem Wert für unsere Gesellschaft. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass dieser Beruf besser bezahlt wird.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Eltern das Recht darauf haben, zu entscheiden, wie sie ihr Kind betreuen (lassen) wollen und Eltern wissen auch selbst am besten wie sich Beruf und Familie in ihrem Fall am besten vereinbaren lassen. Doch ohne flächendeckende Angebote wie Kitas und Ganztagsschulen ist diese Wahlfreiheit nicht gegeben. Deshalb finde ich es wichtig und richtig Kitas auszubauen. Dort wäre das Geld besser investiert als im Betreuungsgeld, das nur einen Bonus darstellt für die, die es sich ohnehin leisten können, zu Hause zu bleiben. Wahlfreiheit schafft es definitiv nicht. Aber Sie haben recht, da wo Eltern ihre Kinder nicht schon kurz nach der Geburt in eine Kita geben wollen, oder auch da wo Eltern ihr beispielsweise einjähriges Kind zwar in eine Kita geben möchten, aber anfangs vielleicht nur für einige Stunden pro Tag, muss es möglich sein, dass flexible Lösungen gefunden werden. Deshalb ist für mich familiengerechte Politik eben nicht nur Familienpolitik und nicht nur Kitaausbau. Familiengerechte Politik bedeutet für mich, dass wir auch an die Wirtschaftspolitik gehen müssen, an die Arbeitsmarktpolitik, aber auch an die Renten- und Krankenversicherungssysteme.
Wir brauchen mehr und bessere Teilzeit-Arbeitsmodelle, die es Eltern erlauben, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Gleichzeitig muss dabei verhindert werden, dass derjenige, der zugunsten von Kindererziehung seine Erwerbsarbeit eine Zeit lang zurück schraubt, danach kaum noch Aufstiegsmöglichkeiten im Job hat oder mit massiven Einbußen bei der Rente rechnen muss. Auch in den Führungsetagen muss es möglich sein, Kind und Karriere miteinander zu vereinbaren. Jobsharing ist dafür zum Beispiel eine gute Möglichkeit. Solange es aber für den Arbeitgeber teurer ist, zwei Menschen in Teilzeit zu beschäftigen als eine Person in Vollzeit, ist dies natürlich für viele Firmen kein lockendes Modell. Hier sehe ich einen Ansatzpunkt, wo Politik unterstützen kann, indem sie solche Modelle für Arbeitgeber attraktiv macht. Aber auch Best Practice Modelle kann und sollte die Politik aufnehmen und anderen Unternehmen zugänglich machen. Viele ArbeitgeberInnen haben mit ihren MitarbeiterInnen zusammen Lösungen gefunden, um Beruf und Familie zusammenzubringen. Von der Betriebskita über flexible Betreuungsmodelle im Unternehmen hin zu Home Office, wenn das Kind krank ist, ist hier vieles möglich. Hier ist die Politik nicht als Erfinder gefragt, sondern als Verstärker und Unterstützer.
Auch unsere Forderung nach Mindestlohn ist eine Forderung, die vielen Familien gerade im unteren Einkommensbereich zugute kommt. Mittlerweile können viele Menschen - darunter oft Alleinerziehende - nicht mehr von ihrer Arbeit leben und haben deshalb einen Zweitjob und um so weniger Zeit für ihre Kinder. Der Mindestlohn ist hier eine erste Maßnahme, dieses Problem zu beheben.
Steuerlich wollen wir endlich Kinder fördern und nicht mehr nur Ehen. Kinder von alleinerziehenden und unverheirateten Eltern werden dann nicht mehr gegenüber Kindern von verheirateten Eltern benachteiligt. Durch die Verbesserung der finanziellen Situation vieler Familien kann auch das ein Baustein zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein.
Sie sehen, Ihr Frage lässt sich nicht in einem oder zwei Sätzen beantworten. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern brauchen wir sowohl ein gesellschaftliches Umdenken (z.B. dass es akzeptiert wird, wenn der Chef um vier das Büro verlässt, um die Kinder aus der Kita abzuholen) als auch die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen. Wenn diese Rahmenbedinungen gegeben sind, dann - so meine Überzeugung - wird auch die gesellschaftliche Aktzeptanz größer. Deshalb werde ich mich im Fall meiner Wahl in diesem Sinne für eine familiengerechte Umgestaltung vor allem unserer Arbeitswelt, aber auch unseres Steuer- und Versicherungswesens einsetzen. Jobsharing ist eines der Modelle, für das ich kämpfen werde, genauso für flexiblere Betreuungszeiten in den Kitas und flexiblere Teilzeitmodelle.
Ich hoffe, dass ich meine Antwort Ihnen die Pläne der Grünen etwas konkreter darstellen konnte! Für Nachfragen stehe ich Ihnen natürlich gern zur Verfügung!
Herzliche Grüße,
Nina Stahr