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Niels Annen
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Frage von Klaus B. •

Frage an Niels Annen von Klaus B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schmidt,

warum haben Sie für die Ausweitung der Parteienfinanzierung gestimmt, ohne im Gegenzug das Firmen-Parteispendenverbot zu verbieten zur Gewährleistung der Unabhängigkeit Ihrer und aller Parteien.

Warum wird die Transparenz bezüglich der Parteispenden bei den Parteien, ihren Stiftungen und den Bundestagsabgeordneten sowie deren Referenten nicht weiter erhöht? - Ganz viele Menschen wünschen sich eine offenere Berichterstattung. Ich sehe da eindeutige Anzeichen für Abhängigkeiten, die dem Gemeinwohl schaden.

Freundliche Grüße aus München
K. v. B.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr von Birgelen,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Auch wenn mein Name nicht "Schmidt" ist, nehme ich gerne Stellung zu der Frage, warum ich und meine KollegInnen aus den Koalitionsfraktionen für die Änderung des Parteiengesetzes und der Parteienfinanzierung gestimmt haben.

In Deutschland gibt es eine staatliche Teilfinanzierung der Parteien. Diese dient der Wahrung der Chancengleichheit der Parteien, damit nicht Parteien, die auf Grund ihrer politischen Positionen viele und hohe Spenden - etwa von finanzstarken Konzernen - erhalten, im politischen Wettbewerb bevorteilt werden.

Die Kriterien für die staatliche Finanzierung sind im Parteiengesetz transparent und nachvollziehbar geregelt. Die Finanzierung der politischen Parteien ist außerdem durch eine Obergrenze gedeckelt.

Seit 2013 wird diese absolute Obergrenze jährlich gemäß eines vom Statistischen Bundesamt ermittelten und für Parteiausgaben typischen, Preisindexes angepasst. Dieser Index berücksichtigt steigende Kosten in den Bereichen, die der Index abbildet, also im Wesentlichen die Inflation. Erstmals seit dem Jahr 2011 soll die absolute Obergrenze für die Gesamtsumme der staatlichen Mittel, mit denen in einem Jahr alle Parteien unterstützt werden, einmalig von 165 Mio. Euro auf 190 Mio. Euro erhöht werden. Denn obwohl die Parteien aufgrund von selbsterwirtschaftete Einnahmen eine Summe von mittlerweile ca. 190 Mio. Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung beanspruchen könnten, kommt diese wegen der aktuellen Höhe der absoluten Grenze nicht zum Tragen, sondern wird aktuell um etwa 27 Millionen Euro gekürzt.

Die Erhöhung ist auch notwendig, da die oben genannten Kriterien keine Kosten berücksichtigen, die den Parteien durch erhebliche Veränderungen politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen im Rahmen der ihnen durch Art. 21 Absatz 1 Satz 1 unseres Grundgesetzes übertragenen Aufgaben entstehen. Solche Veränderungen haben in den letzten Jahren stattgefunden.

Wir erleben überall die Digitalisierung unserer Welt. Industrie 4.0, Arbeit 4.0, Big Data, Social Media, usw. sind die Stichworte, die wir alle kennen. Die Meinungsbildung in unserer Demokratie findet zunehmend in einem „digitalen Kontext“ statt. Nicht nur die Wirtschaft und insbesondere die Medien investieren massiv in die Digitalisierung. Vor allem die Feinde der Demokratie nutzen das Internet und die Sozialen Medien massiv für ihre demokratiefeindliche Propaganda, Hetze gegen Andersdenkende und die Verbreitung von Fake News. Gezielte Kampagnen beeinflussen immer mehr im Netz nicht nur die Entwicklung der öffentlichen Meinung, sondern sie beeinflussen in entscheidender Weise mittlerweile auch den Ausgang von Wahlen.

Politische Willensbildung findet immer weiter zunehmend digital statt. Parteien haben den verfassungsmäßigen Auftrag, an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Ob sie wollen oder nicht, auch sie müssen zur Sicherstellung dieses Auftrages die neuen digitalen Kommunikationswege aktiv nutzen und auf den neuen Plattformen präsent sein. Die Kommunikation muss dabei auch online in einem geschützten Raum stattfinden können, muss darüber hinaus gegen Cyberangriffe geschützt werden und wird dadurch technisch und finanziell gleichsam anspruchsvoller. Neue Instrumente der innerparteilichen Willensbildungs- und Beteiligung sowie anspruchsvollere Transparenz- und Rechenschaftsanforderungen erhöhen den Aufwand noch einmal erheblich.

Um den Parteien die Wahrnehmung dieser neuen Aufgaben und Erfordernisse im Rahmen ihres Verfassungsauftrages zu ermöglichen, soll die absolute Obergrenze einmalig angehoben werden. Künftig gilt dann wieder die jährliche Anpassung nach dem Preisindex.

Der zuständige Innenausschuss des Deutschen Bundestages hat zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen eine öffentliche Sachverständigenanhörung durchgeführt. Alle Sachverständige und Experten haben bestätigt, dass die unabhängige Finanzierung für die politischen Parteien notwendig sei und sich bewährt habe. Auch die jetzt geplante Anhebung der absoluten Obergrenze um 25 Millionen sei absolut verhältnismäßig. Es wurde auch noch einmal betont, dass das gegenwärtige System der staatlichen Parteienfinanzierung transparent sei und im Moment durch keine besseren Konzepte ersetzt werden könne. Dieses sehr transparente System, das auch eine jährliche Veröffentlichung der Parteienfinanzierung garantiere, sei auch besser als dubiose Geldquellen bekannter populistischer Parteien. Die staatliche Parteienfinanzierung sei keine Selbstbedienung, das stehe den Parteien zu, um mithalten und von Spendern und wirtschaftlicher Einflussnahme unabhängig arbeiten zu können. Es ist auch abschließend festzuhalten, dass die staatliche Parteienfinanzierung weniger als 50 Prozent der Gesamteinnahmen der Parteien ausmacht.

Nicht nur die SPD, sondern alle – auch alle im Bundestag vertretenen – Parteien werden jetzt höhere staatliche Zuwendungen erhalten.

Was das Verbot von Firmenspenden an Parteien betrifft, so will die SPD diese nicht verbieten, da es nicht zu mehr Transparenz führt, wenn Privatleute spenden. Allerdings forderten wir bereits im Wahlkampf, für Parteispenden eine jährliche Höchstgrenze von 100.000 Euro pro Spenderin oder Spender einführen. Zudem wollen wir Sponsoring im Parteiengesetz regeln. Die Einnahmen daraus sollen im Rechenschaftsbericht veröffentlicht werden. Allerdings konnten wir diese Forderung im jetzigen Gesetzgebungsverfahren nicht gegen die Unionsfraktionen durchsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Niels Annen

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