Portrait von Nina Hauer
Nina Hauer
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Nina Hauer zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Till B. •

Frage an Nina Hauer von Till B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Wie stehen Sie zur sogenannten grünen Gentechnik? Meiner Meinung nach wäre es fatal, wenn der Künastentwurf zum Schutz der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft noch weiter verwässert würde.
Danke für die Antwort.
Mit freundlichen Grüssen
Till Brandt

Portrait von Nina Hauer
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Brandt,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema "Landwirtschaft".

Gentechnisch veränderte Pflanzen werden in der EU nach der EU-Freisetzungsrichtlinie (2001/18/EG) geprüft und zugelassen. Die Richtlinie ist seit Oktober 2002 in Kraft und regelt das Verfahren, mit dem eine absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) in die Umwelt genehmigt wird sowie Anforderungen und Modalitäten der Umweltverträglichkeitsprüfung. Dies bezieht sich sowohl auf experimentelle Freilandversuche als auch auf das "Inverkehrbringen" (darunter wird die kommerzielle Nutzung gentechnisch veränderter Organismen in der Umwelt verstanden). Bis zum 17. Oktober 2002 hätte die Freisetzungs-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Die meisten EU-Länder haben diese Frist versäumt. Deutschland kommt als eines der ersten Länder dieser Aufgabe mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz nach.

Das erste Gentechnikneuordnungsgesetz trat im Januar 2005 in Kraft. Neben der Umsetzung des EU-Rechts regelt es Fragen der Koexistenz, d.h. des Nebeneinanders von gentechnikfreiem und Gentechnik anwendendem Anbau. Die EU-Kommission hatte keine Koexistenzregelungen vorgelegt, sondern diese Aufgabe an die Mitgliedsstaaten delegiert.

Das zweite Gentechnikneuordnungsgesetz, welches Verfahrensvereinfachungen für gentechnische Arbeiten vorsieht, wird im Vermittlungsverfahren von CDU/CSU und FDP blockiert – mit dem Ziel, damit Änderungen im bereits geltenden Gentechnik­neuordnungs­gesetz zu erzwingen.

Mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz ist es uns gelungen, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu ermöglichen und durch die dabei vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen die gentechnikfreie – sowohl konventionelle als auch ökologische – Landwirtschaft vor Beeinträchtigungen aus dem GVO-Anbau zu schützen. Hierbei sind die wichtigsten Maßnahmen:

- Die Anforderungen (Gute fachliche Praxis) zum Umgang mit GVO wie z. B. Mindest­abstände, Aufzeichnungspflichten, Regeln zum Ausbringen von GVO-enthaltenden Düngemitteln.

- Die Haftungsregelung: Es gilt das Verursacherprinzip, d.h. wenn gentechnikfrei anbauenden Landwirten durch Einträge von GVO wirtschaftliche Schäden entstehen, so hat der GVO-Anbauer für den Ausgleich zu sorgen.Die Haftungsregelung gilt gesamtschuldnerisch und verschuldensunabhängig, d.h. wenn der Verursacher nicht eindeutig auszumachen ist, haften in Frage kommende GVO-Anbauer gesamt­schuldnerisch. Verschuldensunabhängig ist die Haftung geregelt, damit der gentechnik­freie Anbau bei einer Schädigung durch GVO-Einträge in jedem Fall einen Anspruch auf Schadensersatz hat – auch dann, wenn die GVO-Anbauer die Sicherheitsmaßnahmen eingehalten haben.

- Die Verpflichtung der GVO-Inverkehrbringer, ihre Produkte mit Hinweisen (Beipackzettel) zu versehen, wie die Anforderungen zur guten fachlichen Praxis eingehalten werden können. Bei fehlerhaften Produktinformationen machen sie sich haftbar. (Hersteller müssen beispielsweise wissenschaftlich begründen, welche Abstandsregelungen gewählt wurden, um die Koexistenzregelungen zu erfüllen.)

Diese Regelungen sind notwendig, um den Bestand der gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion und der dortigen Arbeitsplätze zu sichern. Sie gewährleisten, dass die VerbraucherInnen zwischen gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Produkten wählen können.

