Frage an Niels Annen von Bernhard S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
dpa-Pressemeldung v. 18.11.2013:
Der Trend zur Kohlenutzung führt nach Ansicht renommierter Klimaforscher zu einer Gefahr, "die über alles hinausgeht, was die Menschheit während ihrer gesamten Existenz auf diesem Planeten bisher erlebt hat".
In einer gemeinsamen Erklärung widersprachen die 27 internationalen Klima- und Energieexperten der Behauptung, dass sich das Klima-Problem mit emissionsarmen Kohleverbrennungstechnologien lösen lasse. Unter den Unterzeichnern sind die Professorin Claudia Kempfert (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) und Hans-Joachim Schellnhuber (Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung).
Wie können Sie vor diesem Hintergrund die Inhalte des aktuell chaotischen EEG-Novelle-Prozesses vertreten, welche gemäß Verbraucher- und Umweltschutzvereinigungen nicht zu Gunsten einer bürgernahen dezentralen Energiewende gereichen und auch nicht die Bürger entlasten, sondern sogar die 2012 ausgeweiteten Geschenke (EEG-Befreiung) an die Industrie weiter entwickeln, teure Erneuerbare Energie wie Offshore Wind ausweiten und billigste ern. Energien wie Onshore Wind und Photovoltaik deckeln wollen, den Eigenverbrauch mit einer Art Sonnensteuer bestrafen und und und...?
Mit freundlichen Grüßen
B.Schick
Sehr geehrter Herr Schick,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema EEG. Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages und der abschließenden Beratung des Bundesrates am 11. Juli zur Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) kann das Gesetz am 1. August dieses Jahres in Kraft treten. Damit gibt es wieder Planungs- und Investitionssicherheit in der Energiepolitik.
Mit dem Erfolg der Erneuerbaren Energien bei einem aktuellen Stromanteil von rund 25% ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, das EEG an die veränderte Situation anzupassen. Die Phase der Markteinführung Erneuerbarer Energien endet und geht in die Phase der Marktdurchdringung über. Dies bedingt, dass nicht mehr nur der schlichte Zubau erneuerbarer Erzeugungsanlagen im Fokus stehen kann, sondern auch ihre Markt-, System- und Netzintegration in den Vordergrund rückt.
Dass die Beratungen zur EEG-Novelle in ihrer Endphase sehr hektisch erfolgten und manche berechtigte Forderung nicht durchgesetzt werden konnte, lag nicht zuletzt an den kurzfristigen Änderungswünschen der EU-Kommission aus Brüssel.
Mit der EEG-Novelle wird die selbst von manchen Branchenvertretern bestätigte vorhandene Überförderung in Teilbereichen des Erneuerbaren -Energien-Sektors abgebaut und die Einspeisevergütung für Neuanlagen abgesenkt.
Damit der Ausbau der Erneuerbaren Energien für alle Beteiligten planbar und bezahlbar bleibt, werden im Gesetz sog. „Ausbaukorridore“ für die unterschiedlichen erneuerbaren Energieträger festgelegt. Vor allem kostengünstige Technologien wie Windenergie an Land und Photovoltaik sollen weiter ausgebaut werden. Zukünftig können folgende Mengen hinzugebaut werden:
• Solarenergie: 2.500 Megawatt pro Jahr
• Windenergie an Land (Onshore): 2.500 Megawatt pro Jahr. Werden Windparks
erneuert („Repowering“), gilt nur die zusätzlich erzeugte Energie als Zubau.
• Biomasse: 100 Megawatt pro Jahr, da dieser Energieträger sehr kostenintensiv ist.
• Bis 2020 soll die Windenergie auf See (Offshore) auf 6.500 Megawatt gesteigert
werden und danach um weitere 800 Megawatt pro Jahr.
Netzanschlusszusagen für Offshore-Windenergie sollen bei stagnierenden Projekten durch die Bundesnetzagentur wieder entzogen und neu vergeben werden.
Wird mehr Leistung als geplant hinzugebaut, soll die Förderung für alle neuen Anlagen des jeweiligen Energieträgers sinken. Aufgrund ihrer Marktentwicklung ist bei Geothermie und Wasserkraft keine Mengensteuerung erforderlich.
Im Gegensatz zu Ihnen begrüße ich, dass das EEG auch weiterhin die Möglichkeit der (Teil-)Befreiung von stromintensiven Industrieunternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, von der EEG-Umlage vorsieht. Diese „Besondere Ausgleichsregelung“ ist gerade für einige Hamburger Unternehmen besonders wichtig. Ohne diese Befreiung hätten in Hamburg tausende Arbeitsplätze zur Disposition gestanden. Insgesamt sehe ich keinen Widerspruch zwischen dem Erhalt der industriellen Basis und der Grundstoffindustrie in Deutschland und dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energie bzw. dem Ausbau der Green Economy.
Auch den geregelten Ausbau der nahezu grundlastfähigen Offshore-Windenergie begrüße ich aus norddeutscher Perspektive ganz klar.
Der Eigenverbrauch bei Neuanlagen wird zukünftig zur Finanzierung der Förderung von Erneuerbaren Energien grundsätzlich herangezogen. Hiervon sind Bestands- und Kleinanlagen ausgenommen. Dieser Schritt war notwendig, weil der finanzielle Vorteil der Eigenversorgung mit steigender EEG-Umlage immer attraktiver wurde. Der Anreiz für die Industrie, aber auch für PV-Anlagenbesitzer ist mit mittlerweile beinahe 20 Cent pro Kilowattstunde (Einsparung der EEG-Umlage, Netzentgelte, Konzessionsabgabe, Stromsteuer) so hoch, dass sich immer mehr Erzeuger der öffentlichen Finanzierung des EEG entziehen, die Stadtwerke mehr und mehr Probleme bekommen, und die EEG-Umlage von denjenigen allein geschultert werden muss, die sich keine PV-Anlage oder industrielle Eigenversorgung leisten können. Aus Sicht der Großen Koalition musste diesem wenig solidarischen Trend Einhalt geboten werden. Denn im Zweifelsfall greifen die Eigenversorger auf die öffentlichen Netze zu. Entsprechende Kapazitäten müssen also auch weiterhin bereitgehalten werden.
Mit der beschlossenen Novelle haben wir einen europarechtskonformen Rahmen auf den Weg gebracht, um den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent zu steigern. Jetzt wird es vor allem darauf ankommen, den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Ausbau der Netze aufeinander abzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Niels Annen, MdB