Frage an Monika Lazar von Sven W. bezüglich Finanzen
Hallo,
ich fahre jeden Tag 45 km einfache Fahrt zur Arbeit. Spritpreis letzte Woche 1,68€.
Es lohnt sich für mich nicht mehr auf Arbeit zu fahren, bei einem Brutto/Nettoverdienst 1.250/954€. Damit bin ich kein Einzelfall. Sie möchten auf lange Zukunft einen Literpreis von 5,00DM/2,50€. ´Wie stellen sie sich die Zukunft vor? Die Leute sind gefrustet. Sie gehen auf Demos gegen Rechts, schön und wichtig, treiben aber mit ihrer politik, erneut menschen in das rechte lager. ich für meinen Teil, kann den weg zur Arbeit nicht mehr finanzieren und muss mir eine Partei suchen, die Taten folgen läßt, so wie einige meiner Kollegen vor mir.
MfG Winter
Sehr geehrter Herr Winter,
danke, dass Sie mir Ihre Erfahrungen mitgeteilt haben. Es tut mir Leid, dass Sie mit so schwierigen Bedingungen zu kämpfen haben. Bedauerlicherweise müssen heute tatsächlich viele Menschen längere Wege zur Arbeit zurücklegen, da sie direkt am Wohnort keinen vernünftigen Job finden können. Hinzu kommen oft geringe Verdienste, die unterhalb einer menschenwürdigen Entlohnung liegen.
Diese Probleme haben Bündnis 90/Die Grünen im Blick. Wir fordern bereits seit Jahren einen gesetzlich festgelegten bundesweiten Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro. Nur so kann gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet werden, ebenso wie auch zusätzliche Ausgaben wie etwa Fahrtkosten zur Arbeitsstelle. Außerdem dürfen staatliche Mittel nicht länger in veraltete Branchen (etwa Kohleabbau) verpulvert werden, sondern sollen für zukunftsweisende neue Arbeitsplätze (erneuerbare Energien, Bildung, Pflege usw.) ausgegeben werden. Der Staat muss Geld dorthin fließen lassen, wo auf Dauer bessere regionale Arbeitsplätze entstehen, die für die Wirtschaft und den Einzelnen mehr Gewinn bringen.
Die horrenden Benzinpreise sind ein komplexes Thema. Dass die Grünen daran schuld seien, ist ein verbreiteter Irrtum. Es gibt für die derzeitigen Kraftstoffpreise mehrere Ursachen. Der Rohölpreis ist so hoch wie lange nicht mehr. Einerseits treibt der ungünstige Wechselkurs des Euro zum Dollar den Preis nach oben. Andererseits ist das Umsatzsteueraufkommen (Mehrwertsteuer) mit den gestiegenen Ölpreisen ebenfalls gestiegen und verstärkt den Preiserhöhungseffekt. Hinzu kommen ungerechtfertigte Preisaufschläge der Ölkonzerne, die zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Profit erhöhen. Ein von der grünen Bundestagsfraktion beim Hamburger Energieexperten Steffen Bukold in Auftrag gegebenes Gutachten belegt, dass die Ölkonzerne zwischen November 2011 und März 2012 bei Super-Benzin 40% mehr aufgeschlagen haben, als es die Verteuerung an den Rohölmärkten gerechtfertigt hätte. 5 Cent pro Liter oder 100 Mio. Euro konnten die Ölkonzerne als zusätzlichen Gewinn einstreichen.
Aber auch eine Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt, wie wir Grüne sie seit langem fordern und die Wirtschaftsminister Rösler nun mit anderthalb Jahren Verzögerung als Mittel gegen die hohen Spritpreise entdeckt hat, wird letztendlich die Benzinpreise nur um ein paar Cent beeinflussen können. An der generellen Entwicklung, dass Öl (und damit auch Benzin) immer teuer werden, wird sich nichts ändern. Denn die steigenden Ölpreise zeigen, dass die Ölförderung bald mit der Nachfrage nicht mehr mithalten kann. ExpertInnen schätzen, dass bis 2015/2020 das Angebot die Nachfrage nach Öl nicht mehr befriedigen kann. Fakt ist: Das Zeitalter des billigen Öls geht unwiderruflich zu Ende. Sowohl wegen der Preise als auch wegen des Klimaschutzes lautet daher das grüne Motto: "Weg vom Öl!".
