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Niels Annen
SPD
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Frage von Harry H. •

Frage an Niels Annen von Harry H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Annen,

werden sie bezüglich der erzielten Sondierungsergebnisse für Koalitionsverhandlungen stimmen?
Und wenn ja, wieso?

Es erscheint mir aus einer linksliberalen Sicht schwer erträglich diese Ergebnisse guten Gewissens als gut, oder auch nur akzeptabel zu verkaufen.

- es wird nicht einmal mehr versucht so zu tun, als werde man sich bemühen die Klimaziele zu erreichen
- man hat auf Ebene von Bürgerrechten von Flüchtlingen auf ganzer Linie versagt und den Wünschen der durchgeknallten 6% Partei nachgegeben
-keine höheren Steuern für Spitzenverdiener (goodbye soziale Gerechtigkeit)

Kein Wunder, dass es so noch auf unter 20% geht, Rückgängigmachen von Reformen bei der Krankenversicherung ersetzen kein originäres linkes Profil.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Mail. Der Parteitag ist inzwischen vorbei, ich bin in Berlin und verfolge die Koalitionsverhandlungen. Sie haben verfolgen können, dass ich für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen gestimmt habe. Dennoch möchte ich Ihnen noch persönlich antworten.

Die Gründe für meine Entscheidung habe ich vor dem Parteitag in der Erklärung " Aus Verantwortung für Deutschland und Europa - und die SPD" deutlich gemacht, die ich mit vielen anderen SPD-PolitikerInnen gemeinsam vor dem Parteitag abgegeben habe. Der Einfachheit halber zitiere ich diese für Sie und hoffe, das Ihre Frage damit umfassend beantwortet ist.

"Die SPD führt eine intensive und wichtige Diskussion, ob und unter welchen Voraussetzungen sie sich an einer neuen Bundesregierung beteiligt. Diese Diskussion führt sie nicht nur mit sich selbst, sondern auch stellvertretend für unsere Gesellschaft. Und alle Beiträge zu dieser Diskussion verdienen Respekt, niemand in der SPD macht sich die Entscheidung leicht.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Aufrufs sind Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die in Bund und Ländern aktiv sind. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass unsere Partei nach Abwägung aller Argumente selbstbewusst in Verhandlungen über eine Große Koalition eintreten sollte. Daher rufen wir die Delegierten des bevorstehenden Bundesparteitags auf, die Chance auf solche Verhandlungen zu eröffnen. Über die Bildung einer Koalition sollen die Mitglieder im Lichte der Verhandlungsergebnisse entscheiden können:

Aus Verantwortung für Deutschland und Europa – und die SPD

Die SPD steht vor der wichtigen Entscheidung, ob sie in eine neue Koalition mit CDU und CSU eintritt. Der entscheidende Maßstab ist für uns, ob wir gemessen an unseren Werten und Zielen konkrete Verbesserungen durchsetzen können. Die SPD hat gerade in ihrem zentralen Kompetenzfeld der sozialen Gerechtigkeit Einiges erreichen können.
• In der Arbeitsmarktpolitik hat das Fördern wieder Vorrang gegenüber dem Fordern. Wir werden Beschäftigte und Arbeitslose besser qualifizieren und einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose schaffen.
• Die Wiederherstellung der Parität in der Gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Gebot der Gerechtigkeit und nützt vielen Bürgerinnen und Bürgern ganz konkret.
• Die Solidarische Grundrente wird nun endlich kommen. Die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent setzt eine Haltelinie mit Wirkung über das Jahr 2025 hinaus.
• Mit der Änderung des Grundgesetzes schaffen wir die Voraussetzung für eine Investitions¬offensive für Schulen und bessere Bildung.
• Und nicht zuletzt haben wir die Chance, einen echten Richtungswechsel in der Europäischen Union einzuleiten. Weg von der einseitigen Sparpolitik hin zu mehr Wachstum, gemeinsamer sozialer Sicherung und einem Europa der Solidarität.

Dies alles wäre nicht in einer Minderheitsregierung unter der Führung der Union und schon gar nicht in einer Jamaika-Koalition möglich. Als politische Partei ist es unsere Aufgabe, Alternativen gegeneinander abzuwägen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns ein klares Profil, aber vor allem konkrete politische Verbesserungen.

Gleichwohl haben wir größere Ambitionen, die über diese Legislaturperiode hinausgehen. Wir wollen beispielsweise mehr erreichen in Richtung sicherer und gut bezahlter Arbeit, mehr Steuergerechtigkeit, mehr Zukunftsinvestitionen und ein Ende der Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Krankenversicherten. Die anstehenden Koalitionsverhandlungen sollten genutzt werden, die bisherigen Vereinbarungen zu präzisieren und – wo immer möglich – weitere Ziele durchzusetzen.

Doch die SPD hat bei der Bundestagswahl 2017 nur 20,5 Prozent der Stimmen erlangt. Sie wird viele ihrer Ziele nur dann umsetzen können, wenn sie wieder mindestens 30 Prozent der Stimmen hat und möglichst auch die stärkste Fraktion im Deutschen Bundestag stellt. Das muss unser Anspruch bei der nächsten Bundestagswahl 2021 sein. Das geht nicht von selbst – und nicht von heute auf morgen.

Auch in Regierungsverantwortung muss die SPD als eigenständige Partei erkennbar sein. Das Ziel der Erneuerung bedeutet vor allem, unser Profil in zentralen Themenfeldern wie der Gestaltung der digitalen Arbeitswelt, der Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit, der Zukunft des Sozialstaates und der Gestaltung der Globalisierung in Verantwortung für Frieden, Umweltschutz und Entwicklung zu schärfen und kampagnenfähig zu werden. Die SPD braucht ein Projekt 2030. Daran zu arbeiten steht nicht in Widerspruch zu einer Regierungsbeteiligung. Im Gegenteil: Neues Vertrauen erwächst aus Selbstbewusstsein und konkretem Handeln in Verantwortung für die Menschen in Deutschland und Europa."

Mit freundlichen Grüßen

Niels Annen

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