Frage an Niels Annen von Carsten M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Annen,
als Staatsbürger, Wähler und nicht zuletzt als Betroffener bitte ich Sie hiermit herzlich darum, mir Ihre Ansicht und Ihre Pläne bezüglich einer nunmehr dringend fälligen, anständigen "Entschädigung" der noch lebenden Contergan-Opfer in Deutschland mitzuteilen.
Das Wort "Entschädigung" musste hier selbstverständlich in Anführungszeichen gesetzt erscheinen, da ja doch offenbar sein sollte, dass niemand von uns je "ent-schädigt" werden kann; jedoch müsste ebenso außer Frage stehen, dass "wir Betroffenen" einen Anspruch darauf haben, in unserem jeweiligen Leben in angemessener Weise Unterstützung zu erfahren!
Dies ist dringlichst geboten!
Die in diesem Jahr verwirklichte Erhöhung der Renten kann nur ein erster Schritt gewesen sein; eine Verdoppelung von "äußerst ungenügend" ergibt immer noch nur "ungenügend". Zudem hatte diese Erhöhung keinen rückwirkenden Charakter.
Ausgerechnet im Mutterland von Contergan sind die Zahlungen weit geringer als irgendwo sonst in Europa.
Der Herstellerfirma Grünenthal, dem Unternehmen Mäurer&Wirtz und nicht zuletzt der Eigentümerfamilie Wirtz geht es blendend ...
Seit dem 18.09.2008 befinden sich – wie Sie sicher wissen – einige Betroffene in einem Hungerstreik … der Besuch eines Spitzenpolitikers vor Ort steht immer noch aus.
Muss erst jemand zu Tode kommen, bevor etwas geschieht?
Ihrer geneigten Antwort sehe ich mit Ungeduld entgegen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Carsten Möller
Sehr geehrter Herr Möller,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 29. September. Zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass ich vor der Lebensleistung Contergan-Geschädigter größten Respekt habe. Die schwierige Lage contergangeschädigter Menschen, auch und insbesondere was den finanziellen Aspekt anbelangt, ist mir bewusst. In meiner Bürgersprechstunde habe ich mich erst vor kurzem mit einem betroffenen Bürger intensiv darüber unterhalten.
Auch nach der Renten-Verdopplung sieht die SPD-Bundestagsfraktion Handlungsbedarf, um die Lage der Contergan-Geschädigten zu verbessern. Aus diesem Grund werden wir in den nächsten Wochen gemeinsam mit der Unionsfraktion einen Gesetzentwurf zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes in den Bundestag einbringen. Dieser ermöglicht es, den Conterganopfern ab dem Jahr 2009 zusätzlich lebenslang eine jährliche Sonderzahlung von ca. 3.000 Euro auszuzahlen Die Höhe dieser Einmalzahlung richtet sich nach dem Schweregrad der Schädigung. Das Geld wird aus dem Stiftungsvermögen der Conterganstiftung aufgebracht, in die der Bund aus dem Kapitalstock 50 Mio. Euro einbringt. Weitere 50 Mio. Euro werden von der Firma Grünenthal bezahlt.
Des weiteren ist geplant, die Bundesregierung aufzufordern, Forschungsprojekte zu den Spätfolgen der Schädigung zu initiieren. Eine interministerielle Arbeitsgruppe arbeitet zudem an Vorschlägen zur Verbesserung der Kostenübernahme von Behandlungen bei Conterganschäden durch die Gesetzliche Krankenversicherung. Das Bundesgesundheitsministerium versucht, durch Gespräche mit den verschiedenen Organisationen des Gesundheitswesens sicherzustellen, dass Contergan-Geschädigte alle Leistungen erhalten, die medizinisch geboten sind. Außerdem hat die SPD-Bundestagsfraktion den Geschädigten zu ihrem längst überfälligen Anrecht auf einen Behindertenparkplatz verholfen.
Mit all diesen bereits erreichten und noch geplanten Maßnahmen hat die SPD-Bundestagsfraktion die Probleme der Contergan-Geschädigten aufgegriffen, für konkrete Lösungen gesorgt und einen wirklichen Fortschritt für die Betroffenen erreicht. Die am schwersten Geschädigten erhalten aus Bundes- und Stiftungsmitteln ab 2009 jährlich Aufwendungen in Höhe von ca. 16.000 Euro, die sie für Maßnahmen verwenden können, die die Sozialversicherungen nicht übernehmen. Diese Summe ist steuerfrei und wird zusätzlich zu sonstigen Einkünften bezahlt.
Wir haben Verständnis dafür, dass Betroffene, die noch weitergehende Forderungen haben, ihren Protest äußern. Der Bund wird aber keine weiteren finanziellen Leistungen mehr übernehmen – nicht zuletzt aus Gründen der Gleichbehandlung gegenüber Menschen mit ähnlichen Behinderungen, die nicht durch die Einnahme von Thalidomid verursacht wurden, aber unter denselben Spätfolgen leiden. Daran wird auch die Ankündigung oder gar Durchführung eines weiteren Hungerstreiks, den ich grundsätzlich für kein adäquates Mittel halte, nichts ändern können.
Ich hoffe, dass die contergangeschädigten Menschen aus Solidarität mit anderen behinderten Menschen diese Haltung akzeptieren und respektieren und die erreichten und vereinbarten Verbesserungen anerkennen.
Wie Sie sehen, arbeitet die SPD-Bundestagsfraktion derzeit weiterhin intensiv daran, die Lage der Contergan-Geschädigten zu verbessern und zu erleichtern - wohl wissend, dass die Ihnen zugefügten gesundheitlichen Schäden und die seelische Belastung damit nicht ausgeglichen werden können. Wir wollen aber einen Beitrag dazu leisten, dass Betroffene ihr Leben besser meistern können.
Mit freundlichen Grüßen
Niels Annen