Die Bundesregierung und die Autoindustrie tun leider zu wenig, um spritsparende Fahrzeuge zu entwickeln. Wir haben in einer grünen Automobilstrategie (Green Car Concept) bereits 2007 Vorschläge gemacht, wie man die Verbrauchswerte schneller senken kann. Ein zentrales Instrument sind ambitionierte CO2-Grenzwerte, die der Spritspartechnik serienmäßig zum Durchbruch verhelfen könnten. Die Zukunft muss Null-Emissions-Autos gehören. Das sind zum einen Elektrofahrzeuge, wie sie u.a. Mitsubishi, Renault, Nissan und Peugeot/Citroen schon auf den Markt gebracht haben, die mit Ökostrom betrieben werden. Es sind aber vor allem auch so genannte Plug-In-Hybride oder Range Extender wie der Opel Ampera, die mit Steckdosenstrom geladen 20-50 Kilometer rein elektrisch fahren können und mit dem Verbrennungsmotor auf eine Reichweite von 500 Kilometer kommen. 90 Prozent der alltäglichen Fahrten können dann schon rein elektrisch zurückgelegt werden. Strenge CO2-Grenzwerte für Neufahrzeuge und steigende Ölpreise werden diese Entwicklung beschleunigen.
Wir Grüne fordern, dass Autos mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 60 Gramm pro Kilometer (2-Liter-Auto), wie es Plug-In-Hybride und Elektroautos mit Ökostrom erreichen, mit einem Kaufzuschuss von 5.000 Euro gefördert werden. Das würde einen großen Schub für die Markteinführung und Technologieentwicklung bedeuten. Die Höhe der Förderung entspricht dem, was in Frankreich und Großbritannien gezahlt wird. In Japan, China und den USA fällt die Förderung sogar noch deutlich höher aus. Außerdem wollen wir die Erforschung der nächsten Batteriegeneration mit einer höheren Leistung durch mehr Forschungsinvestitionen beschleunigen.
Darüber hinaus setzen wir uns seit jeher für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs ein. Wenn man längere Zeit nicht mit Bus und Bahn unterwegs war, lohnt es sich durchaus, das mal auszuprobieren. Denn in vielen Bundesländern hat sich das Angebot verbessert. Wer keine Alternativen zur Fahrt mit dem Auto hat, kann Mitfahrgelegenheiten anbieten oder sich selbst mitnehmen lassen, um so Spritkosten zu teilen. Es gibt mittlerweile im Internet auch ein gutes Angebot für Pendler unter www.pendlernetz.de
Um also sowohl die Fahrtkosten bezahlbarer zu gestalten als auch bessere Jobs vor Ort zu schaffen, brauchen wir eine Gesamtstrategie, bei der Staat, Bevölkerung und Wirtschaft zusammenwirken müssen. Diese Gesamtstrategie vermisse ich bei rechtsextremen Parteien und Gruppen. Und nicht nur das: Deren Abschottungstendenzen gegenüber anderen Ländern würden unserem Exportland wirtschaftlich sehr schaden und die Lebensbedingungen verschlechtern. Davon abgesehen lehne ich, wie Sie sicher wissen, das rassistische, intolerante und menschenverachtende Weltbild von Nazis ab. Deshalb demonstriere ich auch dagegen.
Ich halte es also in jeder Hinsicht für die falsche Entscheidung, sich von der NPD ein besseres Leben in Deutschland zu erhoffen und glaube auch nicht, dass differenziert denkende Menschen sich von grüner Politik in die Reihen der Nazis gedrängt fühlen. Natürlich sind deren Slogans häufig von populistischer Einfachheit, so dass sie manchem vielleicht als Lösung erscheinen mögen. Befasst man sich jedoch ein wenig genauer mit den Ursachen der Probleme in Deutschland, wird schnell klar: Mit rechten Parolen sind diese bestimmt nicht lösbar.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Lazar