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Frage von Alexander Z. •

Frage an Nebahat Güçlü von Alexander Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Güclü,

aktuell wird über gewalttätige Jugendliche mit Migrationshintergrund debattiert, zuvor gab es Diskussionen über Kopftücher bei muslimischen Frauen und Parallelgesellschaften. Oberflächlich betrachtet, scheint sich die Situation zuzuspitzen. Sind Sie der Meinung, dieses ist in der gesellschaftlichen Realität begründet?
Wie schätzen Sie die gegenwärtige Situation vor dem Hintergrund eines längeren Zeitraumes ein?
Ist das Zusammenleben verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Kulturen in dieser Stadt harmonischer oder tatsächlich schwieriger geworden? Streben wir aufgrund verschiedener Ethnien und Religionen eher auseinander oder wachsen wir auch zusammen?
Zuletzt: In Hamburg gibt es Bürger aus weit über hundert verschiedenen Nationen und mindestens ebensovielen Kulturen. Diskutiert oder debattiert werden in der Regel nur die islamischen. Wie also stellt sich Integration für die anderen Gruppen dar?

Mit freundlichen Grüßen
Alexander Zimmermann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Zimmermann,

vielen Dank für Ihre Frage.
Wir erleben derzeit eine Diskussion, die immer wiederkehrt. Zuletzt wurde viel über das Thema Jugendkriminalität im Zusammenhang mit Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert, als die Vorfälle an der Berliner Rütli-Schule bekannt wurden. Sie erinnern sich sicher daran. Ich denke daher nicht, dass sich die gesellschaftliche Realität speziell in den letzten Wochen in außergewöhnlicher Weise zugespitzt hätte.

Allerdings zeigen aktuelle Statistiken leider, dass die Jugendgewalt über einen längeren Zeitraum betrachtet tatsächlich zugenommen hat. Dieser Realität dürfen wir uns nicht verschließen. Ich finde es allerdings sehr gefährlich und schlicht falsch, dabei einen direkten Zusammenhang mit bestimmten Ethnien oder Religionen herzustellen. Jugendgewalt ist eine Folge von sozialer Benachteiligung, Ausgrenzung, mangelnden Perspektiven im Bildungsbereich sowie patriarchalischen Familienstrukturen mit Gewalt in der Erziehung. Dass Menschen mit Migrationshintergrund leider überdurchschnittlich häufig von diesen Problemen betroffen sind, zeigt, dass hier lange Zeit vieles in der Integrationsarbeit versäumt wurde. So ist die Arbeitslosigkeit unter Migrantinnen und Migranten in Hamburg mit rund 24 % dreimal so hoch wie unter Deutschen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt gar bei fast 28 %.

Bei zahlreichen Menschen mit Migrationshintergrund wird die Perspektivlosigkeit zudem noch durch unsichere Aufenthaltsperspektiven verschärft. Dies zu ändern ist einer der Bereiche, in denen es anzusetzen gilt, um die aktuellen Probleme wirksam präventiv zu bekämpfen. Weitere liegen meiner Ansicht nach in einem Bildungssystem nach unserem Modell "9 macht klug", das fördert statt zu selektieren sowie in besseren Angeboten zur Stärkung der Opfer von Gewalt.

Ziel einer guten gelingenden Integrationspolitik muss es sein, Migrantinnen und Migrantinnen in allen Lebensbereichen und Berufsgruppen repräsentiert zu haben. Schaut man einmal genauer hin, so wird man feststellen, dass zahlreiche Menschen mit Migrationshintergrund, bei denen Integration in vorbildlicher Weise gelungen ist, bereits heute fest in unserer Gesellschaft verankert sind. Leider wird dies in der Medienberichterstattung, die sich auf Problemberichte konzentriert, häufig vernachlässigt.

Ich denke vor diesem Hintergrund allerdings nicht, dass sich die verschiedenen Kulturen in unserer Stadt in jüngster Vergangenheit "auseinanderbewegt" hätten oder das Zusammenleben deutlich schwieriger geworden wäre. Integration ist ein Prozess, der neben den Migrantinnen und Migranten auch die Mehrheitsgesellschaft fordert. So halte ich es für falsch zu fragen, ob sich Kulturen aufeinander zu bewegen oder die Anpassung an eine "deutsche Leitkultur" zu verlangen. Hierdurch werden Kulturen in diskriminierender Weise hierarchisiert. Gemeinsame Grundlage des Zusammenlebens ist selbstverständlich das deutsche Grundgesetz. Darüber hinaus allerdings halte ich es für unverzichtbar, in unserer Gesellschaft zu einer Kultur zu kommen, die Verschiedenartigkeit schätzt und die Chancen erkennt, die darin liegen. Denn interkulturelle Kompetenzen und die Kenntnis verschiedener Kulturen sind in einer globalisierten Welt ein großer Vorteil, den es zu nutzen und zu fördern gilt.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen zufriedenstellend beantworten.
Mit freundlichem Gruß,

Nebahat Güçlü