Frage an Niels Annen von Thomas G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Annen,
Ich habe mir alle für wichtigen fragen aus der letzten Zeit durchgelesen. In allen punkteten haben sie andere Zitiert. Wie wichtig ist für wie Parlamentarische Unabhängigkeit und haben sie schon mal eine Abstimmung nicht nach den Vorgaben der Partei gestimmt?
Sehr geehrter Herr Gutek,
die Abgeordneten des Deutschen Bundestages verfügen nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG über ein freies Mandat. Es schützt sie vor Einflussnahme von Wählern, Wählergruppen, Parteien bzw. Fraktionen oder anderen politischen und wirtschaftlichen Gruppen und garantiert ihre Unabhängigkeit.
Gleichwohl sind die Abgeordneten im Deutschen Bundestag traditionell in Fraktionen organisiert. Politikerinnen und Politiker der einzelnen Fraktionen gehören ihnen an, weil sie sich mit deren Grundprinzipien identifizieren können. Daher stimmen Politikerinnen und Politiker derselben Fraktion in der Regel auch gleich ab.
Dies ist allerdings nicht das Ergebnis einer „Vorgabe“, wie Sie sie beschrieben haben. Innerhalb der Fraktionen gibt es jeweils zuständige Facharbeitsgruppen, die sich an den Ausschüssen des Deutschen Bundestages orientieren. Diese Facharbeitsgruppen sprechen Abstimmungsempfehlungen aus, die sie als konform mit sozialdemokratischen Grundwerten, dem Wahlprogramm sowie dem Koalitionsvertrag betrachten. Diese Empfehlungen fließen anschließend in den Entscheidungsprozess eines jeden Abgeordneten ein und führen daher bei den Abgeordneten derselben Fraktion in der Regel zu einem ähnlichem Abstimmungsverhalten.
Dies ist allerdings kein Automatismus, denn jeder Abgeordnete entscheidet selbst über sein eigenes Abstimmungsverhalten. Ich persönlich habe mich auch des Öfteren nicht der Mehrheit meiner Fraktion angeschlossen, wenn ich dies nicht für vertretbar mit meinen persönlichen Werten und Überzeugungen gehalten habe.
So habe ich
am 2. Februar 2007 gegen die Gesundheitsreform (http://www.abgeordnetenwatch.de/gesundheitsreform-636-113---abstimmungsverhalten-p_10_abst_nein.html#abst_verhalten),
am 30. Mai 2008 gegen die Bahnprivatisierung (http://www.abgeordnetenwatch.de/bahnprivatisierung-636-146---abstimmungsverhalten-p_10_abst_nein.html#abst_verhalten) und
am 29. Mai 2009 gegen die Schuldenbremse (http://www.abgeordnetenwatch.de/schuldenbremse-636-178---abstimmungsverhalten-p_10_abst_nein.html#abst_verhalten)
gestimmt, obwohl meine Fraktion mehrheitlich für diese Gesetze gestimmt hatte.
Das freie Mandat ist für mich ein hohes Gut. Deshalb behalte ich mir auch in Zukunft vor, bei mir wichtigen Fragestellungen nicht mit meiner Fraktion zu stimmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Niels Annen