Frage an Nicola Beer von Gerrit D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo und Guten Tag Nicola Beer!
Nach meinen Recherchen waren Sie in der Vergangenheit bis zur kommenden Wahl bereits für 3 Jahre Staatssekretärin, 2 Jahre Ministerin, 10 Jahre Mitglied des Landtages von Hessen, 2 Jahre im Mitglied des Bundestages sowie insgesamt rund 5,5 Jahre als Generalsekretärin ihrer Partei tätig. Daraus ergeben sich für mich vier Fragen.
- Woher kommt ihre ganz persönliche Motivation nun auf EU-Ebene wirken zu wollen und bei der kommenden Wahl kandidieren?
- Angenommen, sie nähmen in Zukunft kein Mandat, öffentliches Amt, keine Parteifunktion (die einfache Mitgliedschaft einmal ausgenommen) wahr: Bewerten Sie ihre eigenen politischen Einflussmöglichkeiten als unter-, durch- oder überdurchschnittlich?
- Was könnte ihnen helfen sich selbst, die eigenen Hobbys, die Familie/Freunde, den Wahlkreis, Mitarbeiter_innen, die Partei, die Fraktion, das Parlament, den Beruf außerhalb des Parlaments zufriedenstellend und im gesunden Ausgleich „unter einen Hut“ zu bekommen?
- Welche Erfahrungen, Kenntnisse oder Fähigkeiten aus ihrem politischen Leben waren/sind in ihrem beruflichen Alltag hilfreich (gewesen)?
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Europäische Grüße
G. D.
Sehr geehrter Herr D.,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich sehr gerne beantworte.
Ihre Frage 1: "Woher kommt ihre ganz persönliche Motivation nun auf EU-Ebene wirken zu wollen und bei der kommenden Wahl zu kandidieren?"
Ein gemeinsames Europa hat uns in den letzten 70 Jahren Frieden, Freiheit und Wohlstand gebracht. Dieses Europa dürfte ich schon im Alter von 12 Jahren bei meinem ersten Schüleraustausch erleben und es hat mich seitdem nicht mehr losgelassen: die Neugier auf andere Menschen, ihre Sprache und Kultur. In Europa und darüber hinaus. Was die Europäische Union hierbei mit der richtigen Politik bewirken kann, das habe ich dann später als hessische Staatssekretärin für Europaangelegenheiten drei Jahre lang in Brüssel miterleben und mitgestalten dürfen.
Aktuell wird jedoch zunehmend deutlich, dass die EU großen Reformbedarf hat. Es gibt zu oft keine Entscheidungen. Dinge sind festgefahren. Manche EU-Staaten haben nur noch die eigenen Interessen im Blick. Die EU driftet auseinander - Nord-Süd, Ost-West, kleine und größere Mitgliedstaaten - obwohl wir angesichts der internationalen Veränderungen um uns herum - etwa in den USA, China, Rußland und der Türkei - dringend darauf angewiesen wären, als starke gemeinsame Stimme aufzutreten. Doch statt sich gemeinsam auf die großen Herausforderungen zu konzentrieren, agiert die EU zu oft im Klein-Klein.
In solch‘ einer Situation muss man sich entscheiden, ob man der allmählichen Erosion der EU weiter zuschaut, oder ob man den Mut und auch die Leidenschaft aufbringt, die EU grundlegend zu reformieren, um sie für die Zukunft der Menschen besser aufzustellen. Das war für mich Anlass, mich auch ganz persönlich zu engagieren, weil mir Europa so sehr am Herzen liegt.
Ihre Frage 2: "Angenommen, sie nähmen in Zukunft kein Mandat, öffentliches Amt, keine Parteifunktion (die einfache Mitgliedschaft einmal ausgenommen) wahr: Bewerten Sie ihre eigenen politischen Einflussmöglichkeiten als unter-, durch- oder überdurchschnittlich?"
Auch als Bürgerin ohne Mandat und Amt hätte ich Möglichkeiten der politischen Einflußnahme, nicht nur bei Wahlen, sondern etwa auch durch Engagement in konkreten Projekten und/oder Initiativen, durch die Organisation politischer Diskussionen als Parteimitglied. Allerdings wären diese selbstverständlich nicht so unmittelbar wie zur Zeit als
Abgeordnete. Insofern wären die Einflußmöglichkeitem auf Ihrer Skala - vorausgesetzt, ich habe Sie richtig verstanden, dass es um den Vergleich mit der Tätigkeit als Abgeordnete geht - wohl als durchschnittlich zu bezeichnen.
Ihre Frage 3: "Was könnte ihnen helfen sich selbst, die eigenen Hobbys, die Familie/Freunde, den Wahlkreis, Mitarbeiter_innen, die Partei, die Fraktion, das Parlament, den Beruf außerhalb des Parlaments zufriedenstellend und im gesunden Ausgleich „unter einen Hut“ zu
bekommen?"
Das ist leicht zu beantworten: Meine Familie und meine Freunde sowie meine Kirchengemeinde in Frankfurt. Hier tanke ich Kraft, hier komme ich zur Ruhe.
Ihre Frage 4: "Welche Erfahrungen, Kenntnisse oder Fähigkeiten aus ihrem politischen Leben waren/sind in ihrem beruflichen Alltag hilfreich (gewesen)?"
Ich habe mich neben Berufsausbildung (Bankkauffrau) und Studium (Jura) schon früh engagiert und von der „Pieke“ auf in der Frankfurter Kommunalversammlung Politik gemacht. Hier habe ich erfahren, dass es in der Politik auf den richtigen Interessensausgleich ankommt. Zentral ist auch die Fähigkeit, auf andere zuzugehen und zu überlegen, wie wir gemeinsam das beste Ergebnis erreichen können. Das ist für mich auch als Rechtsanwältin stets ein erfolgsversprechender Ansatz gewesen. Diese Erfahrung wird mir auch wieder in Brüssel helfen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Nicola Beer