Frage an Monika Lazar von Ottmar M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Guten Tag Frau Lazar,
auf den landw. Internetplattformen proplanta und Agrarheute vom 12.01.15 werden die Forderungen der Grünen nach „grüner Landwirtschaft“, „gutem Essen“ und einem Ende der „Massentierhaltung“ genannt! Da ergeben sich zahlreiche Fragen! Was ist überhaupt „Massentierhaltung“? Sind 2.000 Mastschweineplätze „Massentierhaltung“? Wenn die Bestände verkleinert werden, so sind mehr Arbeitskräfte erforderlich! Wer soll diese Arbeit machen? Wo sollen diese herkommen, da jetzt schon erhebliche Probleme bestehen, ausreichend Arbeitskräfte für die Tierproduktion zu bekommen? Welche Bestandsgrößen sind keine „Massentierhaltung“? Wo sollen kleine Bestände gehalten werden? Genau neben der Wohnbebauung? Was ist „gutes Essen“ überhaupt? Gehören Produkte aus pilzbefallenem Getreide aus Ökoanbau (weil nicht gegen Pilzkrankheiten behandelt, s. proplanta) zu „gutem Essen“? Oder schorfiges, wurmstichiges Obst und Gemüse wegen fehlender Insektizid-/Fungizidbehandlung? Oder „Bioobst“ aus Übersee? Sind Brot, Kartoffeln, Gemüse, Milch, Fleisch, Eier aus konventioneller Landwirtschaft/ „Massentierhaltung“ kein „gutes Essen“? Wenn wie ebenfalls gefordert, der Antibiotikaeinsatz verringert werden soll, was soll mit kranken Tieren geschehen? Leiden und ggf. Sterben lassen? Einschläfern und entsorgen? Schlachten? Wer soll die Kosten dafür tragen? Sollen in der Tierhaltung überhaupt Antibiotika eingesetzt werden? Die Grünen haben seinerzeit Hartz-IV mitbeschlossen. Wovon sollen Hartz-IV Bezieher und andere Bürger mit niedrigem Einkommen „gutes Essen“ bezahlen, wenn Lebensmittel durch „grüne Landwirtschaft“ teurer werden?
O. Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
bitte sehen Sie mir nach, dass ich Ihnen erst heute antworten kann. Ihre Fragen betreffen nicht mein Fachgebiet und weil die Frage nach gutem Essen eine sehr persönliche ist, möchte ich Ihnen im Zusammenhang mit unseren grünen Positionen auch meine persönliche Einschätzung dazu geben.
Massentierhaltung beschreibt für uns ein System, in dem eine große Anzahl von Tieren unter nicht artgerechten Bedingungen (z.B. Vollspaltenböden, keine Möglichkeit für Auslauf, wenig Beschäftigung) gehalten werden, ohne dass der landwirtschaftliche Betrieb über genügend Fläche verfügt, die für die eigene Futtergrundlage oder die Ausbringung der Gülle benötigt wird.
Oftmals hat in solchen Strukturen der Tierhalter ein großes Maß seiner betrieblichen Selbstständigkeit verloren. Wir sind nicht gegen die Landwirtschaft oder gegen Bäuerinnen und Bauern.
Wir glauben stattdessen, dass die aktuelle Agrarpolitik nicht nachhaltig die Interessen der Bäuerinnen und Bauern unterstützt. Denn im Moment erhalten fünf Prozent der Betriebe über 40 Prozent der Direktzahlungsansprüche aus Brüssel. Der Preisdruck auf die Erzeugerinnen und Erzeuger hat sich so verschärft, dass die Produktion von Schweinefleisch oder Milch häufig nicht mehr kostendeckend ist. Der Strukturwandel des letzten Jahrzehnts hat sehr viele bäuerliche Betriebe verschwinden lassen. Wir glauben nicht, dass dies im Interesse der Mehrheit der Landwirte ist.
Gutes Essen, was ist das?
Hierzu hat jeder eine eigene Antwort, und das ist auch gut so, denn Vorschriften oder Verbote helfen nicht, Essverhalten zu steuern. Bündnis 90/Die Grünen wollen gute Lebensmittel aus einer Landwirtschaft, die Tiere artgerecht behandelt, die das Klima schützt und die Artenvielfalt bewahrt, eine Landwirtschaft, die Bäuerinnen und Bauern jenseits des Wachsens oder Weichens eine Perspektive bietet. Wir wollen kein Putenfleisch von Tieren, die so überzüchtet und artwidrig gehalten werden, dass neun von zehn Mastdurchgängen antibiotisch behandelt werden müssen.
