Frage an Niels Annen von Tim G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Annen,
ich habe zwei Fragen an Sie als außenpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion:
Welche Rolle spielt das so genannten Visegrad-Format, in dem sich die Regierungen Deutschlands und seiner östlichen Nachbarn und weiterer ehemaliger Ostblock-Länder wie Ungarn treffen, in der aktuellen Außenpolitik?
Täuscht mich mein Eindruck, dass dieses Format nicht weiter gepflegt wird und quasi eingeschlafen ist?
Wie ist Ihre Auffassung bezüglich der Idee, dieses Format vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingskrise wieder zu beleben, um mehr europäische Solidarität der Teilnehmerländer zu erreichen?
Meine zweite Frage berührt den kommenden OSZE-Vorsitz und das 40jährige Jubiläum der Vorgängerorganisation KSZE:
Die Schlussakte von Helsinki ( https://www.osce.org/de/mc/39503?download=true ) Enthält Bestimmungen über "Kontakte und regelmäßige Begegnungen auf familiärer Grundlage" und zur Familienzusammenführung. Sehen Sie es mit dem Geist und dem Buchstaben dieser Bestimmungen vereinbar, dass in den vergangen zehn Jahren unter maßgeblicher Mitwirkung der SPD-Fraktion im Bundestag:
Die Bestimmungen über die Einreisse von Russen, Ukrainern und anderen Bürgern von Nachfolgestaaten der Sowjetunion zusehends verschärft wurden?
Wie steht es mit den Sanktionen gegen Russland, deren erste Maßnahme das Aussetzen eines Visaerleichterungsabkommens war, das v.a. familiäre Besuche erleichtern sollte.
Wie steht es mit den Spracherfordernissen beim Ehegattennachzug und den damit verbundenen ggf. wiederholten Prüfungsgebühren? In der Schlussakte steht:
"Gesuche betreffend Familienzusammenführung, denen nicht stattgegeben wird, können ... erneut eingereicht werden; sie werden ... in angemessen kurzen Zeitabständen von neuem geprüft; unter diesen Umständen werden Gebühren nur im Falle der Genehmigung des Gesuchs erhoben."
Wie beiurteilen Sie die derzeitige Praxis z.B. der Botschaft in Moskau vor diesem Hintergrund?
Mit freundlichen Grüßen
Tim Gerber
Familienvisum e.V.
Sehr geehrter Herr Gerber,
danke für Ihre Anfrage.
Das Visegrad-Format ist nach wie vor ein wichtiger Baustein in der deutschen Außenpolitik. Gerade beim Themenkomplex europäische Flüchtlingspolitik spielen die vier Mitgliedsstaaten Tschechische Republik, Ungarn, Polen und die Slowakei eine wichtige Rolle; hier ist besonders das Thema der innereuropäischen Verteilung der ankommenden Flüchtlinge ein sensibler Punkt. Am 27.07.2017 kündigten Ministerpräsident Fico und Kommissionspräsident Juncker einen gemeinsamen Gipfel der Visegradstaaten und der EU zum Thema Migration an, dessen Ergebnisse ich gespannt erwarten werde.
Die Bedingungen für Familienzusammenführung in Europa haben sich seit der Helsinki-Akte im Jahre 1975 stark verbessert. Die Fragen der Familienzusammenführung standen dort vor dem Hintergrund, Linderung für die durch den Eisernen Vorhang zwangsweise getrennten Familien zu schaffen. Dies ist nicht zuletzt durch die Beendigung des Kalten Krieges Geschichte geworden. In dieser Folge haben sich auch die Einreisebestimmungen in Bezug auf die genannten Staaten und die sogenannten Nachfolgestaaten der Sowjetunion durchaus nicht verschlechtert, so gelten derzeit z.B. die Visumfreiheit für Kurzaufenthalte bis 90 Tage für Moldau, Georgien und Ukraine und das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation ( http://www.germania.diplo.de/Vertretung/russland/de/01-konsular/7-visa/rechtliche-grundlagen.html ).
Mit freundlichen Grüßen
Niels Annen