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Niels Annen
SPD
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Frage von Jens E. •

Frage an Niels Annen von Jens E. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Annen,

können Sie sich vorstellen, dem Parteitagsbeschluss vom Wochenende folgend, zusammen mit Grünen und Linke die Einführung eines Tempolimits zu beschließen?
Oder gäbe es wieder so einen Eiertanz wie beim Mindestlohn-Antrag der Linken, wo die SPD entgegen Ihrer Überzeugung mit Nein gestimmt hat?
Entweder es geht um inhaltliche Überzeugung, oder es geht um Koalitionsräson. Meiner Meinung nach sollte ersteres die Richtschnur eines Abgeordneten sein.

Mit freundlichen Grüßen
Jens Erler

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Erler,

vielen Dank für Ihre Frage vom 28. Oktober 2007 zum Thema Tempolimit. Bitte entschuldigen Sie, dass es mit der Beantwortung so lange gedauert hat.

Um Ihre Frage ganz direkt zu beantworten: Nein, ich kann mir nicht vorstellen, zusammen mit den Grünen und der Linkspartei ein Tempolimit gemäß dem Beschluss der SPD in Hamburg einzuführen.

Die Gründe dafür haben weniger mit dem von Ihnen erwähnten „Eiertanz“ zu tun als mit folgenden Überlegungen: Was würde geschehen, wenn die SPD zusammen mit den Grünen und der Linkspartei im Bundestag ein Tempolimit beschlösse? Im Extremfall wäre noch vor der dritten Lesung des Antrags die Koalition zerbrochen, der Bundestag aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben – und mit Sicherheit kein Tempolimit eingeführt. Nun mag der Bruch der großen Koalition in den Augen einiger Bürgerinnen und Bürger kein wirkliches Schreckensszenario sein – ihn aber wegen eines Anliegens zu riskieren, das nicht einmal umgesetzt wird, scheint mir doch mindestens ineffektiv.

In diese Richtung möchte ich auch Ihren Hinweis auf den Mindestlohnantrag der Linken aufgreifen: Was wäre geschehen, wenn wir dem Antrag damals zugestimmt hätten? Wahrscheinlich das, was ich Ihnen gerade beschrieben habe; wiederum ohne dass ein Mindestlohn am Ende Realität geworden wäre. Wir wären dann zwar sicherlich heldenhaft untergegangen, aber es wäre keinem einzigen Menschen im Lande geholfen gewesen. Und das ist wenigstens für mich – Sie mögen das anders sehen – immer noch die entscheidende Aufgabe der Politik.

Wie ist dagegen die Situation im Moment? Wir haben (zugegebenermaßen nach schwierigen Verhandlungen) die Postdienstleister in den Mindestlohn bekommen. Die Zeitarbeiter und der Wachschutz werden folgen, das ist meine feste Überzeugung. Über das Entsende- und das Mindestarbeitsbedingungsgesetz werden wir am Ende der Legislaturperiode für zahlreiche Branchen einen Mindestlohn erkämpft haben.

Diese Überlegung führt mich direkt zu Ihrer Auffassung, dass inhaltliche Überzeugungen und nicht die „Koalitionsräson“ das (Abstimmungs-)Verhalten von Abgeordneten bestimmen sollten. Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, gibt es Abstimmungen (die gerade anstehende Beschlussfassung über die Stammzellenforschung ist beispielsweise eine solche), bei denen der so genannte Fraktionszwang aufgehoben ist, jede und jeder Abgeordnete also frei entscheidet. Aus guten Gründen ist das aber die Ausnahme. Denn was verbirgt sich hinter der von Ihnen abwertend beschriebenen „Koalitionsräson“. In meinen Augen nicht weniger als Vertragstreue und damit die Möglichkeit stabiler Regierungsverhältnisse in der Bundesrepublik. Wir haben uns im Koalitionsvertrag mit den Unionsparteien – wie in den vergangen Jahren in Verträgen mit den Grünen – auf bestimmte lange Linien und konkrete Projekte verständigt. An diese Vereinbarung sind beide Seiten gebunden – oder sollten sich gebunden fühlen, denn sie allein gewährleistet, dass politisches Handeln stetig sein kann. Letztendlich ist jedoch jeder Abgeordnete nur seinem Gewissen verpflichtet. Dementsprechend entscheide ich wie meine Kollegen von Fall zu Fall, ob ich mit der Fraktionslinie stimme oder nicht.

Ich hoffe, Sie können meine Positionen nachvollziehen und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Niels Annen
Mitglied des Deutschen Bundestages

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