Frage an Niels Annen von Sebastian H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Niels,
als Genosse enttäuscht mich Deine Abstimmung zur Vorratsdatenspeicherung. Fraktionsdisziplin in Ehren, aber hier geht es um das was ich durchaus als Gewissensentscheidung bezeichnen würde, warum machst Du da mit.
Gleichzeitig möchte ich Dir empfehlen, die Fragen zu beantworten, um mit dem Verdacht des Verlustes der Bodenhaftung aufzuräumen.
Liebe Grüße Sebastian
Lieber Sebastian,
vielen Dank für Deine Anfrage vom 13. November zum Thema Vorratsdatenspeicherung. Entschuldige bitte vielmals die verspätete Antwort.
Es ist nun bereits mehrfach angesprochen worden, dass ich bei der namentlichen Abstimmung am 09. November dem Regierungsentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG zugestimmt habe. Zu behaupten, dass mir diese Entscheidung leicht gefallen ist, wäre schlichtweg falsch. Wie bereits meinen vorherigen Antworten zu entnehmen ist, habe ich nach wie vor Bedenken gegenüber der obligatorischen Speicherung von personenbezogenen Telekommunikationsdaten. Für eine Ablehnung des Regierungsentwurfs mit Berufung auf die Gewissenfreiheit der Abgeordneten waren die Bedenken nach gründlicher Prüfung letztendlich allerdings nicht schwerwiegend genug.
Die gesetzlichen Neuregelungen enthalten keine fundamentale Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte, was letztlich ein Erfolg des unermüdlichen Einsatzes der Rechtspolitiker in der SPD-Fraktion ist. Der generell geltende Richtervorbehalt für den Zugriff auf von Telekommunikationsunternehmen gespeicherte Verbindungsdaten, das ausdrückliche Verbot des Rückgriffs auf Informationen, die zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gehören sowie die Beschränkung des Zugriffs und der Verwertung auf „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ stellen hohe Hürden für die staatlichen Ermittlungen dar.
In Anbetracht der Tatsache, dass das Parlament und die Regierung nur funktionsfähig sind, wenn demokratischen Mehrheitsentscheidungen der Fraktionen ausschließlich in begründeten Ausnahmefällen von den Abgeordneten missachtet werden, habe ich mich gegen eine Ablehnung des Entwurfs entschieden. Wichtig ist, dass die Hürden so hoch gesetzt wurden, dass die persönlichen Daten der Bürgerinnen und Bürger nicht ohne weiteres von staatlichen Institutionen eingesehen werden können. So wichtig Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung sind, sie dürfen den freiheitlichen Rechtstaat nicht untergraben.
Ich bin gespannt, ob die Hüter des Grundgesetzes in Karlsruhe nach der Verfassungsmäßigkeitsprüfung zu einer ähnlichen Beurteilung des Gesetzes kommen werden.
Ich hoffe, dass Du meine Positionen nachvollziehen kannst und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Niels Annen