Frage an Nicola Beer von Andreas T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Beer,
nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen haben Sie verlauten lassen, die FDP habe keine Angst vor Neuwahlen. Ich als Wähler und Steuerzahler schon! Sind Sie sich der Gefahr bewusst, dass unter den gegebenen Umständen der Bundestag dann noch weiter aufgebläht werden könnte? Statt der gesetzlich vorgesehenen 598 Parlamentarier sitzen jetzt schon 709 Abgeordnete im Reichstagsgebäude und kosten uns Steuerzahler zusätzliche Millionen, ohne dass wir Steuerzahler dafür ein Mehr an Qualität erwarten dürfen.
Meine Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass noch VOR Ausrufung von Neuwahlen ein neues Bundeswahlgesetz verabschiedet wird?
Hintergrund meiner Frage ist die Tatsache, dass allein durch die Wahlergebnisse in Bayern so viele Überhang- und Ausgleichsmandate enstanden sind, dass es einer Vergrößerung auf 709 Mandate bedurfte, um den Parteienproporz wieder herzustellen. Bei einer Neuwahl dürfte die Diskrepanz zwischen gewonnenen Direktmandaten für die CSU und deren Zweitstimmenergebnis noch größer ausfallen. Ein kleines Rechenbeispiel: Die CSU gewann im September 46 Direktmandate, erreichte durch ihre 38,8% in Bayern aber nur 6,2% der bundesweiten Zweitstimmen (das entspricht bereinigt um den Abzug der unter 5% gebliebenen Kleinstparteien knapp 6,5%). Damit 46 Sitze dem Anteil von 6,5% entsprechen, bedurfte es einer Gesamtzahl von 709 Abgeordneten – simple Mathematik. Nun stellen Sie sich vor, bei Neuwahlen gewinnt die CSU wieder alle 46 bayerischen Direktmandate, aber fällt weiter auf z.B. 35% der Zweitstimmen. Das wären dann bereinigt etwa 5,9% bundesweit. Da wären wir dann schon bei etwa 780 Abgeordneten! Das können Sie nicht ernsthaft wollen. Vor Neuwahlen MUSS ein neues Wahlgesetz her!
Mit freundlichen Grüßen
A. T.
Sehr geehrter Herr T.,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Wahlrecht.
Mit dem aktuellen Wahlrecht droht die Gefahr, dass der nächste Bundestag noch größer wird als er es derzeit mit 709 Abgeordneten schon ist. Wir Freie Demokraten setzen uns daher dezidiert für eine Verkleinerung des Bundestages auf seine gesetzliche Größe mit einem Richtwert von 598 Mandaten ein.
Problematisch ist zudem die Unberechenbarkeit der Größe des Bundestages: So ist es möglich, dass der Bundestag nach der Mandatsverteilung aus 598 Abgeordneten besteht, aber auch eine deutlich höhere Zahl ist möglich, ohne dass dies vorhersehbar wäre. Denn jedes Überhangmandat zieht eine Vielzahl von Ausgleichsmandaten nach sich und die Zahl der Überhangmandate lässt sich vor der Wahl nicht errechnen. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass bei der aktuellen Struktur der Parteienlandschaft mit dem jetzigen Wahlmodus immer relativ viele Überhangmandate entstehen werden. Bei der Bundestagswahl 2017 hat dies zu einer Erhöhung der Mandatszahl auf 709 geführt.
Der Deutsche Bundestag hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Vorschläge zur Änderung des Wahlrechts diskutiert. Erklärtes Ziel ist dabei die Verringerung der Sitzzahl des Bundestages. Dabei ist eine starke Präferenz für Vorschläge innerhalb der personalisierten Verhältniswahl zu erkennen.
Wir Freien Demokraten setzen uns dabei dafür ein, dass die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundestag dem Zweitstimmenergebnis entspricht und haben dafür verschiedene Vorschläge gemacht. Gerne nehmen wir Ihre Vorschläge in unsere Überlegungen auf. Zu beachten ist allerdings, dass bei der Einteilung von Wahlkreisen Landesgrenzen zu beachten sind, ein Wahlkreis also nicht in mehreren Bundesländern liegen darf.
Wir dürfen also optimistisch sein, dass der Bundestag bald ein neues Wahlrecht beschließen kann, das zu einer weitgehend vorhersehbaren Größe des Bundestages führt und eine starke Vergrößerung über 598 Mandate hinaus ausschließt.
Ihre
Nicola Beer, MdB