Frage an Niels Annen von Joe B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Herr Annen,
bundesweit sind Sie als Spitzenpolitiker mit Hang zur Aussenpolitik bestens bekannt.
Der 3. Ausschuss der UN-Vollversammlung hatte am 21.11.2014 auf Russlands Initiative hin eine Resolution über den Kampf gegen die Nazi-Heroisierung angenommen.115 Staaten stimmten diesem Antrag zu, eine fast Zwei-Drittel-Mehrheit.Europas „Werte“gemeinschaft, darunter Deutschland und ähnlich orientierte Staaten, z.B. Australien und Neuseeland, übten Stimmenthaltung. Selbstverstaenlich hat die USA die Resolution abgelehnt.
Man denke: Deutschland enthält sich, trotz seiner Nazi-Vergangenheit, trotz aller „Nie wieder!“-Schwüre aus Politikermund, in den Vereinten Nationen bei einer Abstimmung gegen Nazi-Umtriebe der Stimme.
http://www.un.org/en/ga/third/69/docs/voting_sheets/L56.Rev1.pdf
Koennen mir als Bueger und Demokrate erklaeren warum sich die Bundesrepublik bei einer solchen Abstimmung der Stimme enthaelt, waren 60 Million Opfer des Naziregimes nicht genug?
Ich freue mich auf eine aussagekraeftige Antwort von Ihnen.
Joachim Bildstein
Sehr geehrter Herr Bildstein,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ebenso wie die Bundesregierung lehne ich jede Verherrlichung des Nationalsozialismus kompromisslos ab. Seit vielen Jahren engagiere ich mich im Kampf gegen Rechtsextremismus und habe als Mitglied des SPD-Parteivorstandes jahrelang die Projektgruppe der SPD gegen Rechtsextremismus geleitet. Russland bringt die Resolution „Glorification of Nazism“ seit 2005 jährlich in die VN-Generalversammlung ein. Deutschland hat sich wie auch in den Jahren zuvor, zusammen mit seinen EU-Partnern, der Abstimmung enthalten. Grund hierfür ist, dass die baltischen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Abstimmung als Affront ansehen, da sie den Kampf für die baltische Unabhängigkeit in den 1940er Jahren mit den NS-Verbrechen gleichsetze. Des Weiteren gibt es in dem Entwurf weitere problematische Formulierungen in Bezug auf die Meinungsfreiheit sowie der Integrität der Vertragsorgane.
Zur Vollständigkeit dieses Themenkomplexes gehört beispielsweise aber auch, dass Russland den Vorschlag der EU in den Bericht des VN-Sonderberichterstatters zu Rassismus erstmals eine Formulierung zu Angehörigen sog. „verletzlicher Gruppen“ aufzunehmen, abgelehnt hat. Unter den sog. „verletzlichen Gruppen“ werden insbesondere auch LGTBI (Lesbian, Gay, Trans-, Bi-, Intersexuelle) gezählt. Russland steht den LGBTI-Rechten kritisch gegenüber und hat gegen eine entsprechen Resolution des VN-Menschenrechtsrats im September 2014 gestimmt. Zur Finanzierung ihrer Wahlkämpfe wurde der rechtsextremen Partei „Front Nationale“ in Frankreich zum Jahreswechsel 2014/2015 nachweislich ein Millionenkredit einer Kreml-nahen Bank zur Verfügung gestellt. Presseberichten zufolge sollen sogar bis zu 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden sein. Auch die neofaschistische „Goldene Morgenröte“ aus Griechenland soll Geld erhalten haben.
Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesregierung dazu entschieden, sich der Stimme zu enthalten. Die Enthaltung ist nicht erfolgt, weil Deutschland den Kampf gegen die Verherrlichung des Nationalsozialismus ablehnt.
Mit freundlichen Grüßen
Niels Annen