Die Beiträge, die die Gentechnik zur Nachhaltigkeit leisten kann, wollen wir nutzen. So sehen wir z.B. große Innovationspotenziale beim Einsatz der Gentechnik in der Mikrobiologie und der Umweltschutztechnik (sog. „weiße Gentechnik“). Deshalb sieht unser zweites Gentechnikneuordnungsgesetz Verfahrenserleichterungen für gentechnische Arbeiten vor.
Der Einsatz der Gentechnik in der Lebensmittelproduktion („Grüne Gentechnik“) aber darf weder den Landwirt/innen noch den Verbraucher/innen aufgezwungen werden. Die große Mehrheit der Verbraucher/innen lehnt gentechnisch veränderte Lebensmittel ab: Deshalb ist es unsere Pflicht dafür zu sorgen, dass auch in Zukunft gentechnikfreie Lebensmittel erzeugt und angeboten werden können! Hierfür werde ich mich auch nach meiner Wiederwahl einsetzen und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger auch für die Sicherstellung gentechnikfreier Lebensmittelerzeugung einsetzen.
Die Union will das Vorsorgeprinzip und die Sicherheitsmaßnahmen aus dem Gentechnikgesetz streichen. Damit steht die Zukunft der gentechnikfreien Landwirtschaft auf dem Spiel!

Die VerbraucherInnen würden keine echte Wahl mehr haben zwischen gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Produkten, der Bestand der gentechnikfreien Landwirtschaft wäre bedroht, und viele Arbeitsplätze in der gentechnikfreien Lebensmittelerzeugung würden gefährdet, so z.B. im äußerst erfolgreichen Ökolebensmittelsektor, wo sich die die Anzahl der Arbeitsplätze in den letzten 10 Jahren auf 150.000 verdoppelt hat.

Nach den Plänen der CDU/CSU

- sollen GVO-Anbauer keine Verantwortung für Schäden tragen, solange sie sich an die "gute fachliche Praxis" halten. Diese Regeln sollen von der Agrogentechnik-Industrie festgesetzt werden.

- soll es keine Möglichkeit für einen Anbaustopp für einmal zugelassene Gen-Pflanzen geben, auch dann nicht, wenn sie nachweislich Genkonstrukte in die Umwelt und auf Nachbarfelder übertragen.

- sollen im Schadensfall die Haftungskosten aus einem Fonds finanziert werden. Die Finanzierung ist unklar: Entweder er wird von der Allgemeinheit getragen und aus Steuermitteln finanziert, oder die gesamte Landwirtschaft muss einzahlen, einschließlich der Landwirte, die KEINE gentechnisch veränderten Pflanzen anbauen. D.h., dass auch diejenigen, die sich bewusst gegen Gentechnik entschieden haben oder die sogar durch GVO-Einträge beeinträchtigt worden sind, den Ausgleich mitfinanzieren sollen !

Außerdem hatten CDU/CSU und FDP im Bundesrat Änderungen am Gentechnikgesetz gefordert, die ermöglichen würden, dass künftig Gen-Konstrukte aus der Forschung, die noch keine Gesundheitsprüfung durchlaufen haben, in die Nahrungskette gelangen können. Das würde nicht nur gegen europäisches Recht verstoßen, sondern würde möglicherweise gesundheitliche Risiken mit sich bringen!

Seit dem 18. April 2004 gilt europaweit außerdem die neue Kennzeichnungpflicht für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel. Die Regelung löste die alte Novel-Food-Verordnung von 1997 ab. Sie weitet die Kennzeichnungspflicht aus und bedeutet mehr Transparenz für die VerbraucherInnen. Die Kennzeichnungspflicht ist nicht mehr nachweisbezogen (d.h. Kennzeichnung nur wenn im Endprodukt GVO nachweisbar ist) sondern sie ist anwendungsbezogen (d.h. jede direkte Anwendung eines GVOs im Verlauf der Herstellung oder Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln ist kennzeichnungspflichtig). Die Basis dieses Kennzeichnungskonzeptes ist die Rückverfolgbarkeit, die in einer eigenen EU-Verordnung (1830/2003) geregelt ist, und nach der jeder, der Zutaten oder Agrarrohstoffe aus GVOs erzeugt oder mit ihnen handelt, verpflichtet ist, Informationen über alle in einem Lebensmittel oder Rohstoff vorhandenen GVOs an die nachfolgende Verarbeitungsstufe weiterzuleiten. Damit ist der Weg eines GVOs von der Erzeugung bis zum Endprodukt nachvollziehbar.

Mit der neuen Kennzeichnungsverordnung wurde der Schwellenwert für die Kennzeichnung von Lebensmitteln bei einer zufälligen und technisch unvermeidbaren Verunreinigung mit GVO auf 0,9% abgesenkt (früher 1%). Außerdem sind erstmals auch gentechnisch veränderte Futtermittel kennzeichnungspflichtig geworden. Allerdings fand sich auf EU-Ebene leider keine Mehrheit für eine Ausdehnung der Verordnung auf tierische Produkte. Dies ist bedauerlich.

