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Niels Annen
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Frage von Alexander W. •

Frage an Niels Annen von Alexander W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Annen,

mit Interesse habe ich im letzten "Zeit-Dossier" den Bericht über Ihre Afghanistan-Reise gelesen, in dem deutlich Ihre Nachdenklichkeit, vielleicht auch Ratlosigkeit hinisichtlich eines weiteren Bundeswehreinsatzes zum Ausdruck kommt.
Meine Fragen:
Fühlen Sie Ihre Erfahrungen, Einstellungen und Unsicherheiten in dem Bericht angemessen wiedergegeben?
Und:
Welche Gründe außer Partei- bzw. Fraktionsloyalität kann es für Sie geben, einer Verlängerung des BW-Einsatzes zuzustimmen?

Mit freundlichen Grüßen,

Alexander Weil

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weil,

zunächst einmal vielen Dank für Ihre Geduld, den Grund für die verspätete Antwort hatte ich Ihnen ja schon in meiner Antwort vom 30.10. mitgeteilt. In der Zwischenzeit habe ich mich mit dem Autor des besagten Artikels treffen und ihm meine Ansichten persönlich mitteilen können, was mir wichtig war, bevor ich mich in diesem Forum dazu äußere.

Lassen Sie mich zuerst kurz erwähnen, dass die Rückmeldungen, die ich auf den Artikel erhalten habe, in etwa so unterschiedlich waren wie die scheinbar möglichen Lesarten und Interpretationen des Artikels.

Sie fragen, ob ich meine "Erfahrungen, Einstellungen und Unsicherheiten in dem Bericht angemessen wiedergegeben" fände. Das hängt von verschiedenen Aspekten ab. Die Rückmeldungen zu dem Artikel zeigen mir, dass niemand den Artikel neutral liest, sondern jeder die Aussagen des Artikels im Lichte seiner eigenen bereits vorhandenen Meinung über Afghanistan und über Auslandseinsätze der Bundeswehr im allgemeinen interpretiert. Ich wiederum habe den Artikel vor allem im Lichte dessen gelesen, was der Journalist mir gegenüber als das Ziel seiner Recherche dargestellt hat. Ich habe seinem Anliegen, mich auf meine zehntätige Reise nach Afghanistan zu begleiten, entsprochen, weil er darstellen wollte, nach welchen Kriterien ein Mitglied des Bundestages für oder gegen die Mandatsverlängerungen von ISAF und OEF stimmt. Sagen Sie mir: Haben Sie den Eindruck, dass Sie nun besser beurteilen können, wie ein Abgeordneter sein Urteil fällt? Dann hätte der Artikel und sozusagen das gemeinsame Projekt ja sein Ziel erreicht, denn auch mir ist es wichtig, die Bürger umfassender an den Entscheidungen über das Afghanistan-Engagement der Bundesrepublik teilhaben zu lassen.

Allerdings scheint bei einigen Lesern und offenbar ja auch bei Ihnen, wenn ich Ihre zweite Frage richtig deute, der Eindruck zu überwiegen, dass ein Abgeordneter oder zumindest ich vor allem unter Partei- oder Fraktionskriterien entscheide. Dass meine Partei und meine Fraktion sicherlich zentrale Bezugspunkte meines politischen Handelns sind, hat der Artikel richtig herausgearbeitet. Allerdings hat dies nicht allein mit persönlichen Lebens- und Karriereentscheidungen zu tun, wie manche Leser dem Artikel entnommen haben, sondern entspricht vielmehr der Stellung, die den politischen Parteien laut Grundgesetz in unserem politischen System zukommt. Das Verständnis bzw. der Respekt für die zentrale Bedeutung, die Parteien in unserem politischen System spielen, fehlt mir allerdings nicht nur in diesem Artikel, sondern leider immer häufiger in den Medien. Die meines Erachtens abschätzigen Zeilen gegen Ende des Artikels über meine Bemühungen im Wahlkreis sind ein weiteres Zeichen dafür, dass das Verständnis für die vielen Facetten von politischer Arbeit begrenzt ist. Ich sollte an dieser Stelle aber erwähnen, dass es gerade diese Zeilen waren, auf die ich von Lesern aus meinem Wahlkreis die positivsten und bestärkendsten Rückmeldungen erhalten habe.

Zu Ihrer zweiten Frage: Natürlich betrachte ich Afghanistan auch unabhängig von Partei- und Fraktionsaspekten. Sonst hätte ich das Land nicht mehrmals und stets für einen längeren Zeitraum bereist und immer auch Gespräche jenseits der üblichen offiziellen Programmpunkte geführt. Ich pflege intensiven Kontakt zu afghanischen Politikern und zivilgesellschaftlichen Aktivisten und habe im September zum Beispiel einen Praktikanten aus Afghanistan in meinem Büro betreut. All das verlangen weder Partei noch Fraktion von mir, sondern entspringt meiner Sympathie für Land und Leute und meinem Anspruch, unseren Versprechen an das afghanische Volk gerecht zu werden. Seit meinem schulpolitischen Engagement und später bei den Jusos verstehe ich mich auch als Friedenspolitiker. In der deutschen Afghanistan-Politik sehe ich viele Möglichkeiten, meine friedenspolitischen Prinzipien in die Tat umzusetzen.

Ich finde, der Artikel stellt gut dar, wie vielschichtig die Probleme und Konflikte in Afghanistan sind.Er zeigt auf, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Er macht vielleicht nicht so deutlich, dass sich viele Leute und Institutionen tatsächlich ernsthaft um Lösungen bemühen. Gerade dafür setze ich mich aber in meiner Arbeit ein. Dies wird auch von vielen wahrgenommen, auch wenn das meiste davon hinter den Kulissen geschehen muss.

Ich finde auch, dass der Autor des Artikels großen Mut und großes Engagement gezeigt hat, indem er sich auf so eine zehntägige Reise unter nicht immer einfachen Bedingungen eingelassen hat. Immerhin hatte er sich vorher meines Wissens nach nicht mit Afghanistan beschäftigt, so dass die Eindrücke für ihn umso stärker gewesen sein müssen. Aus Sicht des Beobachteten hätte ich mir allerdings gewünscht, dass er seine Situation als "embedded journalist" kurz im Artikel anspricht. Vielleicht wäre dies auch ein Beitrag zur Rolle der Medien im Konflikt um Afghanistan gewesen. Dies war nicht das Ziel seines Artikels, das ist richtig. Aber die Medienberichterstattung hat eine Menge damit zu tun, mit welchen Kenntnissen Bevölkerung und Politik in Europa über den Konflikt urteilen.

Mit freundlichen Grüßen,
Niels Annen

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