Natürlich heißt Landwirtschaft ja noch immer auch Wirtschaft, und das bedeutet: Die Bewirtschaftung des Bodens und die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte muss den Landwirt davon leben lassen können. Für mich persönlich bedeutet gutes Essen vor allem regionale und jahreszeitliche Produkte.
Insofern können selbstverständlich auch konventionell hergestellte Produkte gutes Essen sein.
Gleichwohl ist die Nachfrage nach Bio-Erzeugnissen hoch und wächst beständig. Die meisten Supermärkte bieten inzwischen eigene Bioprodukte an. Die Preise dafür liegen häufig sogar im unteren Segment, sodass ich auch Leute mit nicht so hohem Einkommen, das durchaus leisten können. Die Öffentlichkeit diskutiert zunehmend die Art und Weise der Nutztierhaltung in Deutschland. Auch wenn ich selbst seit über 25 Jahren Vegetarierin bin, ist für mich in jedem Falle eine artgerechte Tierhaltung entscheidend, denn m.E. sollte das Tier bevor mensch es verzehrt, ein gutes Leben gehabt haben: Milchkühe ohne Anbindehaltung, mit der Möglichkeit zum Auslauf, Hühner, die nicht in Käfigen eingesperrt werden und Schweine, die sich in ihrem Stall bewegen und mit einfachen „Spielgeräten“ beschäftigt werden können. Diese Möglichkeiten kann auch die konventionelle Landwirtschaft schaffen. Viele Landwirte haben das erkannt und handeln mittlerweile im Sinne des Tierwohles. Tiermastanlagen in den Größen von sogenannten Megaställen, z.B. des holländischen Schweinemästers Straathof, lehne ich aus tiefer Überzeugung ab. Wer Fleisch isst und solche Zustände ebenfalls ablehnt, muss in der Tat meist etwas tiefer in die Tasche greifen.
Dies ist durchaus ein Anreiz, den Fleischkonsum einzuschränken. Wenn wir es ernst meinen mit Lebensmitteln aus einer Landwirtschaft, die Tiere artgerecht behandelt, die das Klima schützt und die Artenvielfalt bewahrt, bedeutet das in letzter Konsequenz, dass der Fleischkonsum insgesamt sinken muss. Um für die globalen Folgen des eigenen Essverhaltens zu sensibilisieren unterstütze ich gemeinsam mit den Leipziger Grünen z.B. den Veggie Day in Leipzig. Dort bieten seit einigen Jahren einmal im Jahr zum Aschermittwoch einige Restaurants in Leipzig ausschließlich vegane und vegetarische Gerichte an. Diese Leipziger Gastronomen machen dabei immer gern mit. http://presse.grueneleipzig.de/2015/02/13/leipzigs-grune-rollen-vegane-rouladen-fur-5-leipziger-veggieday/
Pilzsporen und Pilzgifte können auf Getreide zu finden sein. Der Befall von Biogetreide ist jedoch deutlich geringer als der von konventionellem Getreide. Die Hauptursache der höheren Schimmelpilzgifte in konventionellem Getreide wird in der intensiven Düngung gesehen, welche zu dichten Pflanzenbeständen führt. Diese bleiben länger feucht, was die Bildung von Schimmelpilzen trotz Fungizidbehandlungen fördert.
Der übermäßige und ungezielte Einsatz von Antibiotika fördert die Entwicklung von (multi-)resistenten Erregern. Diese müssen nach Meinung der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) und der WHO (Weltgesundheitsorganisation) unbedingt eingedämmt werden. Aktuelle Zahlen zeigen: In manchen Regionen mit sehr viel Massentierhaltung stammen fast 30 Prozent der im Krankenhaus gefundenen MRSA-Keime aus der Tierhaltung. Bauern sind besonders gefährdet. Wir fordern einen angemessenen Einsatz von Antibiotika zur Behandlung von kranken Einzeltieren und die Verbesserungen der Haltungsbedingungen, da der dauerhafte Stress großer Tierhaltungsanlagen die Tiere zusätzlich schwächt.
Gerne können Sie sich an die zuständigen FachpolitikerInnen in der grünen Bundestagsfraktion wenden, sofern Sie weitere Nachfragen zu den von Ihnen angesprochenen Themen haben:
Mein Kollege Friedrich Ostendorff ist Sprecher für Agrarpolitik, Nicole Maisch ist Sprecherin für Tierschutzpolitik.
Viele Grüße
Monika Lazar