Frage an Niels Annen von Jan C. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Annen,
Ihre Bemerkungen im heutigen DLF-Interview bzgl. Tibet und einem möglichem Olympia-Boykott haben mich sehr verwundert, insbesondere da Sie auch stellvertretendes Mitglied im Ausschuss Menschenrechte sind.
(Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/759876/)
Würden Sie die Feier eines Bekannten oder Geschäftspartners besuchen(und damit aufwerten, als MdB sind Sie ja ein Promi), der nachweislich und selbst vor laufenden Kameras seine Angehörigen misshandelt, weil Ihr Fernbleiben dieses Unrecht ja auch nicht stoppen würde?
Mit freundlichem Gruß
Jan Crepaz
Sehr geehrter Herr Crepaz,
ich möchte Ihnen versichern, dass ich als Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses das in meiner Macht Stehende unternehme, um den politischen Druck auf die chinesische Regierung zu erhöhen, damit den Menschenrechten in Tibet und in China Geltung verschafft wird. Zu diesem Zweck hat bereits die rot-grüne Bundesregierung einen ernsten Dialog mit China über Rechtstaatlichkeit begonnen, den die neue Bundesregierung weiterführt. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass dies durchaus zu Fortschritten im Gebahren der chinesischen Verwaltung und Justiz geführt hat.
Auch die Bundesregierung hat umfassend ihrer Sorge Ausdruck verliehen. So haben sich Bundeskanzlerin Merkel und Bundesaußenminister Steinmeier nach Bekanntwerden der Zwischenfälle am 15. März an die chinesische Regierung. Sie brachten damit die Besorgnis der Bundesregierung über die Entwicklung in Tibet nach den Protesten der letzten Tage in Lhasa sowie die Erwartung, dass die chinesische Regierung nicht gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vorgeht, zum Ausdruck. Denn eine Lösung der Probleme in Tibet ist nur auf friedlichem Wege möglich, Deutschland erwartet deshalb die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen den Repräsentanten des Dalai Lama und der chinesischen Regierung. Nur durch einen solchen Dialog kann für alle Beteiligten eine befriedigende Lösung im Rahmen der Autonomie Tibets in China gefunden werden. Auch die EU wandte sich mit einer Erklärung auf der gleichen Linie an die chinesische Regierung. BM Steinmeier führte noch am 16. März 2008 ein Telefonat mit seinem chinesischen Amtskollegen Yang Jiechi. Bundesministerin Wieczorek-Zeul kündigte am 19.03.08 an, dass das BMZ die für Mai geplanten Regierungsverhandlungen mit China auszusetzen, falls es zu einer Fortsetzung der Gewalt komme.
Der Rechtsstaatsdialog ist meines Erachtens auch in einer kritischen Situation wie dieser zentral und sollte in seiner Wirksamkeit nicht unterschäzt werden. Boykotte können ein Zeichen des Protests sein, doch verhindern sie nicht andauernde Menschenrechtsverletzungen. Ich setze mich daher dafür ein, den diplomatischen Druck auf China zu erhöhen, wie dies zum Beispiel durch die Aussetzung der Regierungsverhandlungen durch Bundesentwicklungsministerin Wieczorek-Zeul gelingt.
Die derzeitige Debatte, auch über eventuelle Boykottmaßnahmen, sind jedoch ein starkes Zeichen gegenüber China, dass Menschenrechte in der globalisierten Welt über eine weltweite Lobby genießen. Ich führe regelmäßig Gespräche mit chinesischen Diplomaten und Politikern in Deutschland und in China. Für den Schutz der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit werde ich in diesen Gesprächen auch weiterhin eintreten.
Ich versichere Ihnen, dass ich in den Ausschussitzungen und Plenumsdebatten im Bundestag in der kommenden Woche Forderungen, wie sie mich von Ihnen und weiteren besorgten Bürgern erreicht haben, Ausdruck verleihen will.
Mit freundlichen Grüßen,
Niels Annen