Die SPD hat sich immer für eine umfassende Kennzeichnungspflicht eingesetzt. Die Ausweitung der Regelung und die Einbeziehung der Futtermittel haben wir unterstützt, denn dies bringt mehr Transparenz für die Verbraucher/innen. Wir werden uns deshalb auch weiterhin für die Aufnahme tierischer Produkte - Milch, Eier, Käse, Fleisch von Tieren, die mit GVO gefüttert wurden - in den Geltungsbereich der EU-Verordnung einsetzen. Die Verbraucher/innen sollen wissen, was sie kaufen und sie sollen bewusst auswählen können.

Zur strengen Überwachung der Kennzeichnungsregelungen haben wir mit dem Gentechnik-Durchführungsgesetz Sanktionsmaßnahmen bei Verstößen durchgesetzt, die bis zu 50.000 Euro Strafe und bis zu 3 bzw. 5 Jahren Freiheitsentzug betragen können. Uns war es wichtig, dass solche Verstöße nicht „aus der Portokasse“ bezahlt werden können.

Die Opposition hat jede Ausweitung der Kennzeichnungspflicht als zu weitreichend, nicht praktikabel und als Überforderung der VerbraucherInnen abgelehnt. Mündige KonsumentInnen kommen in der Politik von CDU und FDP nicht vor! Auch die Sanktionen bei Verstößen gegen die Regelung haben wir gegen ihren Widerstand verteidigt und durchgesetzt. CDU und FDP hatten diese Maßnahmen als überzogen hart abgelehnt.
Die EU-Kommission wird demnächst erneut einen Vorschlag zur Kennzeichnung von Saatgut vorlegen, der Schwellenwerte dafür enthält, ab welchem Anteil von gentechnischen Verunreinigungen im Saatgut dieses Saatgut als GVO-haltig gekennzeichnet werden muss. Ein erster Vorschlag der EU-Kommission - der aber auf Druck aus mehreren Ländern, darunter Deutschland, zurückgezogen wurde - sah relativ hohe Schwellenwerte vor. Mais z.B. sollte erst ab einem Anteil von 0,5% GVO-Verunreinigungen gekennzeichnet werden. (0,5% bedeutet, dass ungefähr jede 200ste Pflanze auf einem Feld gentechnisch verändert ist.)

Für den Erhalt der gentechnikfreien Landwirtschaft, für die Transparenz und für die Wahlfreiheit der VerbraucherInnen und der LandwirtInnen ist eine konsequente Kennzeichnung des Saatguts von größter Bedeutung, denn das Saatgut ist die Basis der Lebensmittel- und Futtermittelproduktion, das erste Glied der Herstellungskette.

Wir wollen Transparenz: Wir wollen, dass auch auf dem Saatgut draufsteht, was drin ist. Wenn in Saatgut GVO nachgewiesen werden kann, soll dies auch als GVO-haltig gekennzeichnet werden müssen. Wir wollen einen Schwellenwert an der Nachweisgrenze, denn nur so können LandwirtInnen bewusst zwischen gentechnisch verändertem und gentechnikfreiem Saatgut wählen. Nur so kann der Bestand der gentechnikfreien Landwirtschaft gesichert werden, und nur so können den VerbraucherInnen auch weiterhin gentechnikfreie Produkte angeboten werden. In einem Antrag „Wahlfreiheit für die Landwirte durch Reinheit des Saatgutes sicherstellen“ (Drs. 15/2972) haben wir die Bundesregierung aufgefordert, sich auf EU-Ebene für die Reinhaltung des Saatgutes einzusetzen, und sich bei der Diskussion um einen Vorschlag der EU-Kommission für Schwellenwerte bei der Kennzeichnung von GVO-haltigem Saatgut für die Nachweisgrenze stark zu machen.

CDU/CSU und FDP haben sich auch hier unter dem Mäntelchen der „Praktikabilität“ für möglichst laxe Schwellenwerte ausgesprochen, die dort Gentechnikfreiheit vorgaukeln, wo keine ist. Sie leisten damit einer schleichenden – weil nicht gekennzeichnet und unerkannten – Einführung von GVO in die gesamte Landwirtschaft Vorschub. Sie gefährden die gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion samt der dortigen Arbeitsplätze, und sie spielt mit dem Vertrauen der VerbraucherInnen. Einmal mehr beweisen sie ihre Bereitschaft, die Interessen der Landwirt/innen und der Verbraucher/innen zugunsten einiger weniger Saatgutkonzerne zu opfern!

Mit freundlichen Grüßen
Nina Hauer, MdB