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Niels Annen
SPD
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Frage von Rudolf M. •

Frage an Niels Annen von Rudolf M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Annen,

bei der letzten Bundestaswahl gab ich der SPD beide Stimmen, deshalb darf ich Sie wohl als meinen Parlamentsvertreter betrachten.

In diesem Zusammenhang 3 Fragen:

1. Stimmen Sie der Meinung Ihres Vorsitzenden zu, der sich in bezug auf den aktuellen Streik bei der Bahn auf die Seite des Kapitals (Bundesbahn/Mehdorn/SPD) stellte (..."die Bahn muss stur bleiben...") und legitime Arbeitnehmerrechte damit bestreitet (siehe auch Ärzte, Piloten, Fluglotsen)?

2. Soll damit eine für die Transnet (Vorsitzender Hansen/SPD) unbequeme Konkurrenz (GDL) möglichst ausgeschaltet werden, damit die vielfältigen Verflechtungen Transnet / SPD erhalten möglichst unbeeinträchtigt erhalten bleiben?

3. Werden Sie der Erhöhung der Abgeordnetendiäten zustimmen, wohl wissend, dass allein der Erhöhungsbetrag (knapp 700,00 Euro) weit größer ist als das verfügbare monatliche Einkommen eines Harzt IV-Empfängers?

Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Mannke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Mannke,

vielen Dank für Ihre Fragen vom 11. November zu den Themen Tarifstreit der Bahn und Erhöhung der Abgeordnetendiäten. Entschuldigen Sie bitte vielmals die verspätete Antwort.

Selbstverständlich unterstütze ich grundsätzlich die Gewerkschaften und ihre Bemühungen für die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nicht zuletzt deswegen bin ich selbst Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft. Auch wenn Gewerkschaften und SPD mitunter Meinungsverschiedenheiten haben, so wird doch nie vergessen, dass beide aus der Arbeiterbewegung entstanden sind und sich den Interessen der arbeitenden Bevölkerung verpflichtet fühlen. Trotzdem oder gerade deshalb muss man die Entwicklungen des Arbeitskampfes in Deutschland differenziert betrachten.

Traditionell ist es in Deutschland so, dass die jeweilige DGB-Gewerkschaft mit dem Arbeitgeber Tarifverhandlungen führt und die Beschäftigten dieses Arbeitnehmers dann (ggf. nach einem Streik) in den Genuss des Tarifergebnisses kommen. In den letzten Jahren haben jedoch spezialisierte Branchengewerkschaften wie der Marburger Bund, die Vereinigung Cockpit oder die GDL durch ihre Arbeitskämpfe immer häufiger die öffentliche Diskussion bestimmt. Aus meiner Sicht ist diese Entwicklung bedenklich, da es sich um eine dramatische Entsolidarisierung der Beschäftigten handelt. Am Beispiel der Krankenhäuser kann man die negativen Auswirkungen sehr gut aufzeigen: früher hat die Gewerkschaft mit dem Arbeitgeber verhandelt und am Ende haben alle Beschäftigten – Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger oder auch Reinigungspersonal – dieselbe prozentuale Gehaltserhöhung bekommen. Wenn der Marburger Bund die Krankenhäuser der Nation lahmlegt, bekommen am Ende nur die Ärzte eine kräftige Gehaltserhöhung. Da die anderen Beschäftigten im Krankenhaus kein vergleichbares Drohpotential haben, werden die Mehrausgaben für die Ärzte in Form von Einsparungen an die weniger Privilegierten weitergegeben. Eine solche Umverteilung zu Gunsten der Gutverdiener und zu Lasten der Geringverdiener sehe ich mit großer Sorge. Mittel- und langfristig führen solche Entwicklungen zu einer immer größeren Schere zwischen Arm und Reich und zu unvermeidbaren gesellschaftlichen Spannungen. Aus diesem Grund kann ich das Vorgehen der GDL nicht befürworten – auch wenn ich dem generellen Wunsch nach höheren Gehältern der Beschäftigten der Deutschen Bahn durchaus verständnisvoll gegenüber stehe.

Nun zum Thema Diätenerhöhung: Zunächst möchte ich festhalten, dass eine öffentliche Diskussion völlig zu Recht erfolgt, denn wer ein öffentliches Amt wahrnimmt, muss sich auch Fragen nach dem Einkommen gefallen lassen. Ich habe der Erhöhung der Diäten zugestimmt und möchte gerne meine Beweggründe erläutern.

Folgende Punkte sollten bei einer sachlichen Auseinandersetzung über die Abgeordnetenbezüge bedacht werden:

Zum einen wird mit dem Gesetz der Anspruch der Parlamentarier auf Altersversorgung abgesenkt. Bislang galt: ein Abgeordneter erhält nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag für jedes Jahr seiner Mitgliedschaft eine Altersentschädigung von drei Prozent der monatlichen Diät – sofern er mindestens acht Jahre dem Bundestag angehört hat. Diese insgesamt 24 Prozent der monatlichen Diät von derzeit 7009 Euro erhält man - genau wie alle Arbeitnehmer – erst mit dem Erreichen der Pensionsgrenze. Zukünftig sollen statt drei Prozent nur noch 2,5 Prozent pro Jahr der Mitgliedschaft gezahlt werden. Nach acht Jahren im Bundestag erhält ein Abgeordneter im Alter dann nicht mehr 24 Prozent der Diät, sondern nur noch 20 Prozent. Außerdem gilt auch für die Mitglieder des Bundestags die „Rente ab 67“: Künftig bekommt ein ehemaliger Abgeordneter die Altersentschädigung also erst ab dem 67 Lebensjahr. Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalten Abgeordnete übrigens nicht.

Zum anderen wird nun ein Orientierungspunkt für die Diäten festgelegt. Viele Bürger kritisieren, dass die Abgeordneten selbst über ihre Bezüge entscheiden, und haben den Eindruck, dass wir uns selber „in die Tasche“ wirtschaften. Auch meine Kollegen und ich würden es vorziehen, unsere Bezüge durch eine unabhängige Expertenkommission festlegen zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat aber entschieden, dass die Erhöhung der Diäten vor den Augen der Öffentlichkeit durch ein Gesetz erfolgen werden muss. wir es nicht selber entscheiden müssten.

Das wirft die Frage auf: An welchen Gehältern sollen sich die Abgeordneten orientieren? Das Gesetz hält das Gehalt eines Bürgermeisters einer mittelgroßen Stadt (50.000 – 100.000 Einwohner) für einen geeigneten Bezugspunkt. Um diesen Orientierungspunkt zu erreichen, werden die Diäten - zum ersten Mal seit 2003 - zum 01. Januar 2008 um 330 Euro und zum 01. Januar 2009 um 329 Euro auf dann 7.668 Euro pro Monat angehoben. Dies entspricht einer jährlichen Gehaltserhöhung um 1,6 Prozent. Zum Vergleich: Der jüngste Abschluss in der Metallindustrie sieht eine Steigerung um 4,1 Prozent vor.

Klar ist, dass die Abgeordnete mehr verdienen als viele ihrer Wählerinnen und Wähler. Deshalb wäre es auch falsch, wenn sich Abgeordnete beklagten, sie verdienten zu wenig. Kein Abgeordneter leidet an Armut. Bei der Höhe der Diäten muss die zentrale und schwierige Frage beantwortet werden: Was ist angemessen? Was ist angemessen für die Abgeordneten, die die Interessen von jeweils etwa 250.000 Bürgerinnen und Bürgern vertreten und beispielsweise darüber entscheiden, ob deutsche Soldaten ins Ausland geschickt werden oder nicht? Was ist angemessen für die Abgeordneten, die über die Zukunft unserer Sozialpolitik, unserer Arbeitsmarktpolitik und unseres Steuersystems entscheiden?

Abgeordnete verdienen weniger als viele Führungskräfte in der Wirtschaft. Sicherlich wird niemand aus finanziellen Gründen Bundestagsabgeordneter. Denn ein Mandat ist immer nur ein Job auf Zeit, bei der nächsten Wahl kann alles wieder anders aussehen, und es gibt keine Garantie dafür, dass ein Abgeordneter danach wieder reibungslos in seinen alten Job zurückfindet. Im Gegenteil, mir sind genug Kollegen bekannt, die alles andere als „weich“ gefallen sind. Vor diesem Hintergrund finde ich persönlich die Höhe der Abgeordnetenbezüge angemessen, insbesondere wenn man bedenkt, dass ein Abgeordneter keinen achtstündigen Arbeitstag hat, sondern auch bis spätabends und am Wochenende die Interessen seines Wahlkreises vertritt.

Ich hoffe, dass Sie meine Position nachvollziehen können und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Niels Annen

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